Medical Tribune
23. Juni 2023Behaarte Muttermale inspirieren neue Wirkstoffe gegen Haarausfall

Wie seneszente Melanozyten den Haarwuchs boosten

Eine neue Studie in der Fachzeitschrift Nature zeigt, warum Haare in bestimmten Nävi (Muttermalen) beständig und stark nachwachsen. Die Erkenntnisse könnten helfen, neue Medikamente gegen Haarausfall zu entwickeln.

Signalmoleküle in behaarten Muttermalen verstärken das Haarwachstum.
Yusuke Ide/gettyimages

Ein internationales Forscherteam unter der Führung der University of California (UCI) hat herausgefunden, dass bestimmte Proteine, die von seneszenten (gealterten) Pigmentzellen (Melanozyten) in der Haut produziert werden, das Haarwachstum reaktivieren und unterstützen können.

Die Studie identifizierte dabei insbesondere das Signalmolekül Osteopontin und seinen Rezeptor CD44 als wichtigste Effektorpaar bei der Anregung des Haarwachstums.

Osteopontin reaktiviert dormante Stammzellen im Haarfollikel

Das Wachstum der Haarfollikel wird durch die Aktivierung von Stammzellen reguliert. Diese Zellen teilen sich und ermöglichen es den Follikeln, zyklisch neue Haare zu produzieren. Nach jedem Wachstumsschub des Haares folgt eine Ruhephase (Telogen), in der die Stammzellen des Follikels inaktiv bleiben, bis der nächste Zyklus beginnt. Bei der androgenen Alopezie, einer häufigen Form des Haarausfalls bei Männern und Frauen, ist der Haarzyklus gestört. Bei diesen Patienten befindet sich die überwiegende Mehrheit der Follikel im dormanten Stadium Telogen.

«Wir haben herausgefunden, dass seneszente Melanozyten grosse Mengen von Osteopontin produzieren, das dormante und verkümmerte Haarfollikel dazu veranlasst, ihre Stammzellen zu aktivieren. Das führt zu robustem Wachstum von langen und dicken Haaren», sagt Studienleiter Maksim Plikus, Professor für Entwicklungs- und Zellbiologie an der UCI in einer Pressemeldung.

Für regenerative Prozessen wie der Wundheilung werden seneszente Zellen meist grösstenteils als behindernd abgestempelt, erklärt der Experte. «Man nimmt etwa an, dass seneszente Zellen den Alterungsprozess vorantreiben, da sie sich über die Lebensdauer im gesamten Körpergewebe ansammeln. Unsere Forschung zeigt aber eindeutig, dass die zelluläre Seneszenz auch eine positive Seite hat.»

Gesteigerter Haarwuchs in Mausmodell und menschlichen Nävi

Für die Studie untersuchten die Forscher Mäuse mit pigmentierten Hautflecken mit hyperaktivierten Haarstammzellen und ein beschleunigtes Haarwachstum – ähnlich wie bei behaarten Nävi. Analysierten sie, welche Botenstoffe in den seneszenten Pigmentzellen produziert werden, stiessen sie auf grosse Mengen von Osteopontin. Das Rezeptormolekül für Osteopontin, CD44, war dabei auf den nahe gelegenen Haarstammzellen ebenfalls in erhöhter Menge vorhanden. Auch in menschlichen behaarten Nävi fanden sich in der Studie hohe Mengen an Osteopontin in der Nähe der Haarfollikel.

In weiteren Mausmodellen konnten sie zeigen, dass die Interaktion von Osteopontin und CD44 zu einem kräftigen Haarwachstum führt.

Das Autorenteam hofft nun, auch noch weitere Moleküle zu identifizieren, die in behaarten Nävi das Haarwachstum fördern können, um möglicherweise neue Therapien gegen Haarausfall zu entwickeln.