Medical Tribune
19. Mai 2023Was sie von der Psoriasis vulgaris unterscheidet

Die generalisierte pustulöse Psoriasis erkennen

Hohes Fieber und Pusteln auf der Haut eines Patienten mit Plaque­-Psoriasis – dieser Befund sollte die Alarmglocken schrillen lassen. Die generalisierte pustulöse Psoriasis ist nicht nur sehr belastend, sondern durch mögliche systemische Komplikationen auch lebensbedrohend.

Nahaufnahme vom Fuss eines Patienten mit generalisierter pustulöser Psoriasis. Die gelblichen Pusteln entwickeln mit der Zeit bräunliche Krusten.

Typisch für die generalisierte pustulöse Psoriasis (GPP) sind wiederholte Schübe, die mit einem ausgedehnten Erythem der Haut und der Bildung steriler Pus­teln einhergehen. Die kutanen Exazerbationen werden oft von sys­temischen Symptomen wie hohem Fieber und Erschöpfung begleitet. Das Labor zeigt häufig eine Leukozytose, wie in einer aktuellen Übersichtsarbeit zu lesen ist (1).

Verlauf der Psoriasis pustulosa generalisata variiert

Der klinische Verlauf ist sehr unterschiedlich, er reicht von gelegentlichen leichten Episoden bis zu einer über Jahre fortbestehenden schubförmigen Aktivität. Auch beim selben Patienten kann der Schweregrad von Schub zu Schub stark variieren.

Ein spezifischer Auslöser der inflammatorischen Episoden ist bisher nicht bekannt, als begünstigend gelten unter anderem die Schwangerschaft und das Absetzen einer Steroid-Therapie. Auch bakteriell bedingte Erkrankungen und virale Atemwegsinfektionen einschliesslich SARS-CoV-2 kommen als Trigger in Betracht. Insgesamt ist die Krankheit aber selten (siehe Kasten).

Nicht schön, aber selten

Die Prävalenz der generalisierten pustulösen Psoriasis variiert je nach Land und Studie zwischen 1,8 und 124 Fällen pro Million Menschen. Auch unter Psoriasis-Patienten ist die pustulöse Form mit einer Prävalenz von maximal 2,4 Prozent eher selten.

Die Rezidivrate liegt je nach Untersuchung zwischen 32 und 61 Prozent. Wie schnell die Schübe aufeinanderfolgen, ist individuell verschieden. Generell muss bei der GPP daher beachtet werden, dass aufgrund geringer Patientenzahlen und der selektiven Auswahl die Heterogenität zwischen den Studien meist gross ist.

Die meisten Patienten leiden bereits unter Plaque-Psoriasis

Ein Grossteil der Patienten leidet bereits vor dem Auftreten der pustulösen Form an einer Plaque-Psoriasis. Es gibt aber auch Menschen mit singulärer generalisierter pustulöser Psoriasis. Letztere gilt mittlerweile als eigenständiges Krankheitsbild mit besonderen genetischen und immunologischen Veränderungen.

Die generalisierte pustulöse Psoriasisist gekennzeichnet durch eine krankhafte Aktivierung des angeborenen Immunsystems. Sie wird als autoinflammatorische Erkrankung eingestuft, im Gegensatz zur Plaque-Psoriasis, bei der angeborene und adaptive Immunreaktionen zusammenspielen und die daher zu den Autoimmunerkrankungen gehört. Bei der generalisierten pustulösen Psoriasis kann das adaptive Immunsystem zwar auch beteiligt sein, aber nur sekundär.

Interleukin-36-Signalweg läuft aus dem Ruder

Auch wenn nicht final geklärt ist, ob die generalisierte pustulöse Psoriasis pathogenetisch als Schwerstform der Psoriasis oder als individuelle Erkrankung zu werten ist, unterscheidet sich das Zytokin­profil der beiden Formen. Bei der generalisierten pustulösen Psoriasis spielen nicht Interleukin-17 und -23, sondern der dysfunktionale IL-36-Signalweg eine wichtige Rolle.

Die unkontrollierte Expression von IL-36 führt zu einer Aktivierung von klonalen T-Zellen und zur Rekrutierung von neutrophilen Granulozyten in der Epidermis mit nachfolgender Pustelbildung. Menschen mit Funktionsverlust des IL-36-Rezeptorantagonisten entwickeln zudem häufiger eine schwere Form, d.h. jüngeres Alter zum Zeitpunkt der Manifestation, stärkere systemische Inflammation und das Fehlen einer vorausgehenden Plaque-Psoriasis.

Vor allem Patienten mit schwerer generalisierter pustulöser Psoriasis sind auf eine Systemtherapie angewiesen. Diese basiert aber hauptsächlich auf den Erkenntnissen zur Plaque-Psoriasis. Man setzt auf immunmodulatorische Wirkstoffe: orale Retinoide, Ciclosporin und Methotrexat. Die Evidenz zur GPP ist für diese jedoch begrenzt. Einen Ausweg könnten Biologika bieten, sie waren in Europa bisher aber nicht speziell für diese Indikation zuge­lassen (Update siehe Kasten).

Raus aus dem Off-label-Bereich

Inzwischen hat die EMA dem Antikörper Spesolimab eine bedingte Zulassung bei Erwachsenen mit GPP erteilt (1). Die Entscheidung basiert auf den guten Ansprechraten bei Patienten im akuten Schub in der zulassungsrelevanten Phase-II-Studie (2). Daten zur Schubprävention will der Hersteller nachliefern. In der Schweiz ist Spesolimab bislang nicht zugelassen.

  1. Pressemitteilung Boehringer Ingelheim
  2. Bachelez et al. Trial Investigators. Trial of Spesolimab for Generalized Pustular Psoriasis. N Engl J Med. 2021 Dec 23;385(26):2431-2440. doi: 10.1056/NEJMoa2111563

Neben bereits bestehenden psoriatrischen Erkrankungen (Plaque-Psoriasis 46%, Psoriasis-Arthritis 30%) gelten mit einem Anteil von median 17 Prozent Arthralgie und Arthritis als die häufigsten Begleitbefunde einer generalisierten pustulösenPsoriasis. Für die Landkartenzunge (Lingua geographica) ergab sich in deutschen Studien eine Prävalenz von 22 Prozent – im asiatischen Raum scheint der Anteil höher zu sein. Auch Nierenerkrankungen, kardiovaskuläre Komplikationen und COPD treten wohl in Verbindung mit einer GPP vermehrt auf.

Zudem besteht eine Assoziation mit Adipositas, Depression und Angststörung. GPP und Plaque-Psoriasis überschneiden sich zwar hinsichtlich vieler Komorbiditäten, direkte Organschäden durch Neutrophilenangriffe scheinen aber GPP-spezifisch zu sein.

Sterblichkeit ging in letzten Jahren deutlich zurück

Hospitalisierte Patienten sind vermehrt durch eine mit der Erkrankung assoziierten Sepsis (bzw. einen septischen Schock) gefährdet, der häufigsten Ursache für die erhöhte Sterblichkeit bei der generalisierten pustulösen Psoriasis. An zweiter Stelle folgen kardiovaskuläre Komplikationen. Insgesamt ist die Sterblichkeit in den letzten Jahren aber deutlich zurückgegangen auf nur noch 0,2 Todesfälle pro 100 Patientenjahre, betonen die Autoren.