Medical Tribune
23. Apr. 2023Ekzem bei Kindern

Atopische Dermatitis: Die grosse Angst vor Steroiden

Insbesondere bei der Therapie von Kindern mit atopischer Dermatitis wird der langfristige Einsatz von Steroiden oft skeptisch gesehen. Gibt es eine bessere Alternative?

Topische Steroide sind bei Kindern besser als ihr Ruf.
FotoDuets/gettyimages

Insgesamt stehen bei der atopischen Dermatitis Emollienzien kombiniert mit einer antiinflam­matorischen Komponente therapeutisch an erster Stelle. Gegen die Entzündung kommen in der Regel topische Steroide zum Einsatz, erklärt Professor Dr. Anna
Belloni Fortina von der Universität Padua (1).

Jeder dritte pädiatrische Dermatologe verschreibt noch orale Steroide

Orale Steroide werden in den Praxis-Leitlinien mittlerweile nicht mehr empfohlen. Allerdings verschreibt sie laut Umfragen noch jeder dritte pädiatrische Dermatologe als First-Line-Therapie bei schwerer atopischer Dermatitis. Ihr Gebrauch sollte sich aber definitiv auf kurze Zeitspannen und schwere Verläufe bei Kleinkindern beschränken, hob die Referentin hervor.

Topische Kortikosteroide als First-Line-Medikamente in der Akut- und Erhaltungstherapie behalten dagegen ihre Berechtigung, so Prof. Belloni Fortina. Die europäische Taskforce empfiehlt sie für die milde und mittelschwere atopische Dermatitis, die neue EuroGuiDerm führt topische Kortikosteroide zusätzlich als Option für ein proaktives Vorgehen bei moderatem Verlauf auf. Weil es sie schon sehr lange gibt, ist nicht nur die Datenlage für alle Patientengruppen extrem gut, sie sind auch kostengünstig, bei gleichzeitig schnellem Wirkeintritt.

Das grosse Problem ist hingegen die Angst vor Steroiden, konstatiert die Expertin. Kommen Angst und Unsicherheiten beim Patienten zusammen, sinkt die Adhärenz. Argumente pro topische Kortikosteroide finden sich aber in aktuellen Studien. Sie belegen, dass sich die Therapie positiv auf die systemische Immundysregulation bei Kindern auswirken kann.

Resorption von Steroiden in manchen Regionen um das 42-Fache erhöht

Was man den Eltern oder Betroffenen klar machen muss, ist, dass Steroid nicht gleich Steroid bedeutet. Je nach Bedarf kann man von hochpotenten (im akuten Schub) auf niedrigpotente (in der Erhaltungstherapie) Wirkstoffe wechseln. Bei Kindern muss man aber das deutlich höhere Verhältnis von Körperoberfläche zu Körpergewicht berücksichtigen. Und auch lokale Besonderheiten sind nicht zu vernachlässigen: An Wange oder in der Genitalregion liegt die Resorption beispielsweise um das 13- bzw. 42-Fache höher im Vergleich zum Unterarm.

Einen guten Anhaltspunkt bietet die Fingertip-Unit (1 FTU ≅ 0,5 g). Für ein Kind zwischen drei und sechs Monaten heisst das: 1 FTU für Gesicht und Nacken, 1 FTU pro Arm, 1,5 FTU pro Bein, 1 FTU für die Rumpfvorderseite und 1,5 FTU für die Rückseite. Eine weitere Publikation nennt 15 g für Kleinkinder, 30 g für Kinder und 60–90 g für Jugendliche oder Erwachsene als monatliche Menge. Aber vor allem in der Langzeittherapie werden Alternativen gebraucht.

Calcineurininhibitoren sind eine probate Alternative zu topischen Kortikosteroiden

Als Alternative zu topischen Kortikoiden kann man auf topische Calcineurininhibitoren zurückgreifen, erläutert Professor Dr. Thomas Lugner von der Universitätsklinik Münster (2). Und die Entwicklung weiterer Topika steht nicht still. Es gibt PDE4-Inhibitoren (Crisaborol), JAK-Inhibitoren (Ruxolitinib, Deglocitinib), AhR-Agonisten (Tapinarof) oder Mikrobiota. Allerdings ist keine der neuen Entwicklungen in Europa für Kleinkinder verfügbar. Crisaborol wurde zwar inzwischen in den USA für Kinder zugelassen, es eignet sich sehr wahrscheinlich aber nur für milde Formen der atopischen Dermatitis. Ähnlich wie bei den topischen Calcineurininhibitoren kommt es unter Umständen zu einem leichten Brennen.

Pimecrolimus (1%) und Tacrolimus (0,03%) sind in der Schweiz für Patienten mit atopischer Dermatitis ab zwei Jahren zugelassen. Bei jüngeren Kindern wird Tacrolimus trotzdem off label eingesetzt, erläuterte der Referent. Eine offene Studie aus dem Jahr 2012 zeigte zudem eine ähnliche Therapietoleranz wie bei älteren Kindern, die systemische Exposition lag bei über 98 Prozent unter 1 ng/ml.

Die Leitlinien favorisieren topische Calcineurininhibitoren beim Langzeitgebrauch gegenüber den topischen Steroiden vor allem an empfindlichen Stellen. Die Wirkung steht den TCS in nichts nach, allerdings umgeht man die negativen Langzeit­effekte der Steroide. Topische Calcineurininhibitoren zeigten in Studien keinen negativen Effekt auf das sich entwickelnde Immunsystem und es gab keine Anzeichen auf Lymphome oder Hauttumoren.