Medical Tribune
17. Mai 2023Erstversorgung und weitere Behandlung

So gelingt die Versorgung von kleinen Brandwunden

Bis zu welcher Ausdehnung gilt eine Brandwunde als «klein»? Wann ist die Überweisung des Patienten an einen Spezialisten angezeigt? Welche Wundauflagen sind zu empfehlen? Diese und weitere Fragen beantwortet ein Team von Experten in einer aktuellen Publikation.

Ein weiblicher Fuss mit schweren Verbrennungen
intek1/GettyImages

Bei Verbrennungen zweiten Grades ist nicht nur die Epidermis, sondern auch die ­Dermis betroffen.

Bei Patienten mit thermischen Verletzungen ist zunächst das Risiko einzuschätzen. Diejenigen mit lebensbedrohlichen oder die Gliedmas­sen gefährdenden Verbrennungen bzw. Verbrühungen müssen notfallmässig stationär behandelt werden (1). Bei Kindern mit mutmasslichem Brand­unfall ist dabei immer auf Warnsignale für Vernachlässigung und Missbrauch zu achten.

Verbrannte Hände, Füsse, Gesicht, Perineum und Genitalien kritisch

Die Ausdehnung lässt sich mithilfe einer Faustregel einschätzen, wonach eine Hand einschliesslich Fingern etwa einem Prozent der Körperoberfläche entspricht. Rein erythematös veränderte Areale ohne Blasenbildung werden bei der Berechnung allerdings nicht berücksichtigt. Als klein gelten Brandwunden, wenn sie bei Kindern mehr als zwei Prozent der Körperoberfläche umfassen und bei Erwachsenen mehr als drei Prozent.

Erstgradige Verbrennungen beschränken sich dabei auf die Epidermis, bei zweitgradigen Läsionen ist auch die Dermis beteiligt, und bei drittgradigen auch die Subkutis (siehe Tabelle). Aber auch die Lokalisation der Wunden ist relevant. Als kritisch gelten dabei Hände, Füsse, Gesicht, Perineum und Genitalien. Vor allem im Gesicht drohen starke Schwellungen, an den Händen Kontrakturen. Sind die Genitalien betroffen, ist ausserdem mit Miktionsstörungen, bei Läsionen an den Füssen mit längerer Bettruhe zu rechnen.

Klassifikation der Brandwunde

Grad TiefeFarbeBlasenSchmerzkapillärer Rückfluss
Grad 1epidermalrosaneinja ja
Grad 2superfiziell dermalrosajajaja

mittlere
Dermis
rosa oder rotjaggf. reduziertevtl. vermindert

tiefe
Dermis  
rot oder blasseventuellverringert oder fehlendfehlend
Grad 3alle Hautschichtenweiss oder schwarz neinnein fehlend

20-minütige Kühlung als Erstmassnahme

Die Erstmassnahme bei Verbrennungen ist nach wie vor die Kühlung mit Leitungswasser über einen Zeitraum von mindestens 20 Minuten. Sie ist auch bis zu drei Stunden nach dem Unfall noch effektiv. Kühlen lindert dabei den Schmerz, reduziert die Entzündung und vermindert die Progression. Von Eiswasser raten die Autoren jedoch ausdrücklich ab. Aufgrund der Vasokonstriktion kann es den Wundzustand sogar verschlechtern. Wegen der Schwellneigung an den Händen sollten Fingerringe frühzeitig entfernt werden.

Erstgradige Verbrennungen verheilen in der Regel ohne spezifische Therapie. Am besten vereinbart man mit dem Patienten eine erneute Vorstellung, falls sich Blasen bilden oder starke Schmerzen auftreten. Bei tiefe­ren Läsionen ist vor der Reinigung jedenfalls auf eine ausreichende Analgesie zu achten. Am besten säubert man die Wunde danach mit warmem Wasser und verdünntem Chlor­hexidin (0,1% oder 0,2%). Bereits rupturierte Blasen sollten dabei entfernt werden. So lässt sich die Ausdehnung der Wunde besser erfassen, die Infektionsgefahr wird verringert und die Wirkung der Lokaltherapie verstärkt.

Verbände dienen nicht nur dem Schutz, sie schaffen auch eine optimale Umgebung für das Abheilen der Wunde. Für den direkten Kontakt werden dabei primär nichtadhärente Auflagen empfohlen, eine resorptive Schicht darüber nimmt das Exsudat auf. Hydrokolloide, Hydrogele und Alginate fördern ausserdem das autolytische Débridement. Silbersulfadiazin sollte nach Auffassung der Autoren nur bei Superinfektionen angewendet werden, da es resorbiert wird, die Einschätzung der Wundtiefe erschwert und die Abheilung verzögern kann.

Antibiotika-Prophylaxe nicht in allen Fällen nötig

Bei Patienten mit kontaminierten Wunden muss der Tetanusschutz kontrolliert und gegebenenfalls komplettiert werden. Eine routinemässige Antibiotika-Prophylaxe wird bei kleinen Verbrennungen grundsätzlich nicht empfohlen. Sie kann aber für Kinder unter fünf Jahren sinnvoll sein, um ein toxisches Schocksyndrom (siehe Kasten) zu verhindern.

Toxisches Schocksyndrom

Eine potenziell tödliche Komplikation ist das toxische Schocksyndrom. Dabei bewirken Exotoxine kolonisierender Bakterien (v.a. Staph. aureus) eine überschiessende Immunantwort. Am häufigsten betroffen sind Kinder unter vier Jahren, die noch keine Antikörper gegen diese Toxine entwickelt haben.

Die Erkrankung manifestiert sich üblicherweise mit einer plötzlichen klinischen Verschlechterung einen bis zwei Tage nach der Verbrennung. Zu den typischen Symptomen zählen Fieber ≥ 39 °C, Ausschlag, Lethargie, Reizbarkeit, Durchfall und Erbrechen. Die Wunde ist eventuell völlig unauffällig. Deshalb sollten alle Kinder mit Unwohlsein und Fieber nach Verbrennung einem Spezia­listen vorgestellt werden.

Initiale Therapiekontrolle innerhalb von zwei bis drei Tagen

Infektionen sind eine der Haupt­ursachen für Morbidität und Mortalität nach Verbrennungen. Einen entsprechenden Verdacht wecken bei kleinen Wunden vermehrte Schmerzen, Zellulitis, Überwärmung und Verhärtung. Aber auch eine verstärk­te und oft übel riechende Exsudation spricht für einen Befall mit Bakterien. Patienten mit leichten lokalisierten Infektionen können meist mit oralen Anti­biotika behandelt werden. Schwerere Fälle erfordern jedoch eine intravenöse Applikation und ein chirurgisches Débridement.

Zur Kontrolle des Therapieerfolgs empfehlen die Autoren, den Patienten innerhalb von zwei bis drei Tagen erneut einzubestellen. Sämtliche Verbrennungsläsionen verblassen im Verlauf, was leicht mit einer Progression oder einer Infektion verwechselt wird. Superfizielle Läsionen sollten innerhalb von zwei Wochen verheilen, bei tieferen kann es aber auch länger als drei Wochen dauern.

Fälle für den Spezialisten

  • Verbrennungen von > 2 % der Körperoberfläche bei Kindern und > 3 % bei Erwachsenen
  • drittgradige Brandverletzungen
  • infizierte Läsionen
  • Beteiligung der gesamten Zirkumferenz (z.B. am Finger)
  • Beteiligung von Gesicht, Händen, Genitalien und Perineum
  • Verdacht auf Missbrauch oder Vernachlässigung als Ursache
  • Verbrennungen, die innerhalb von zwei Wochen nicht ver­heilen