Medical Tribune
12. Mai 2021Infarkt in der Haut

Livedovaskulopathie: Nur rasche Therapie kann Narben verhindern

Die Hautgeschwüre entwickeln sich meist am Fussrücken, am Unterschenkel oder in der Malleolarregion.

Netzförmige rötlich-livide Hautzeichnung, Beinulzera und Atrophie blanche – diese Trias kennzeichnet eine Livedovaskulopathie. Doch Vorsicht: Mitunter treten diese Veränderungen auch einzeln auf. Diagnostisch wegweisend ist die Angina cutis.

Bei der Livedovaskulopathie (LV) kommt es zu einer Thrombosierung in der Mikrozirkulation ohne Zeichen einer Entzündung. Infolge der kutanen Ischämie entwickeln sich chronisch-rezidivierende schmerzhafte Hautgeschwüre. Diese manifestieren sich ausschliesslich an der unteren Extremität.

Frauen erkranken etwa dreimal häufiger als Männer. Vermehrt betroffen sind Personen mit einer arteriellen Hypertonie sowie Übergewichtige mit einem BMI ab 25 kg/m2. Eine Assoziation mit Malignomen besteht nicht, betonen die Verfasser der neuen S1-Leitlinie der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft. Allerdings können im Rahmen von Neoplasien und Autoimmunerkrankungen sekundäre LV-ähnliche Läsionen auftreten.

Klinisch fällt bei der Vaskulopathie eine Trias aus Livedo racemosa, Ulzerationen und Atrophie blanche auf, wobei diese Veränderungen einzeln oder kombiniert vorliegen können. Die Erkrankung tritt ganzjährig auf, nicht nur in den Sommermonaten, wie oftmals vermutet. Wegweisend ist die Angina cutis, ein streng auf die betroffene Region begrenzter stechender oder brennender Schmerz. Die Hautgeschwüre entwickeln sich meist in der Malleolarregion, am Fussrücken oder am Unterschenkel.

Keine primär entzündlichen Veränderungen in der Histo

Eine histologische Sicherung der Diagnose ist nur im ischämischen Frühstadium möglich. Sie gelingt am besten mit einer Spindelbiopsie aus dem Randbereich des befallenen Areals. Zu den typischen Befunden zählen intraluminale Thromben (obere und mittlere Dermis), subintimale hyaline Ablagerungen und eine endotheliale Proliferation. Im Gegensatz zur Vaskulitis finden sich keine primär entzündlichen Veränderungen.

Differenzialdiagnostisch müssen vor allem venöse Ulzera und die periphere arterielle Verschlusskrankheit abgegrenzt werden (PAVK, s. Kasten). Auch kutane Polyarteriitis nodosa und Pyoderma gangraenosum geben mitunter Anlass zu Verwechslungen, ebenso die kryoglobulinassoziierte Vaskulitis und okkludierende Gefässleiden.

Nur eine frühzeitige medikamentöse Therapie kann die Progression des chronisch rezidivierenden Hautinfarkts mit narbiger Umwandlung verhindern. Die meisten Patienten sprechen rasch auf niedermolekulare Heparine (NMH) an. Der Erfolg dieser Behandlung zeigt sich bereits nach zwei bis vier Tagen. Initial empfehlen die Leitlinienautoren eine volltherapeutische NMH-Dosis, beispielsweise mit 1 mg/kgKG Enoxaparin zweimal täglich subkutan. Als Erhaltungstherapie bei stabilem Befund genügt die halbe Menge, also einmal täglich 1 mg/kgKG.

Rivaroxaban als Alternative am besten untersucht

Eine drohende Verschlimmerung der Ulzera kündigt sich meist mit vermehrten Schmerzen an. Deshalb sollte die NMH-Dosis eventuell schon bei deutlich zunehmenden Beschwerden gesteigert werden. Ein vom Patienten geführtes Schmerztagebuch erleichtert die Einschätzung der Situation. Zu beachten ist, dass die Behandlung mit NMH ebenso wie alle anderen medikamentösen Optionen bei der Livedovaskulopathie off label erfolgt.

Als mögliche Alternative zu den niedermolekularen Heparinen bieten sich nicht-Vitamin-K-abhängigen orale Antikoagulanzien an. Ihre Vorteile: Sie müssen nicht gespritzt werden und erfordern im Gegensatz zu den Vitamin-K-Antagonisten keine Gerinnungskontrollen, was sich positiv auf die Adhärenz der Betroffenen auswirkt. Die meisten Erfahrungen zur Indikation Livedovaskulopathie gibt es für Rivaroxaban.

Eine Umstellung von NMH auf diesen Faktor-Xa-Inhibitor ist bis zu einer Dosis von zweimal täglich 15 mg möglich. Für die Erhaltungstherapie genügt die einmal tägliche Einnahme von 20 mg Rivaroxaban. Wenn der Befund darunter stabil bleibt, darf die Tagesdosis auf 10 mg gesenkt werden. Eventuell ist auch ein Auslassversuch möglich. Patienten mit therapieresistenter Livedovaskulopathie sollen mit intravenösen Immunglobulinen behandelt werden. Diese Therapie führt bereits nach wenigen Zyklen zu einer signifikanten Schmerzreduktion und Verbesserung der Lebensqualität. Empfohlen wird eine Dosis von 2 g/kgKG, wobei eine Aufteilung auf zwei bis fünf Tage die Verträglichkeit steigern kann.

Glukokortikoide sind in der Regel nicht wirksam

Eine weitere Option im Fall eines unzureichenden Ansprechens ist die Behandlung mit Iloprost – allein oder ergänzend zu anderen Medikamenten. Laut Einzelfallberichten kann auch eine Therapie mit hyperbarem Sauerstoff zu einer raschen Schmerzreduktion und zur klinischen Besserung führen, allerdings hält der Erfolg oft nicht lange an.

Glukokortikoide haben sich bei der Livedovaskulopathie nicht als wirksam erwiesen. Eine Ausnahme bilden laut Fallberichten Patienten mit begleitender Autoimmunerkrankung, etwa einem systemischen Lupus erythematodes oder Sjögren-Syndrom. Sie können von einer steroidalen Behandlung dieser Komorbidität profitieren. Die Schmerztherapie sollte nach dem WHO-Schema erfolgen, raten die Verfasser der Leitlinie. In diesem Zusammenhang haben auch nicht-steroidale Antirheumatika ihren Platz, auch wenn sie die LV nicht kausal beeinflussen können.

Die Wundversorgung orientiert sich ebenfalls an den entsprechenden Guidelines. Refraktäre Ulzerationen sprechen eventuell auf eine Aktivierung der Fibrinolyse mit Alteplase an. Geeignet ist eine Dosis von 10 mg/d – einem Zehntel der bei Lungenembolie und Herzinfarkt eingesetzten Menge.

Wichtige Differenzialdiagnosen

  • PAVK: Sie ähnelt der LV wegen der gleichzeitigen Manifestation mit livedo-racemosa-artigen Erythemen, schmerzhaften Ulzera und Atrophie blanche. Gegen eine LV sprechen das höhere Alter, oft vorhandene internistische Begleiterkrankungen und pathologische Gefässbefunde.
  • Venenulkus: Meist langsamere Entwicklung, sonografisch nachweisbare Refluxe, Hautzeichen (z.B. Dermatoliposklerose, Purpura jaune d’ocre), sichtbare Varizen und Corona phlebectatica paraplantaris)
  • kutane Polyarteriitis nodosa: Gemeinsam ist die Livedo racemosa, aber bei der Polyarteriitis lassen sich vor dem Auftreten der Ulzera meist subkutane Knoten tasten. Ausserdem befällt die Erkrankung im Gegensatz zur LV mittelgrosse Gefässe bzw. Arteriolen an der Grenze von Subkutis und Dermis.
  • Pyoderma gangraenosum: Ulzera mit unterminiertem lividem Randsaum, Lokalisation v.a. an den Streckseiten der Unterschenkel mit schnellem Wachstum. Sie können am gesamten Körper auftreten.

S1-Leitlinie «Diagnostik und Therapie der Livedovaskulopathie», AWMF-Register-Nr. 013-098, www.awmf.org