Medical Tribune
10. Nov. 2017Haarausfall nach der Menopause

Haarausfall: Für Frauen auch ein psychisches Problem

«Haarausfall ist besonders für Frauen enorm belastend, da sie es als Anzeichen dafür nehmen, dass etwas Ernsthaftes mit ihnen nicht in Ordnung sei», so die Erfahrung von Dr. Melissa Piliang, Dermatologin an der Cleveland Clinic, Ohio, USA. Die meisten Frauen wissen nicht, dass generell das Risiko für Haarausfall nach der Menopause sehr hoch ist: Bis zu 50 % sind davon betroffen. Frauen beschreiben den Haarverlust als Katastrophe und haben Angst vor einer Glatze. Bis zu 55 % der Frauen mit ausgeprägtem Haarverlust erleiden Depressionen.

Stellt sich eine Patientin mit Haarverlust vor, sollten unbedingt Fragen nach Gewichtsveränderung, der reproduktiven Gesundheit, Arzneimitteleinnahmen und Stress gestellt werden. Wesentlich ist es auch, die Haarpflegegewohnheiten wie Föhnen oder Färben zu erfassen. Zudem sollte die Kopfhaut inspiziert werden, um Erytheme, Schuppungen, Papeln und Pusteln oder auch kahle Stellen und Narben zu bemerken. Auch ein Blick auf die Nägel gehört nach Ausführung von Dr. Piliang dazu, da es Nagelveränderungen gibt, die mit bestimmten Diagnosen wie Hypothyreoidismus oder Alopecia areata Hand in Hand gehen.

Basislabor ist eine Conditio sine qua non

Kopfhautbiopsien sollten in den Regionen durchgeführt werden, in denen besonders typische Veränderungen auftreten. Befinden sich Pusteln oder Schuppen auf der Kopfhaut oder schmerzen diese, können zudem Kulturen auf Bakterien und Pilze sinnvoll sein. Zur Basisdiagnostik gehören auch Laborwerte wie ein grosses Blutbild, Ferritin, Zink- und Vitamin-D-Konzentration und Hormone (z. B. der TSH-Wert). In bestimmten Fällen kann es auch sinnvoll sein, einen Androgenüberschuss zu messen.

Diffuses Effluvium sorgt für exzessiven Haarverlust

Die androgenetische Alopezie ist die häufigste Form des Haarausfalls. Sie betrifft bis zu 70 % aller Männer und 40 % aller Frauen. Sie kann durch miniaturisierte Haare und Kaliberschwankungen erkannt werden. Eine weitere häufige nicht vernarbende Alopezie ist das diffuse Effluvium, das mehr oder weniger die gesamte Kopfpartie betrifft. Es ist durch einen exzessiven täglichen Haarverlust von 200 bis 500 Haaren gekennzeichnet, wogegen ein normaler Haarverlust zwischen 50 und 100 Haaren pro Tag liegt.

Das diffuse Effluvium kann verschiedene Auslöser haben, die dem normalen Haarwachstum entgegenwirken, ohne jedoch den Haarfollikel zu zerstören, z. B. Systemerkrankungen oder hormonelle Veränderungen. Zum Haarausfall kommt es drei bis sechs Monate nach Einwirken der Noxe. Eine exakte Anamnese kann helfen, dem Haarausfall auf den Grund zu gehen. Als Ursachen kommen Stress, Ernährungsdefizite, operative Eingriffe, Geburten, fieberhafte Erkrankungen, extremer Gewichtsverlust sowie eine Reihe von Medikamenten infrage. Häufig sind viele Trigger für den Haarausfall verantwortlich.

Das Sammeln der Haare kann hilfreich sein, um das Ausmass des Haarverlusts abzuschätzen – was von Patienten oft falsch beurteilt wird. In der Trichoskopie zeigen sich beim reinen diffusen Haarausfall keine Zeichen einer Vernarbung und keine leeren Follikel oder Vellushaare; diese Erstuntersuchung ermöglicht zudem Einschätzungen von Aktivität, Muster, Miniaturisierung und Zustand der Kopfhaut.

Besonders bei Frauen ist eine Abgrenzung des diffusen Telogeneffluviums von der androgenetischen Alopezie häufig nicht möglich. Bei der androgenetischen Alopezie wird die typische Miniaturisierung des Follikels durch genetische Faktoren, das Alter und Testosteron getriggert. Die Follikel schrumpfen zusehend, die Haarwachstumsphasen werden kürzer und zudem steigt der Prozentsatz der Haare in der Telogenphase. «Bei einer androgenetischen Alopezie der Frau sollte man auch an das polyzystische Ovarialsyndrom denken, das bis zu 10 % der Frauen betrifft», riet Dr. Piliang. Ein plötzlicher Beginn einer androgenetischen Alopezie ist ungewöhnlich und weist auf eine zugrunde liegende Systemerkrankungen hin.

Bei der Behandlung von diffusem Haarverlust ist therapeutischer Nihilismus nicht angesagt. Mögliche zugrunde liegende Faktoren wie Medikamenteneinnahmen müssen identifiziert und abgestellt werden. Eine topische Therapie mit Minoxidil-Lösung hat sich auch in klinischen Studien bewährt. Deren Effizienz kann durch die zusätzliche Therapie mit oralen Präparaten aus medizinischer Trockenhefe, Cystin und B-Vitaminen gesteigert werden. Diese Behandlung hat sich auch in Fällen mit unklarem Auslöser bewährt. Diese Therapie führt zu einer gesteigerten Anagenrate, was als Anzeichen einer Normalisierung der Störung im Haarzyklus interpretiert wird. Die möglichen Wirkmechanismen sind eine optimierte Nährstoffversorgung, eine Stimulierung der Haarmatrixzellen und antioxidative Effekte.

Jahreskongress der American Academy of Dermatology (AAD), 2017, Orlando