Medical Tribune
1. Dez. 2017

Von aussen nach innen

Unbestritten ist die Entstehung der Arteriosklerose ein multifaktorielles Geschehen. Ausgangspunkt ist wohl eine endotheliale Dysfunktion, in deren Folge es zu pathologischen Veränderungen im Bereich der Intima und letztlich zur Plaquebildung kommt.
Getriggert wird dieser Prozess u. a. durch Scherkräfte bei hohem Blutdruck, durch inflam­matorische Prozesse und Störungen des Lipidstoff- und Glukosestoffwechsels. Gefässmuskelzellen in der Tunica media sind genauso beteiligt wie zahlreiche Mediatoren in der Tunica adventitia, erklärte PD Dr. Thomas Bobbert vom Evangelischen Krankenhaus Hubertus in Berlin.
Die Feinstaubbelastung als kardiovaskulären Risikofaktor behandelt man bisher immer noch stiefmütterlich, bedauerte Professor Dr. Axel Haverich von der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefässchirurgie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Laut WHO lassen sich jährlich 3,7 Millionen Todesfälle auf Smog durch Verkehr, Industrie, Energiege-winnung und Abfallverbrennung zurückführen. Als Hauptkiller gelten aber nicht Lungenkrankheiten wie die COPD, sondern kardiovaskuläre Erkrankungen und Schlaganfälle.

Nanopartikel tummeln sich in den Plaques

Im Zusammenhang mit der Feinstaubbelastung wurden erhöhte Cortisol- und Noradrenalinspiegel gefunden. Zudem konnte man in arteriosklerotischen Plaques eingeatmete Nanopartikel nachweisen, berichtete der Kollege.
Ein weiterer möglicherweise unterschätzter kardiovaskulärer Risikofaktor sind nach Einschätzung von Prof. Haverich Infektionen. So gibt es z. B. enge epidemiologische Zusammenhänge zwischen der saisonalen Influenza und einer erhöhten kardio­vaskulären Mortalität. Inzwischen konnte für Infektionen durch 38 verschiedene Keime eine Assoziation mit einer erhöhten KHK-Rate gezeigt werden.
Und noch etwas treibt den Chirurgen um. Immer wieder konnte er bei seinen Patienten beobachten, dass bestimmte Gefässabschnitte bis ins hohe Alter von arteriosklerotischen Veränderungen verschont bleiben. Dazu gehören u.a. die in der Bypasschirurgie verwendete A. mammaria und intramural gelegene Gefässabschnitte der Koronarien.
Beiden gemeinsam sind die muskuläre Ummantelung und die fehlenden Vasa vasorum. Dies unterstützt aus seiner Sicht die Hypothese, dass arteriosklerotische Veränderungen eher von aussen an ein Gefäss herangetragen werden. Ausgangspunkt könnte eine gestörte Mikrozirkulation im Bereich der Vasa vasorum sein, die dann zu Ischämie und Infarkten der Gefässwände führt und Ausgangspunkt für arteriosklerotische Plaques ist.

Bestätigte Theorie würde Präventionschance eröffnen

Da sich die Gefässwände mit zunehmendem Alter und bei Faktoren wie hohem Blutdruck verdicken, wäre auch hier das erhöhte Risiko erklärbar. Sollte sich diese Theorie bestätigen, könnte sie zu neuen Präventionsansätzen führen, meinte Prof. Haverich.

46. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Angiologie und der Gesellschaft für Gefässmedizin 2017