Medical Tribune
16. Okt. 2024Neue Erkenntnisse zum Alterungsprozess

Warum wir mit 44 und 60 plötzlich schneller altern

Der menschliche Alterungsprozess verläuft nicht kontinuierlich, sondern in Schüben. Das ist die bahnbrechende Entdeckung einer aktuellen Studie, die zeigt, dass in zwei bestimmten Lebensabschnitten – ungefähr im Alter von 44 und 60 Jahren – signifikante biologische Veränderungen auftreten.

Mit 44 und 60 Jahren altern wir plötzlich schneller.
Alessandro Grandini/stock.adobe.com

Die Studie, die in Nature Aging veröffentlicht wurde, analysierte mittels sogenannter Multi-Omics-Technologien die molekularen Veränderungen, die den Alterungsprozess beeinflussen (1).

Forscher der Stanford University (USA) und der Nanyang Technological University (Singapur) konnten zeigen, dass der Körper nicht gleichmässig altert, sondern besonders in den zwei Altersabschnitten rund um das Alter von 44 und 60 Jahren starke biomolekulare Veränderungen durchläuft. Diese Veränderungen können laut den Studienautoren das Risiko für altersbedingte Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Immunstörungen erhöhen.

Alterung: Kein linearer Prozess

Bereits frühere Studien haben Hinweise darauf geliefert, dass Alterung nicht nur durch das chronologische Alter bestimmt wird, sondern durch komplexe Prozesse auf Zellebene, wie den Proteinstoffwechsel oder die Genexpression.

Doch das genaue Timing dieser Veränderungen war bisher unklar. Die neue Studie geht nun einen Schritt weiter, indem sie nicht nur einzelne Moleküle, sondern mehrere biologische Schichten – sogenannte «Omics»-Ebenen – gleichzeitig untersucht. Dazu gehören RNA, Proteine, Lipide sowie das Mikrobiom aus Haut, Darm und Nase.

Zwei kritische Phasen: 44 und 60 Jahre

Das Forscherteam führte die Multi-Omik-Analyse an einer longitudinalen Kohorte von 108 gesunden Erwachsenen aus Kalifornien im Alter von 25 bis 75 Jahren durch (median 55,7 Jahre, 51,9 % Frauen). Den Teilnehmern wurden über einen Zeitraum von bis zu 6,8 Jahren regelmässig Proben entnommen.

Die Ergebnisse zeigten, dass während des Alterungsprozesses rund 81 Prozent der analysierten Moleküle abrupten und nicht linearen Veränderungen unterlagen.

Besonders markant waren zwei Lebensabschnitte: mit etwa 44 Jahren und nochmals mit etwa 60 Jahren treten deutliche biomolekulare Veränderungen auf, die fast alle biologischen Systeme gleichzeitig betreffen. In den Vierzigern sind dies vor allem der Alkohol- und Koffeinstoffwechsel sowie die Lipid- und Herz-Kreislauf-Funktion. In den Sechzigern betrafen die Veränderungen primär den Kohlenhydratstoffwechsel, die Immunregulation, die Nierenfunktion und die Muskelgesundheit.

Geschlechtsspezifische Unterschiede?

Eine der überraschenden Erkenntnisse der Studie war, dass diese biomolekularen Veränderungen sowohl bei Männern als auch bei Frauen auftreten. Dies deutet darauf hin, dass sie nicht ausschliesslich durch geschlechtsspezifische Prozesse wie die Menopause bei Frauen bedingt sind. Stattdessen gibt es wahrscheinlich weitere Faktoren, die diese molekularen Veränderungen beeinflussen, was den Bedarf an zukünftiger Forschung unterstreicht.

Auswirkungen auf die Gesundheitsvorsorge

Die Ergebnisse dieser Studie verändern unser Verständnis vom Altern grundlegend. Sie legen nahe, dass das biologische Alter nicht immer mit dem chronologischen Alter übereinstimmt und dass spezifische biologische Marker helfen könnten, das Risiko altersbedingter Krankheiten frühzeitig zu erkennen.

Die Forscher hoffen, dass ihre Erkenntnisse neue Ansätze für die Prävention und Behandlung solcher Erkrankungen bieten könnten.

Limitationen der Studie

Trotz ihrer wichtigen Erkenntnisse hat die Studie einige Einschränkungen. Die relativ kleine Kohorte und die Tatsache, dass die Teilnehmer aus einem begrenzten geografischen Gebiet stammen, schränken die Generalisierbarkeit der Ergebnisse ein.

Zudem wurden Faktoren wie der Lebensstil oder Veränderungen des Body-Mass-Index (BMI) im Laufe der Studie nicht erfasst. Zukünftige Studien sollten daher eine grössere und vielfältigere Kohorte einbeziehen, um die Ergebnisse zu validieren und zu erweitern.