Medical Tribune
17. Juli 2024Auch Eltern tut weniger Bildschirmzeit gut

Zwei Wochen Medienpause machen Kinder emotional stabiler

Bislang war die Behauptung, dass Medienkonsum der psychischen Gesundheit von Kindern schadet, von relativ wenig Evidenz untermauert. Eine neue randomisierte Studie legt nun aber nahe, dass schon eine kurze Medienpause emotionale Probleme bei Kindern und Jugendlichen verringern und soziale Interaktionen fördern kann.

Geben alle ihre Handys ab, bleibt mehr Zeit zum spielen.
tiagozr/stock.adobe.com, generiert mit KI
Geben alle ihre Handys ab, bleibt mehr Zeit zum spielen.

Die Studie in JAMA Network Open untersuchte 89 Familien mit 181 Kindern und Jugendlichen (1). Der Hälfte der teilnehmenden Familien nahmen die Forscher Eltern und Kindern zwei Wochen lang das Handy und das Tablet ab.

Eine Fragebogen-basierte Auswertung zeigte, dass die Medienpause Probleme im Zusammenhang mit internalisierendem Verhalten (z.B. Angststörungen und depressive Störungen) sowie soziale Probleme bei Kindern und Jugendlichen leicht verbesserte.

Woher kommen die zunehmenden psychischen Probleme?

Psychische Probleme bei Kindern und Jugendlichen haben in den letzten Jahren in vielen Ländern einen deutlichen Anstieg erlebt. Einer Studie aus dem Jahr 2018 zufolge leidet rund ein Viertel der europäischen Jugendlichen zwischen 11 und 15 Jahren unter psychischen Beschwerden (z.B. Nervosität, Reizbarkeit,Schlafprobleme, 2).

Exzessiver Medienkonsum wird immer wieder für die zunehmenden psychischen Probleme von Kindern und Jugendlichen verantwortlich gemacht, schreibt Dr. Henning Tiemeier, Harvard T.H. Chan School of Public Health in Boston, in einem Kommentar zur Studie (3).

Dafür gebe jedoch noch überraschend wenig Evidenz. Die neue Studie leiste einen wichtigen Beitrag zur Diskussion, da sie die Kausalität von Bildschirmzeit und psychischen Problemen prüft.

Kinder und Eltern gaben Handys ab

Bei der Untersuchung handelt es sich um eine Sekundäranalyse der randomisierten klinischen SCREENS-Studie. Insgesamt 89 Familien mit 181 Kindern und Jugendlichen aus zehn Gemeinden im südlichen Dänemark nahmen daran teil.

Für zwei Wochen senkten 45 der Familien (86 Kinder; 49 % Mädchen, Durchschnittsalter 8,6 Jahre) ihre Bildschirmzeit in der Freizeit auf wöchentlich weniger als drei Stunden. 44 Familien dienten als Kontrollgruppe und behielten ihre Bildschirmgewohnheiten bei (95 Kinder; 60 % Mädchen, Durchschnittsalter 9,5 Jahre).

Im Zuge der Studie gaben alle Kinder und zumindest eine erwachsene Betreuungsperson ihre Handys und Tablets für zwei Wochen ab. Zusätzlich kontrollierten die Forscher die Einhaltung der Vorschriften mittels Monitoren in den Wohnungen der Teilnehmer.

Zur Messung von Verhaltensschwierigkeiten füllten die teilnehmenden Eltern für die Kinder den Strengths and Difficulties Questionnaire aus. Dabei handelt es sich um einen etablierten Fragebogen, der in Studien immer wieder zur Anwendung kommt.

Weniger emotionale Symptome, Probleme mit Gleichaltrigen

In den zwei Wochen der Medienpause sank der Gesamtscore der Verhaltensschwierigkeiten im Fragebogen gegenüber der Kontrollgruppe leicht, aber signifikant ab (mittlere Differenz -1,67 Punkte; 95%-KI: -2,68 bis -0,67).

Den grössten Unterschied im Gegensatz zur Vergleichsgruppe gab es bei den internalisierenden Störungen, definiert als emotionale Symptome und Probleme mit Gleichaltrigen (mittlere Differenz -1,03 Punkte). Aber auch beim prosozialen Verhalten (etwa die Bereitschaft, Anderen zu helfen) gab es in dieser Gruppe leichte Verbesserungen.

Medienpause verbessert auch die elterliche Laune

Für den Kommentator Dr. Tiemeier spielt in der Studie vor allem der familienorientierte Charakter eine grosse Rolle. Dazu gehört, das die Familien mit allen Kindern teilnahmen, und dass Familien ausgewählt wurden, in denen die Eltern einen relativ hohen Freizeit-Medienkonsum hatten.

Durch die Intervention, die 97 Prozent der Familien durchhielten, hatten die Familien mehr Zeit, um sich miteinander zu beschäftigen, so der Experte. In einer früheren Untersuchung gezeigt werden, dass auch die Laune der Eltern sich durch den freiwilligen Medienverzicht verbesserte.

Für ihn ist die vorliegende Studie der erste solide Hinweis darauf, dass schon kurzes «Digital Detox» oder intermittierendes «Digitales Fasten» Vorteile für die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen haben kann.