Medical Tribune
29. Mai 2024Aufruhr in der Brust und im Oberbauch

Refluxkrankheit und funktionelle Dyspepsie: Diagnostik und Therapie

Sodbrennen und Oberbauchschmerzen sind häufige Symptome, und können vielfältige Ursachen haben – sowohl harmlose als auch ernsthafte. Wichtig ist dabei sowohl bei Refluxkrankheit und funktioneller Dyspepsie, eine übermässige Diagnostik und Therapie zu vermeiden.

Bild aus Endoskopie
Science Photo Library/ Gastrolab
Bei allen Manifestationsformen der GERD gelten PPI als Therapie­standard.

Sowohl Sodbrennen als auch Oberbauchschmerzen lassen sich nicht eindeutig einem bestimmten Organ zuordnen. Daher können verschiedene Erkrankungen dahinterstecken, betont Professor Dr. Ahmed Madisch vom Centrum Gastroenterologie Bethanien Agaplesion in Frankfurt in seiner Übersichtsarbeit (1).

Den Begriff «Gastritis» vermeiden!

Als Dyspepsie werden dabei mehrere Beschwerden bezeichnet, darunter:

  • epigastrische Schmerzen,
  • Brennen,
  • Völlegefühl nach dem Essen,
  • frühe Sättigung,
  • Blähungen im Oberbauch,
  • Übelkeit und Erbrechen

Alarmierende Symptome wie Blutungen, Schluckbeschwerden und Gewichtsverlust passen hingegen nicht zur Dyspepsie und erfordern eine sofortige Abklärung (siehe Kasten).

Welche Symptome eine sofortige Abklärung erfordern

  • Beginn der Beschwerden nach dem 60. Lebensjahr
  • Dysphagie
  • Gewichtsverlust > 5 %
  • Appetitverlust
  • Zeichen einer ­gastrointestinalen Blutung
  • Anämie
  • Familienanamnese für ­Karzinome im oberen Gastro­intestinaltrakt

Bei Patienten mit dyspeptischen Beschwerden wird in etwa 20 bis 30 Prozent der Fälle eine organische Ursache gefunden. Wenn keine strukturellen oder biochemischen Veränderungen festgestellt werden, handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine funktionelle Dyspepsie (FD), auch bekannt als Reizmagen-Syndrom.

Der Begriff «Gastritis» sollte vermieden werden, fordert der Gastroenterologe, da das endoskopische und histologische

Häufigste Erkrankungen funktionelle Dyspepsie und GERD

Die beiden häufigsten Erkrankungen bei Sodbrennen und Oberbauchschmerzen sind funktionelle Dyspepsie und gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD). Für die Diagnose der GERD fehlt bisher ein eindeutiger Goldstandard, da keine Methode allein das Vorliegen oder das Fehlen der Erkrankung beweisen kann. Definitionsgemäss müssen aber Symptome und/oder strukturelle Veränderung vorliegen, die durch den Rückfluss von Mageninhalt ausgelöst werden und die Lebensqualität einschränken können.

Bei der Therapie muss zwischen Rückflussbeschwerden ohne GERD und solchen mit gesicherter GERD unterschieden werden. Denn nicht jeder Patient mit typischen Symptomen hat eine Refluxkrankheit und umgekehrt korrelieren die Symptome nicht zwangsläufig mit möglichen Läsionen in der Speiseröhre.

Bei Nichtansprechen weitere Ursachen ausschliessen

Protonenpumpenhemmer (PPI) gelten als Standardtherapie für alle Formen der GERD. Die Heilungsraten liegen je nach Ausprägung der Refluxösophagitis bei 75 bis 90 Prozent. Bis zu 70 Prozent der Patienten werden beschwerdefrei. Patienten mit schwerer GERD und peptischer Striktur benötigen die Medikamente dauerhaft, aber eine Übertherapie mit PPI sollte langfristig vermieden werden.

Bei nicht-erosiver Refluxkrankheit oder leichter GERD, die mehr als 90 Prozent der Fälle ausmachen, können auch andere Medikamente wie Alginate, Antazida und H2-Rezeptorantagonisten zur Symptomkontrolle eingesetzt werden. Zusätzlich sollten allen GERD-Patienten wirksame allgemeine Massnahmen wie Gewichtsabnahme, Erhöhung des Kopfendes des Bettes, Verzicht auf späte Mahlzeiten und verstärkte Bauchatmung empfohlen werden.

Bis zu 30 Prozent der Refluxkranken sprechen nicht auf die primäre PPI-Therapie an, ihnen kann eventuell eine Dosisanpassung helfen. Eine vertiefte Diagnostik kann möglicherweise eine andere Erkrankung als Ursache der Beschwerden aufdecken. Wenn eine Operation erforderlich ist, ist die laparoskopische Fundoplicatio die Methode der Wahl.

Funktionelle Dyspepsie: Viszerale Hypersensitivität und gestörte Motilität

Eine funktionelle Dyspepsie wird diagnostiziert, wenn bei den üblichen Untersuchungen keine organische, systemische oder metabolische Ursache für die Beschwerden gefunden wird. Es gibt zwei Formen: das Epigastric-Pain-Syndrom mit Schmerzen oder Brennen im Oberbauch und das postprandiale Stress-Syndrom mit Völlegefühl nach dem Essen und vorzeitiger Sättigung.

Die funktionelle Dyspepsie hat mehrere Ursachen, wobei viszerale Hypersensitivität und Motilität eine besondere Rolle spielen.

Die Diagnose basiert auf den Symptomen und der Anamnese. Andere organische Störungen des oberen Gastrointestinaltrakts mit ähnlichen Symptomen müssen ausgeschlossen werden. Typisch für die funktionelle Dyspepsie ist eine lange Vorgeschichte mit wechselnden, stressabhängigen Beschwerden ohne wesentliche Verschlechterung und eine diffuse, wechselnde Schmerzlokalisation. Gewichtsverlust tritt in der Regel nicht auf.

Wenn das Routinelabor unauffällig ist, empfiehlt Prof. Madisch eine apparative Ausschlussdiagnostik mit Ösophagogastroduodenoskopie (einschliesslich Test auf Helicobacter pylori), Sonografie und bei Reizdarm-Beschwerden eine endoskopische Kolon-Abklärung.

Bei gesicherter funktioneller Dyspepsie sollten wiederholte Untersuchungen vermieden werden. Eine erneute oder ergänzende Diagnostik ist nur erforderlich, wenn sich die Symptome ändern oder die Patienten nicht ausreichend auf die Therapie ansprechen.

Patientenaufklärung und Phytopharmaka haben einen Stellenwert bei der Behandlung der FD

Eine sorgfältige Aufklärung der Patienten über die Natur der funktionellen Dyspepsie und realistische Behandlungsziele ist entscheidend für den langfristigen Erfolg. Medikamente werden für stark symptomatische Phasen empfohlen, wobei die Auswahl von den vorrangigen Beschwerden abhängt. Nur selten sind sie über mehr als acht bis 12 Wochen angezeigt.

PPI haben in einer Metaanalyse eine signifikante Wirkung von 10 bis 20 Prozent gegenüber Placebo gezeigt, sind aber nicht für die Behandlung der funktionellen Dyspepsie zugelassen. Eine ähnliche Wirkung wurde für H2-Rezeptorantagonisten festgestellt, jedoch bei sehr unterschiedlichen Daten. Auch die Eradikation von Helicobacter pylori zeigte in Studien eine Überlegenheit gegenüber Placebo. Etwa zehn bis 15 Prozent der Patienten bleiben langfristig beschwerdefrei.

Phytopharmaka haben mittlerweile einen evidenzbasierten Stellenwert in der Behandlung. Sie wirken krampflösend, tonisierend und/oder beruhigend auf den Magen-Darm-Trakt. Es werden Kombinationen aus Pfefferminz- und Kümmelöl sowie verschiedene Extrakte verwendet.

Wenn diese Therapeutika versagen, können Antidepressiva eingesetzt werden. Trizyklika haben sich als wirksam erwiesen, während Serotonin-Wiederaufnahmehemmer keine Wirkung gezeigt haben. Psychopharmaka sind besonders für Patienten mit vorrangig abdominellen Schmerzen und/oder begleitenden psychischen Erkrankungen geeignet.

Rom-IV-Kriterien für funktionelle Dyspepsie

  • länger als drei Monate anhaltende persistierende bzw. rezidivierende ­Dyspepsie
  • kein endoskopischer Beleg für eine organische Ursache, die die Beschwerden erklären könnte (Refluxösophagitis, Ulkus, Tumor)
  • kein Hinweis darauf, dass die Dyspepsie ausschliesslich durch die Stuhlentleerung erleichtert wird oder eine Assoziation mit Stuhlunregelmässigkeiten besteht (Ausschluss Reizdarm)