Medical Tribune
1. Mai 2024Doxycyclin, Meningokokkenimpfung, HIV-Dreifachtherapie

Möglichkeiten der sexuellen Postexpositionsprophylaxe

Für verschiedene sexuell übertragbare Infektionen, sei es durch Treponema pallidum, Chlamydien, HIV oder Hepatitis-B-Virus, ist nach einem Risikoereignis eine Postexpositionsprophylaxe möglich. Wie diese aktuell aussieht, erklärt PD Dr. Dominique Braun, Universitätsspital Zürich.

Eine Postexpositionsprophylaxe ist bei einer möglichen Ansteckung mit Chlamydien, Treponema pallidum, und HI-Viren möglich.
NIAID/wikimedia commons
Eine Postexpositionsprophylaxe ist bei einer möglichen Ansteckung mit Chlamydien, Treponema pallidum, und HI-Viren möglich.

Die Inzidenz sexuell übertragener Infektionskrankheiten (sexually transmitted infections, STI) steigt, von Gonokokken sind vor allem Männer, von Chlamydiosen eher die Frauen betroffen, erklärt PD Dr. Braun, Oberarzt meV, Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene, Universitätsspital Zürich, im Zuge seines Vortrages am FomF WebUp Update Infektiologie.

Vor allem für Personen, die sich wiederholt infizieren, ist eine antibiotische Postexpositionsprophylaxe (PEP) zu überlegen (s. Kasten). Diese sollten nach sexuellen Risikoereignissen, ohne dass ein Kontakt mit einer Person mit diagnostisch gesicherter STI stattgefunden hat, innerhalb von 24 Stunden und nicht später als 72 Stunden Doxycyclin 200 mg einnehmen.

Für wen kommt eine Doxy-PEP infrage?

Notwendige Kriterien:

  • Männer, die Sex mit Männern haben, Transfrauen, die Sex mit Männern haben
  • Gleichzeitige Nutzung bzw. Indikation zur Nutzung der HIV-PrEP oder bekannte HIV-Infektion
  • Zusätzliche Kriterien:
    - Rezidivierende Syphilisinfektionen
    - Mehrere andere (symptomatische bakterielle STI in den letzten sechs Monaten
    - Sex mit zehn oder mehr männlichen Partnern in den letzten sechs Monaten
    - Stimulanziengebrauch beim Sex
    - Sex in Gruppen; Risikoereignisse:
    - Teilnahme an Gruppensex
    - Teilnahme an sexpositiven Partys mit multiplen Sexpartnern
    - Sex mit multiplen Partnern innerhalb eines kurzen Zeitfensters

    Stellungnahme Deutsche STI Gesellschaft zur Doxy-PeP, Version 1.0, 26.6.2023

Bei aufeinanderfolgenden Risikokontakten kann auch die Einnahme alle 48 Stunden erfolgen, diese sollte jedoch vier Dosen pro Woche nicht überschreiten. Alle randomisierten kontrollierten Studien zeigen eine signifikante Risikoreduktion für STI, insbesondere für Chlamydien und Syphilis im Bereich von 70bis 90 Prozent bei Cis-Männern und Trans-Frauen. Die einzige Studie, die bisher mit Cis-Frauen durchgeführt wurde, zeigte keine Wirksamkeit.

Neben diesen Vorteilen gibt es auch potenzielle Risiken wie

  • toxische Arzneimittelwirkungen,
  • Veränderung des gastrointestinalen Mikrobioms oder
  • Förderung antimikrobieller Resistenzen.

Bisher gibt es jedoch keine Hinweise, dass die Doxy-PEP zu vermehrten Resistenzen z.B. auf Chlamydien führt, so der Referent.

Meningokokkenvakzine wirkt möglicherweise auch gegen Gonorrhö

Da Gonokokken meistens resistent gegenüber Tetrazyklinen sind, ist von Doxycyclin keine grosse Schutzwirkung zu erwarten. Eine Impfung gegen Gonokokken gibt es bisher nicht, so PD Dr. Braun. Jedoch besteht eine Genom-Identität zwischen Gonokokken und Meningokokken.

Epidemiologische Studien zum Vierkomponenten-Impfstoff gegen Meningokokken der Serogruppe B (4CMenB) zeigen dabei eine Wirksamkeit von 32 bis 40 Prozent gegen die Gonorrhö mit einer relativen Risikoreduktion zwischen 46  und 59 Prozent (1,2).

Eine neuere Studie konnte die Schutzwirkung hingegen nicht mehr nachweisen und es zeigte sich nur noch ein nichtsignifikanter Trend für eine geringere Gonokokken-Infektionsrate bei den Geimpften (3). Der potenzielle Nutzen der 4CMenB-Vakzine wird nun in weiteren Studien untersucht.

Dieses Vorgehen ist bisher wenig bekannt, wie eine Umfrage bei der Swiss HIV Kohorte zur Doxy-PEP zeigt. Die wenigsten Betroffenen hatten davon gehört, aber über 50 Prozent würden diese bei entsprechendem Angebot annehmen.

Aktualisierte Guidelines zur HIV-PEP

Demnächst wird es eine aktualisierte Leitlinie zur HIV-PEP geben, so der Referent. Als PEP-relevante Exposition gelten generell alle perkutanen Verletzungen, sowie Expositionen auf Schleimhäuten und Hautdefekten mit Blut oder anderen potenziell infektiösen Körperflüssigkeiten (Blut und Liquor, andere Flüssigkeiten nur, falls mit Blut tingiert).

Zunächst gilt es dabei, die verletzte Stelle oder exponierte Haut unverzüglich mit Wasser und Seife zu waschen und einem handelsüblichen Desinfektionsmittel zu desinfizieren.

Empfohlen wird eine HIV-PEP bei rezeptivem/insertivem Anal- bzw. Vaginalverkehr bzw. gemeinsamer Nutzung von Injektionsbesteck mit einer HIV-positiven Indexperson mit einer Viruslast > 50 Kopien/ml oder bei unbekanntem HIV-Status einer Indexperson der Hochrisikogruppe:

  • Männer, die Sex mit Männern haben,
  • Transfrauen,
  • Personen, die Substanzen injizieren,
  • Menschen aus Ländern, in denen die HIV-Prävalenz in der Gesamtbevölkerung ≥ 1 % beträgt

Aufgrund des geringen Übertragungsrisikos ist bei Oralverkehr die PEP generell nicht empfohlen, genauso wie nach einem Nadelstich ausserhalb des Gesundheitswesens (s. Kasten).

Risiko einer HIV-Übertragung

Risiko einer HIV-Übertragung nach Art der Exposition bei HIV-positiver, ART-unbehandelter Indexperson

  • rezeptiver Analverkehr (1 in 90)
  • rezeptiver Analverkehr mit Samenerguss (1 in 65)
  • insertiver Analverkehr (1 in 666)
  • rezeptiver Vaginalverkehr (1 in 1000)
  • insertiver Vaginalverkehr (1 in 1219)
  • rezeptiver und insertiver Oralverkehr (< 1 in 10 000)
  • Bluttransfusion 1 Konzentrat (1 in 1)
  • Nadelstichverletzung mit Blut (1 in 333)
  • gemeinsame Nutzung von Injektionsbesteck (1 in 149)
  • Menschenbiss < 1 in 10 000

UK Guideline for the use of HIV Post-Exposure-Prophylaxis 2021


«Die HIV-PEP sollten Sie innerhalb von vier Stunden beginnen – je früher, desto besser. Sie haben aber ein Zeitfenster von 48 Stunden», so der Referent.

Falls das Resultat eines Viertgenerations-HIV-Tests der Indexperson innerhalb von vier Stunden nach Exposition zur Verfügung steht, kann es für die Entscheidung zu einer PEP abgewartet werden. Ist das nicht der Fall, sollte der Start einer HIV-PEP erfolgen.

Bei dokumentiert supprimierter HIV-1-Viruslast (< 50 Kopien/ml) besteht kein Übertragungsrisiko und die HIV-PEP kann bei Vorliegen des negativen PCR-Resultats abgesetzt werden.

HIV-Dreifachtherapie für die Dauer von 30 Tagen

Grundsätzlich kann jede für die HIV-empfohlene Dreifachtherapie zur Anwendung kommen, mit Ausnahme von Präparaten mit Abacavir und Nevirapin. Therapie der ersten Wahl ist Dolugetravir 1 × 150 mg plus Tenofovir/Emtricitabin 1 × 245 / 200 mg über eine Dauer von 30 Tagen.

Die Krankenkassen zahlen für diese Behandlung. Vor Beginn der PEP sind bei der exponierten Person folgende Laboruntersuchungen notwendig:

  • HIV-4.-Generationsschnelltest zum Ausschluss einer bestehenden HIV-Infektion
  • Kreatinin, ALT, Blutbild
  • Schwangerschaftstest
  • Hepatitis-B- und -C-Serologie (HBs-Antigen, -Antikörper, HBc-Antikörper, HCV-Antikörper)

Nachkontrollen sind zwei und vier Wochen nach Beginn der PEP notwendig. Zwölf Wochen nach Exposition bzw. acht Wochen nach Ende der PEP erfolgt ein finaler HIV-Test.

Hepatitis-B-PEP mit Booster-Impfung oder Immunglobulinen

Eine Hepatitis-B-PEP sollte innerhalb von 24 h verabreicht werden. Falls die Laborwerte voraussichtlich nicht innerhalb von 24 bis 72 h vorliegen, ist die PEP sofort zu geben. Keine PEP ist notwendig, wenn die exponierte Person gegen HBV immun ist (Anti-HBs > 100IE/l, nach der letzten Impfung dokumentiert) oder die Indexperson keine aktive HBV-Infektion aufweist (negatives HBs-Antigen).

Die exponierte Person erhält eine Booster-Impfung bei unvollständiger HBV-Immunisierung oder wenn der Anti-HBs-Titer nach Impfung nicht dokumentiert ist. HBV-Immunglobuline sind bei nie geimpften und bei bekannten Non-Respondern indiziert. Die Nachkontrolle des anti-Hbs-Titers erfolgt ein bis zwei Monate nach der Booster-Impfung.