Medical Tribune
29. Nov. 2023Allergische Kolitis gibt es auch ohne IgE

Für blutigen Stuhl bei Säuglingen ist meist Kuhmilch verantwortlich

Nahrungsmittelallergien, die nicht durch IgE vermittelt werden, treten insbesondere im Babyalter auf, manchmal auch bei voll gestillten Säuglingen. Grundsätzlich sind dabei die FPIAP und das FPIES voneinander abzugrenzen. Beide führen zu einer Kolitis, unterscheiden sich jedoch erheblich hinsichtlich des klinischen Verlaufs.

Blut im Stuhl bei Säuglingen zwischen der 4. und 13. Lebenswoche hat meist eine harmlose Ursache.
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Die allergische Kolitis bei Säuglingen, die durch Nahrungsmittelproteine verursacht wird, kurz FPIAP (Food protein-induced allergic proctocolitis), tritt typischerweise im Alter von vier bis zwölf Wochen auf. Die Babys sind ansonsten gesund und zeigen keine Gedeihstörungen. Allerdings geben sie mehrmals täglich blutig tingierte Stühle ab, was ihre Eltern sehr beunruhigt.

Die Pädiater Dr. Lars Lange und Dr. Stephan Buderus vom St. Marien-Hospital in Bonn betonen jedoch, dass Blut in der Windel bei einem ansonsten gesund wirkenden Säugling ohne Warnsignale in der Regel nicht besorgniserregend ist (1).

Unreifes gastrointestinales Immunsystem als Ursache

In den meisten Fällen handelt es sich um eine harmlose FPIAP, eine allergische Entzündung des Rektums oder des distalen Sigmas, die durch eine immunologische Reaktion auf Nahrungsmittelproteine, meist aus Kuhmilch, verursacht wird.

Sie kann auch bei (voll) gestillten Säuglingen auftreten, wenn die Mutter entsprechende Lebensmittel konsumiert hat. Als Ursache vermutet man eine verzögerte Ausreifung des gastro­intestinalen Immunsystems.

Normalerweise handelt es sich bei FPIAP um eine nicht durch IgE vermittelte Allergie. Symptome einer Anaphylaxie und andere Zeichen der Sofortreaktion fehlen. Eine entsprechende IgE-Allergie-Diagnostik (z.B. Pricktest) ist deshalb in der Regel nicht erforderlich. Wenn der Säugling jedoch bereits ein atopisches Ekzem zeigt und/oder ein erstgradiger Verwandter eine Atopie hat, sollte ein Test auf Kuhmilch durchgeführt werden.

In vielen Fällen sorgt der Verzicht auf Kuhmilchprotein nach ein paar Tagen wieder für Entspannung

Die erste Therapieoption besteht darin, auf Kuhmilch zu verzichten. Wenn die Hämatochezie daraufhin aufhört, gilt die FPIAP-Diagnose als gesichert. In der Regel tritt eine deutliche Besserung innerhalb von 96 Stunden ein, in Einzelfällen kann es jedoch auch zwei bis vier Wochen dauern.

Bei gestillten oder kombiniert gefütterten Babys sollte auch an andere potenzielle Allergene gedacht werden, die die Mutter konsumiert hat (z.B. Ei, Soja, Weizen, Nüsse, Fisch).

Flaschenkinder sollten auf eine spezielle hydrolysierte Formula- oder Aminosäure-Nahrung umgestellt werden. Bei ausschliesslich gestillten Säuglingen sollte die Mutter eine kuhmilchfreie Ernährung einhalten.

Nach vier Wochen ohne Symptome oder mit deutlicher Besserung wird die allergische Kolitis durch eine erneute Belastung mit Kuh- oder Muttermilch-Nahrung bestätigt. Diese Ernährungsweise sollte mindestens drei bis sechs Monate beibehalten werden. Anschliessend kann eine erneute Provokation zeigen, ob das Kind mittlerweile Kuhmilch verträgt.

Chronisches FPIES durch Provokation bestätigen

Eine weitere nicht-IgE-vermittelte Allergie ist das durch Nahrungsmittel­proteine induzierte Enterokolitis-Syndrom (food protein-induced enterocolitis ­syn­drome, FPIES). Diese schwere Erkrankung tritt in zwei Varianten auf: Das chronische FPIES kommt ausschliesslich bei jungen Säuglingen vor. Sie reagieren meist auf eine Kuhmilch- oder Soja-basierte Formula-Nahrung, seltener auf mit der Muttermilch zugeführte Allergene wie Reis, Hafer oder Soja.

Typisch sind Gedeihstörungen, wiederkehrendes Erbrechen und teils blutige Durchfälle, die bis zu einem Sepsis-ähnlichen Bild mit lebensbedrohlicher Austrocknung führen können. Im Gegensatz dazu tritt das akute FPIES überwiegend im ersten Lebensjahr auf. Betroffene Kinder reagieren auf Nahrungsmittel, die sie nur gelegentlich verzehren. Eine bis zwei Stunden nach dem Verzehr kommt es zu wiederholt schwerem Erbrechen, begleitet von Blässe, Apathie und Durchfall. Die Latenzzeit ist für jedes Kind spezifisch und nach dem Verzehr immer gleich lang.

Akutes FPIES meist durch Kuhmilch und Fisch

Wenn die klinischen Kriterien für ein akutes FPIES erfüllt sind, ist keine Provokationstestung erforderlich. Im Gegensatz dazu kann die chronische Form nur durch eine Allergenbelastung endgültig bestätigt werden, auf die jedoch aufgrund der schweren Symptome in der Regel zunächst verzichtet wird. Nach einer Karenzzeit reagieren die chronisch kranken Kinder bei der nur stationär möglichen Provokation mit den typischen Symptomen der akuten Form.

Die Auslöser eines akuten FPIES unterscheiden sich deutlich von denen einer klassischen IgE-vermittelten Allergie. Zahlenmässig dominieren hierzulande Kuhmilch und Fisch. Auch Gemüse (insbesondere Kartoffeln, Kürbis und Karotten) sowie Rind- und Geflügel­fleisch sind häufige Auslöser. Ei oder Nüsse, typisch für eine IgE-vermittelte Allergie, führen dagegen nur selten zu einem FPIES.

Ausserdem reagieren die meisten Kinder lediglich auf ein einziges Lebensmittel. Die Mehrheit entwickelt im Laufe der Zeit eine Toleranz, ähnlich wie bei IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien.

Während einer akuten Episode ist es vor allem wichtig, den Flüssigkeitsmangel auszugleichen. Antihistaminika und Adrenalin sind nicht wirksam.