Medical Tribune
20. Nov. 2023Weltweit verbreitete Zoonose fordert selten auch in Europa Todesopfer

Tollwut: Inkubationszeit, Symptome und Prophylaxe

Seit 1998 gilt die Schweiz als frei von Tollwut bei Haustieren und wild lebenden Tieren. Vor allem in anderen Teilen der Welt ist es jedoch immer noch möglich, sich mit der unweigerlich zum Tod führenden Viruserkrankung zu infizieren. Vor einem Besuch von Risikogebieten oder für Personen, die in Risikoberufen tätig sind, wird daher eine Schutzimpfung empfohlen. Im Notfall kann diese auch als Postexpositionsprophylaxe verabreicht werden.

Rotfüchse waren bis in die 1990er Jahre die Hauptüberträger der Tollwut in der Schweiz.
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In der Schweiz ist die Wahrscheinlichkeit einer Tollwut-Übertragung auf den Menschen derzeit äusserst gering. Die letzten drei gemeldeten Todesfälle durch inländisch übertragene Tollwut datieren aus dem Jahr 1977.

Allerdings gilt die Zoonose in anderen Ländern, insbesondere in Asien und in Afrika, als unterschätzte Erkrankung: Jährlich sterben weltweit mindestens 60.000 Menschen an Tollwut, wobei die Hälfte der Betroffenen Kinder sind (1). Die meisten Übertragungen im Ausland gehen heute auf Hundebisse zurück.

Terrestrische Übertragung in der Schweiz heute praktisch ausgeschlossen

Durch flächendeckende Impfkampagnen mit Ködern seit den 80er Jahren wurde der damals häufigste Übertragungsweg der Tollwut über Rotfüchse auf Menschen und Haustiere in der Schweiz unterbunden. Impfstoffhaltige Köder wurden ausgelegt, um mindestens 70 Prozent der heimischen Füchse gegen das Virus zu immunisieren. Seit 1998 gilt die Schweiz offiziell als tollwutfrei (2).

Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass das Tollwutvirus über ein Haustier in die Schweiz eingeschleppt wird. Daher verlangt die Schweiz bei der Einreise von Haustieren eine gültige Tollwutimpfung. Bei der Einreise aus einem Tollwutrisikogebiet können zusätzliche Massnahmen wie ein Bluttest oder eine Sonderbewilligung angeordnet werden. (3).

Steckbrief: Tollwut

Der Erreger der Tollwut gehört zur Familie der Rhabdoviren, Genus Lyssaviren. Insgesamt sind derzeit 17 verschiedene Tollwutvirus-Spezies bekannt. Die Spezies haben sich auf unterschiedliche Wirtstiere spezialisiert.

Die urbane Tollwut, deren Hauptreservoir Hunde sind, wurde in der Schweiz durch flächendeckende Tollwutimpfungen bei Haustieren ausgerottet. Die silvatische Tollwut, die früher in Europa vorherrschte, wurde von wildlebenden Karnivoren, hauptsächlich Füchsen, übertragen.

Fledertiere wie Fledermäuse übertragen die Fledermaustollwut. In der Schweiz werden immer wieder Tollwut-infizierte Fledermäuse gefunden, wie zum Beispiel im August 2023 im Kanton Obwalden. Es besteht jedoch kein realistisches Übertragungsrisiko der Tollwut von Fledermäusen auf den Menschen.

Wie erfolgt die Tollwut-Infektion?

In der Regel erfolgt die Übertragung auf den Menschen durch eine Biss- oder Kratzverletzung durch ein infiziertes Tier, durch den das Tollwut-Virus ins Blut gelangt. Denkbar ist auch eine Übertragung von Tollwutviren durch infektiösen Speichel infizierter Tiere bei oberflächlichen Hautverletzungen oder direktem Kontakt des Speichels mit der Schleimhaut.

Nach einem Biss durch ein infiziertes Tier vermehrt sich der Erreger kurzzeitig an der Bisswunde. Einmal in der Wunde, dringen die Viren in die peripheren Nervenbahnen ein, und steigen zentripetal ins zentrale Nervensystem auf. Dort vermehren sich die Tollwutviren massiv, und infizieren den gesamten Organismus von dort aus zentrifugal. Im Zuge dessen wird das Virus im Speichel ausgeschieden (5).

Fakten zum Infektionsweg

  • In den meisten Fällen geschieht eine Tollwut-Übertragung durch einen infizierten Hund. Bei einem Hundebiss im Urlaub sollte man also sicherheitshalber eine Postexpositionsprophylaxe vornehmen lassen.
  • Ein infiziertes Tier scheidet den Erreger ab drei bis fünf Tage vor Symptombeginn und während der gesamten Dauer der Erkrankung über den Speichel aus.
  • Über andere Körperflüssigkeiten oder Ausscheidungen (z.B. Urin,Blut, Kot) kann die Übertragung daher nicht erfolgen.
  • Ausserhalb des Körpers überlebt das Virus ausserdem nur für sehr kurze Zeit.

Wie lange dauert die Inkubation?

Beim Menschen ist die Zeit bis zum Auftreten der ersten klinischen Symptome individuell stark unterschiedlich, und reicht von wenigen Tagen bis mehreren Jahren. Im Regelfall beträgt sie zwei bis drei Monate (5).

Eine grosse Rolle bei der Inkubationszeit spielt die Bissstelle, die Art des Tollwutvirus, die Viruslast und die immunologische Kompetenz des Infizierten.

Welche Symptome treten bei einer Infektion mit Tollwut auf?

Nach einer Infektion werden drei Symptomstadien unterschieden (5).

  1. Im Prodromalstadium können unspezifische Symptome, wie Kopf- und Muskelschmerzen, Fieber und auch Appetitlosigkeit auftreten. Im Bereich der Bisswunde kann es ausserdem zu vermehrter Schmerzempfindlichkeit und unangenehmen Zuckungen der Muskulatur (Faszikulationen) durch die lokale Entzündung kommen.
  2. In der akuten neurologischen Phase, die bei etwa 80 Prozent der Infektionen auftritt (enzephalitische Form) treten vor allem zerebrale Funktionsausfälle auf, darunter Hydrophobie, Angstzustände und erhöhte Reizbarkeit. Bei den verbleibenden zwanzig Prozent der Fälle tritt die paralytische Form auf, die Muskelschwächen und Lähmungen der Atemmuskulatur verursacht.
  3. Das dritte Stadium ist das Koma, das in den meisten Fällen sieben bis zehn Tage nach den ersten Symptomen eintritt und mit dem Tod durch Atemlähmung oder Lähmung der Herzmuskulatur endet.

Sobald erste klinische Symptome auftreten, endet die Erkrankung in den meisten Fällen tödlich, es sei denn, es wird eine postexpositionelle Prophylaxe durchgeführt. Eine evidenzbasierte Therapie gibt es bisher nicht. Die klinischen Symptome können jedoch medikamentös gelindert werden.

Was tun bei Verdacht auf Tollwut?

Das Bundesamt für Gesundheit empfiehlt grundsätzlich, keine Wildtiere anzufassen (4). Ist es zu einem Biss durch ein potenziell infiziertes Tier gekommen, sollte man die Wunde sofort gründlich mit Wasser und Seifenlösung reinigen, um den Erreger auszuspülen.

Kann der Verdacht auf eine Tollwutinfektion nicht ausgeschlossen werden, kann eine Tollwutimpfung nach der potenziellen Exposition verabreicht werden. Diese postexpositionelle Prophylaxe ist allerdings nur dann sinnvoll, wenn noch keine Symptome aufgetreten sind – auch wenn der verdächtige Biss bereits einige Zeit zurückliegt.

Wird nach einer potenziellen Exposition die Schutzimpfung innerhalb von 24 Stunden nach dem Biss nachgeholt, liegt die Erfolgsrate bei Patienten mit intaktem Immunsystem bei fast 100 Prozent. Es sollte auch an eine Tetanusprophylaxe gedacht werden.

Wer sollte eine (präexpositionelle) Impfung erhalten?

Eine präexpositionelle Tollwutimpfung ist sinnvoll für Berufsgruppen, die einem erhöhten Risiko für den Kontakt mit tollwütigen Tieren ausgesetzt sind, wie Tierärzte, Tierpfleger, Tierhändler, Tierpräparatoren, Fledermausforscher oder Personal in Labors mit Tollwutdiagnostik (6). Reisende in Gebiete mit terrestrischer Tollwut sollten ebenfalls rechtzeitig an eine Tollwutimpfung denken.

Die Tollwut ist eine meldepflichtige Erkrankung. Jeder Verdacht auf eine Infektion mit Tollwut beim Menschen und auch jede bestätigte Infektion muss innerhalb von 24 Stunden dem Bundesamt für Gesundheit und dem Kantonsarztamt gemeldet werden. Die Schweizerische Tollwutzentrale ist für die virologische Diagnostik zuständig.