Medical Tribune
17. Aug. 2023Wirksames Potpourri

Chronische Prostatitis strukturiert behandeln mit UPOINTS

Die chronische Prostatitis äussert sich in Form von Schmerzen oder Missempfindungen im Beckenbereich. Sie stellt mit ihrer multifaktoriellen Ätiologie hohe Anforderungen an Diagnostik und Therapie – nur selten ist sie bakterieller Genese. Die UPOINTS-Klassifikation bietet eine Systematik für ein individuelles Behandlungskonzept.

Bei chronischer Prostatitis lohnt sich ein strukturiertes diagnostisches Vorgehen.
Nuttawan Jayawan/gettyimages

In rund acht Prozent der Beratungsanlässe im ambulanten Setting diagnostizieren Urologen eine Prostatitis. Aber auch Hausärzte sehen diese Erkrankung häufig. Vor allem die chronische Prostatitis (CP) bzw. das chronische Beckenschmerzsyndrom (chronic pelvic pain syndrome, CPPS) sei «ein häufig unterschätztes Beschwerdebild mit erheblichem Einfluss auf die ­Lebensqualität», schreibt ein Urologen-Team aus Hamburg (1).

Die chronische Prostatitis und das chronische Beckenschmerzsyndrom sind oft mit Miktionsbeschwerden, psychosozialen Störungen oder sexueller Dysfunktion assoziiert.

Jeder zweite Patient erhält Antibiotika

Eine antibiotische Therapie wird zwar in der Praxis bei fast der Hälfte der Patienten angewendet, sie ist aber nur selten zielführend und entspricht den Autoren der Übersichtsarbeit zufolge nicht der evidenzbasierten und leitliniengerechten Behandlung. Vielmehr sind eine strukturierte Basisdiagnostik und eine partizipative Therapieplanung der Schlüssel zum Erfolg.

Die Autoren empfehlen patient-reported outcome measures (PROM) zur objektiven Symptom­erfassung und zur Evaluation des Therapieerfolges.

Vier Kategorien bei chronischer Prostatitis/chronischem Beckenschmerzsyndrom

Als chronische Prostatitis bzw. chronisches Beckenschmerzsyndrom wird ein chronischer Schmerz oder eine Missempfindung im Beckenbereich für mindestens drei Monate im letzten Halbjahr bezeichnet. Man unterscheidet vier diagnostische Kategorien, zwischen denen Transi­tionen möglich sind:

  • Typ 1: akute bakterielle Prostatitis
  • Typ 2: chronische bakterielle Prostatitis
  • Typ 3: chronische Prostatitis/chronisches Beckenschmerzsyndrom (3A: inflammatorisch, 3B: nichtinflammatorisch)
  • Typ 4: asymptomatische Prosta­titis

Betroffene berichten über perineale Schmerzen mit Ausstrahlung in Hoden, Penis oder Richtung Harnblase, Rücken oder Rektum. Verspannungen im Abdomen- und Beckenbereich können Teil der Symptomatik sein, ebenso wie Schmerzen während Miktion (43%) und Ejakulation (45%). Typisch sind auch post­ejakulatorische Beschwerden und sexuelle Dysfunktion. Die chronische Prostatitis / das chronische Beckenschmerzsyndrom kann zudem mit Angstzuständen und Depression assoziiert sein, so die Autoren.

Differenzialdiagnose Fibromyalgie und CFS

Differenzialdiagnostisch kommen Fibromyalgie, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen oder chronische Erschöpfungssyn­drome genauso infrage wie Soma­tisierungsstörungen. Für PROM existiert mit dem NIH Chronic Prostatitis Symptom Index (NIH-CPSI) ein validierter, spezifischer Fragebogen zur Statuserhebung und zur Evaluation des Therapieerfolges insbesondere bezüglich Schmerzen.

Ebenfalls diagnostisch zum Einsatz kommen Symptomfragebogen zu Miktionsbeschwerden, zu sexueller Dysfunktion und psychosozialen Faktoren. Apparative Untersuchungen werden schlussendlich zur Abklärung konkreter Fragen eingesetzt.

Die Viergläserprobe ist Goldstandard für die mikrobiologische Abklärung, die Zweigläserprobe dient als adäquate Screening-Alternative. Von einer alleinigen mikrobio­logischen Ejakulatuntersuchung raten die Autoren ab.

UPOINTS ist die Grundlage für die massgeschneiderte Therapie

Mithilfe der UPOINTS-Klassifikation lässt sich das individuelle Beschwerdebild abbilden und gleichzeitig die Grundlage für eine massgeschneiderte Therapie schaffen. Das Akronym setzt sich zusammen aus den Symptomdomänen des CP/CPPS:

  • Urinary (Miktionsbeschwerden)
  • Psychosocial (Psychopathologien)
  • Organ-specific (organspezifische Symptome)
  • Infection (Infektionen)
  • Neurologic (neurologische Beschwerden)
  • Tenderness (muskuläre Verspannung)
  • Sexual dysfunction (sexuelle Dysfunktion)

Aus der Erfassung dieser Domänen ergeben sich die Therapieziele in einem multi­modalen, personalisierten Behandlungskonzept. Klinische Studien belegen ein gutes Ansprechen (Verbesserung im NIH-CPSI um ≥ 6 Punkte) bei mehr als 80 Prozent der Patienten nach knapp einem Jahr.

Monotherapien mit validierter Wirksamkeit sind dagegen rar. Nur der Off-Label-Einsatz von intraprostatischem Botulinum-Neurotoxin A zeigte im Vergleich zu Placebo gute Ergebnisse. Der multimodale Ansatz ist aus Sicht der Review-Autoren jedoch zu bevorzugen. Aufgrund der langen Behandlungszeiten empfehlen die Autoren, die Therapieziele nicht zu hoch zu stecken und die Massnahmen bei Bedarf ­flexibel anzupassen.