Medical Tribune
17. Juni 2023Wie das Blutdruckmonitoring in der Praxis und zu Hause gelingt

Hypertonie: An der Dreifachmessung führt kein Weg vorbei

Die Hypertonie ist der wichtigste Risikofaktor für Morbidität und vorzeitigen Tod. Um den Bluthochdruck korrekt zu erfassen, muss man in der Praxis eine Dreifachmessung durchführen. Der Patient sollte aber auch zu Hause regelmässig die Manschette anlegen.

Die Dreifachmessung in Kombination mit einer Blutdruckmessung zuhause ist unerlässlich.
javi_indy/gettyimages

Das Ermitteln des Blutdrucks gehört wohl zu den klinisch wichtigsten Untersuchungen. Trotzdem ist es wahrscheinlich die Messung, die in der Praxis am schlampigsten durchgeführt wird, sagt Professor Dr. ­Florian ­Limbourg, Medizinische Hochschule Hannover (1).

Doch nur bei valider Messung könne man sicherstellen, dass sich der Patient wirklich im Zielkorridor von 120–135 mmHg beim systolischen und 70–85 mmHg beim diastolischen Blutdruck befindet.

Praxismessung ist nach wie vor der Goldstandard

Eine ganze Reihe von Studien habe gezeigt, dass der daheim vom Patienten selbst ermittelte Blutdruck besser mit dem kardiovaskulären Risiko korreliert als der Praxisblutdruck, erklärt Prof. Limbourg­. Einer Studie aus England zufolge gelingt zudem die langfristige Blutdruckkontrolle besser, wenn sich die Therapie am Heimmonitoring orientiert statt an den in der Praxis gemessenen Werten.

Soll der Hausarzt dann überhaupt noch den Blutdruck messen? Aber natürlich, meint der Experte. Denn die Praxismessung gilt immer noch als der Goldstandard – und die meisten wissenschaftlichen Untersuchungen basieren darauf. In diesen Studien wurden die Messungen allerdings standardisiert unter definierten Bedingungen durchgeführt. Diese Vorgaben sollten auch in der Praxis eingehalten werden.

Immer zuerst ohne Pause dreimal messen

Gemessen wird nach drei bis fünf Minuten Ruhe mit einem validierten elektronischen Oberarmmessgerät, und zwar dreimal im Abstand von jeweils einer Minute. Im Praxis­alltag ist dies nicht immer korrekt umzusetzen. In der Best-Rest-Studie wurde untersucht, ob man die Ruhephase vor der Messung abkürzen oder ganz auf eine Pause verzichten kann, wenn man eine Dreifachmessung durchführt.

Es zeigte sich, dass sich die Mess­ergebnisse im Fall eines normalen Blutdrucks nicht unterschieden. Und zwar egal ob zuvor fünf Minuten, zwei Minuten oder nicht gewartet wurde. Bei systolischen Blutdruckwerten ≥ 140 mmHg gab es jedoch Diskrepanzen. Daraus leitet sich die Empfehlung ab, grundsätzlich erst einmal ohne Pause dreimal zu messen. Nur wenn der durchschnittliche systolische Blutdruck ≥ 140 mmHg liegt, sollte die Dreifachmessung direkt anschliessend noch einmal wiederholt werden.

Blutdruckmessen individuell an Praxisabläufe anpassen

Wie wichtig die Mehrfachmessung ist, macht der Referent anhand der Ergebnisse einer Studie deutlich. Diese verglich die Einfach- mit einer Dreifachmessung. Der systolische Blutdruck in der einfachen Messung unterschied sich bei 55 Prozent der Patienten vom Ergebnis der Dreifachmessung um mehr als 5 mmHg, bei 25 Prozent der Patienten um mehr als 10 mmHg.

Bei 34 Prozent der Patienten zeigte die Einmalmessung Anzeichen für den wohlbekannten Weisskitteleffekt, in der Mehrfachmessung normalisierte sich der Blutdruck hingegen. Am dreimaligen Messen führt demnach kein Weg vorbei, schloss Prof. Limbourg­. Am besten funktioniere es mit einem Messautomaten, aber jeder Arzt müsse individuell überlegen, wie er die Untersuchung in seinen Praxisalltag integriert.

«Viel häufiger Hause messen lassen»

Der Experte empfiehlt ausserdem, viel häufiger zu Hause messen zu lassen als bisher. Wenn der Patient seinen Blutdruck selbst ermittelt, entdeckt man Sonderformen wie die Weisskittelhypertonie und die maskierte Hypertonie schneller. Und dann kann auch die Therapie rascher beginnen oder lässt sich schneller anpassen.

Das Heimmonitoring sollte über sieben aufeinander folgende Tage jeweils morgens nach dem Aufstehen und abends vor dem Zubett­gehen erfolgen. Nach diesem Zeitraum ist eine optimale Genauigkeit erreicht. Das Ergebnis wird bei längerem Messen nicht besser. Legen die Patienten dagegen nur zwei oder drei Tage lang die Manschette an, ist der Messfehler zu gross.

Künftig wird der Schwerpunkt Prof. Limbourg­ zufolge auf Blutdruck-Apps liegen, die automatisch Mittelwerte berechnen und die Daten an den Arzt übermitteln.