Medical Tribune
20. Aug. 2023Die passende Therapie finden

A2BCDE-Management beim Asthma

Die Asthma-Therapie hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren grundlegend gewandelt – sie ist komplexer und individueller geworden. Um die Versorgung in der hausärztlichen Praxis zu erleichtern, haben Experten die ausführlichen Empfehlungen der aktuellen Leitlinien auf eine einfache Formel gebracht.

Inhaltsverzeichnis
A2BCDE steht für eine umfassende Zusammenfassung der aktuellen Asthma-Empfehlungen.
sarra22/gettyimages

Klinisch präsentiert sich Asthma in sehr unterschiedlicher Weise. Das sollte beim individuellen Management berücksichtigt werden. Deutsche Pneumologen haben den aktuellen Wissensstand für Ärzte aller Fachrichtungen zusammengefasst (1). Das Wichtigste lässt anhand des Schemas A2BCD abarbeiten.

A

A steht für Assessment, die hochgestellte Zwei signalisiert die zwei Dimensionen dieses Schritts. Denn das Assessment umfasst zum einen die Diagnose und die Bestimmung des jeweiligen Phäno­typs, zum anderen die Einschätzung der aktuellen Asthmakontrolle.

Anamnes­tisch sollten typische Symptome wie Giemen, Engegefühl in der Brust, Atemnot oder langanhaltender Husten erfasst werden. Relevant ist ausserdem, ob auslösende Situationen bekannt sind und inwieweit die Symptome mit der Tages- oder Jahreszeit variieren. Weitere Informationen liefern die Familien- und Berufsanamnese.

Neben einer körperlichen Untersuchung sollte man in jedem Fall testen, ob eine reversible oder variable Ob­struktion vorliegt. Dazu empfehlen die Autoren eine Spirometrie inklusive der Gabe eines kurzwirksamen Beta-Agonisten (SABA). Als reversibel gilt eine Ob­struktion, wenn die SABA-Gabe zu einer Erhöhung der forcierten Einsekundenkapazität (FEV1) um mindestens 12 Prozent führt.

Gelingt es auf diese Weise nicht, die Diagnose zu bestätigen, kann bei entsprechendem Verdacht eine Selbstmessung des exspiratorischen Peak Flows (2x/d über zwei Wochen) weiterhelfen. Oftmals lässt sich so eine auffällige Variabilität von mehr als zehn Prozent aufdecken. Alternativ kann ein bronchialer Provokationstest Klarheit bringen, er sollte allerdings dem Spezialisten vorbehalten bleiben.

Weitere Informationen bringen Bio­marker wie die Eosinophilenzahl im Blut, der Anteil des fraktionierten ex­halierten Stickstoffmonoxids (FeNO), allergiespezifisches IgE im Serum sowie Prick-Tests. Auch der Zeitpunkt, zu dem das Asthma erstmals auftrat, sollte dokumentiert werden. Alles zusammen erleichtert die Festlegung auf einen Phänotyp (z.B. allergisch, eosinophil, intrinsisch, mit Beginn im Kindes- oder Erwachsenenalter).

Im zweiten Teil des dualen Assessments geht es darum, einzuschätzen, wie gut das Asthma kontrolliert ist. Als hilfreich haben sich validierte Fragebögen wie der Asthma Control Questionnaire erwiesen. Prognostisch sind v.a. folgende Punkte relevant: erlittene Exazerbationen, früherer Gebrauch von SABA oder oralen Kortikosteroiden, Beeinträchtigung der Lungenfunktion, FeNo und Eosinophilenzahl im Blut. Das Risiko für zukünftige Entgleisungen entscheidet mit darüber, wie die Therapie gestaltet wird.

B

B wie Basics fasst grundlegende Massnahmen zur Patientenschulung zusammen. An oberster Stelle steht der richtige Umgang mit dem Inhalator. Dieser sollte immer wieder kontrolliert werden, v.a. bei Veränderung der Medikation. Dem Patienten muss klar sein, dass er an einer chronischen Erkrankung leidet und die regelmässige Anwendung der verordneten Präparate essenziell für die Symptomkontrolle ist.

Zudem raten die Autoren, Asthma-Patienten zu körperlichen Aktivitäten zu motivieren und ihnen einen Rauchverzicht nahezulegen. Gemieden werden sollten Allergene, Betablocker und – sofern sie zu Asthma-Symptomen führen – nichtsteroidale Antirheumatika.

C

C steht für Komorbiditäten. Verschiedene Begleiterkrankungen können den Verlauf des Asthmas bzw. die Wahl der Therapeutika beeinflussen. Die Lis­te reicht von allergischer Rhinitis und atopischer Dermatitis über Schlafapnoe, Adipositas und gastro­ösophageale Refluxkrankheit hin zu psychischen Störungen wie Angst oder Depression.

Auch eine COPD kann gleichzeitig mit Asthma vorliegen. Die Autoren empfehlen, sich in diesem Fall an den Leitlinien zur Asthma-Therapie zu orientieren, ohne dabei spezielle Verfahren, beispielsweise zur Emphysem-Therapie oder nichtinvasiven Beatmung, aus den Augen zu verlieren.

D

D steht für die Therapie mit disease-modifying anti-asthmatic drugs (DMAAD). Dazu zählen inhalative Kortikosteroide (ICS), Leukotrienrezeptor­antagonisten, Bio­logika und die Allergenimmuntherapie. Übergeordnetes Therapieziel von DMAAD ist die Remission bei minimalen Nebenwirkungen, d.h. keine Exazerbationen, eine stabile Lungenfunktion, weitgehende Symptomfreiheit – und das alles ohne den Einsatz von systemischen ­Kortikosteroiden.

Für die Therapie von Erwachsenen bieten sich zwei Strategien an. Als erste Wahl gilt aktuell der Einsatz eines niedrig dosierten ICS zusammen mit dem langwirksamen Beta-Agonisten (LABA) Formoterol. Die Kombination eignet sich sowohl zur Bedarfs- als auch zur Erhaltungstherapie in allen Stufen.

Alternativ kann auf die Kombination Low-dose-­ICS/SABA oder bei schwereren Symptomen auf ein reguläres ICS bzw. Low-dose-ICS/LABA zurückgegriffen werden. Bei unzureichender Symptom­kontrolle darf in beiden Fällen die ICS-Dosis erhöht und die Therapie um einen langwirksamen Muskarinantagonisten (LAMA) zur Tripletherapie (ICS/LABA/LAMA) erweitert ­werden.

Zu beachten für eine personalisierte Therapie ist, dass höhere ICS-Dosierungen v.a. bei erhöhten Entzündungsmarkern (Eosino­phile, FeNO) das Risiko für Asthma­attacken senken. Ein zusätzlicher Broncho­dilatator bessert hingegen in der Hauptsache die Lungenfunktion – unabhängig von Markern.

Einen Spezialisten sollte man zu Rate ziehen, wenn die Asthma­kontrolle trotz hoch dosierter Triple­therapie nicht gelingt. In solchen Fällen kommen gegebenenfalls Biologika ins Spiel. Eine Allergenimmuntherapie kann helfen, Symptome eines allergischen Asthmas zu bekämpfen. Von einer langfristigen systemischen Behandlung mit Steroiden und von Theophyllin raten die Autoren ausdrücklich ab. Auch eine SABA-Monotherapie hat in den aktuellen Leitlinien keinen Platz mehr.

A²BCD-Asthma-Formel auf einen Blick

dual assessment1. Diagnose (z.B. Anamnese, Spirometrie, Reversibilitätscheck) und Phänotypisierung (z.B. Eosinophile, FeNO, Trigger, Allergien)
2. Einschätzung von Asthmakontrolle/Exzerbationsrisiko
Bbasic measuresPatientenschulung (z.B. Inhalationstechnik, Adhärenz, Lebensstil)
CcomorbiditiesBerücksichtigung/Therapie von Begleiterkrankungen (z.B. Adipositias, allergische Rhinitis, COPD, Depression)
Ddisease-modifying drugsVerordnung von ICS, LABA, LAMA, SABA, ggf. Allergen­immuntherapie, Biologika