Medical Tribune
30. Juni 2022Gestörter Zuckerstoffwechsel als Fibrose-Treiber

Diabetes von IPF-Patienten verdient mehr Aufmerksamkeit

Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose sind überzufällig häufig auch an Diabetes erkrankt. Das legt die Frage nach pathophysiologischen Zusammenhängen nahe.

Diabetes ist bei Patienten mit IPF nicht nur häufiger, sondern belastet die Lunge auch zusätzlich
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Schätzungsweise 8,5 Prozent der Weltbevölkerung leiden an Diabetes mellitus. Bei Menschen mit idiopathsicher Lungenfibrose (IPF) ist die Prävalenz mehr als doppelt so hoch: In Registerstudien beträgt sie ca. 20 Prozent, berichtete Professor Dr. Jürgen Behr, Universitätsklinikum München. Den metabolischen Komorbiditäten der IPF haben Pneumologen bisher jedoch wenig Aufmerksamkeit geschenkt – zu Unrecht, wie der Kollege meinte. Eine aktuelle Übersicht, frei auf der Webseite des World Journal of Diabetes nachlesbar, dröselt Gemeinsamkeiten beider Krankheitsbilder und mögliche Konsequenzen im Detail auf (1).

Lunge ist anfällig für diabetische Folgeschäden

Die üppige Gefässversorgung und die grosse Menge bindegewebiger Strukturen machen die Lunge anfällig für diabetische Folgeschäden infolge mikrovaskulärer Zirkulationsstörungen und Glykosylierung von Kollagen und Elastin. Es verwundert daher nicht, dass schon länger Berichte über diabetische Lungenschäden mit Restriktion und Diffusionseinschränkung kursieren. Die diabetestypische autonome Neuropathie fügt weitere pathophysiologische Komponenten hinzu wie gestörte Surfactant-Produktion, gestörte Response auf Hypoxie und verminderte mukoziliäre Clearance.

Von der dia­betischen Neuropathie kann auch der N. phrenicus betroffen sein, sodass das Zwerchfell die Atmung nicht mehr richtig unterstützt. Die Folgen dieser multiplen Störungen machen sich aufgrund der grossen funktionellen Reserve der Lunge häufig später bemerkbar als diabetische Schäden an anderen Organen.

Was antidiabetische Medikamente in diesem Kontext bewirken, lässt sich schwer abschätzen. Dem Basismedikament beim Typ-2-Diabetes, Metformin, werden aufgrund experimenteller Befunde potenziell protektive Eigenschaften zugeschrieben. Dies gilt für einzelne GLP-1-Rezeptoragonisten und Sulfonylharnstoffe genauso. Letztere stehen in der Dia­betes-Therapie mittlerweile eher im Abseits. Einzelfallberichte gibt es über reversible pulmonale Fibrosen unter anderen Antidiabetika.

Die Komorbiditäten optimal therapieren

Darüber, ob eine gute Blutzuckerkontrolle der Fibrose entgegenwirkt, kann derzeit nur spekuliert werden. Der enge Zusammenhang zwischen Stoffwechseleinstellung und mikrovaskulären Schäden lässt das vermuten, systematisch untersucht ist es jedoch nicht. Dafür mehren sich die Hinweise auf Korrelationen zwischen fibroproliferativen Erkrankungen und metabolischen Dysbalancen. So konstatierten italienische Experten in einer Übersichtsarbeit, dass bei Fibrosen der Lunge und anderer Organe gehäuft Störungen im Zucker-, Lipid-, Protein- und Hormonmetabolismus zu finden sind (2). Sie gehen dem Krankheitsausbruch oft voraus und können ihn beschleunigen.

Diese metabolischen Veränderungen zu korrigieren, könnte eine neue Strategie der Fibrose-Behandlung sein. «Es ist daher nur folgerichtig, der Ernährung von Patienten mit Lungenfibrose künftig mehr Aufmerksamkeit zu widmen», meinte Prof. Behr. Dazu gehört, den Ernährungsstatus nicht nur bei der Diagnose sorgfältig zu erheben, sondern auch im Follow-up, zumal Antifibrotika ihn durch gastrointestinale Nebenwirkungen verschlechtern können (3).

Es empfiehlt sich, kompetente Ernährungsberater hinzuzuziehen, um Unter-, Fehl- und Überernährung sowie Muskelverlusten entgegenzuwirken. «Eine optimale Therapie der Komorbiditäten plus Ernährungsmanagement zur Vermeidung von Untergewicht und Gewichtsverlust erscheint bei Lungenfibrose-Patienten hochrelevant und sollte in der täglichen Praxis stärker Beachtung finden», resümierte Prof. Behr.

Referenzen
  1. Rajasurya V et al. Interstitial lung disease and diabetes. World J Diabetes. 2020 Aug 15;11(8):351-357. doi: 10.4239/wjd.v11.i8.351.
  2. Bargagli E et al. Metabolic Dysregulation in Idiopathic Pulmonary Fibrosis. Int J Mol Sci. 2020 Aug 7;21(16):5663. doi: 10.3390/ijms21165663.
  3. Faverio P et al. Nutrition in Patients with Idiopathic Pulmonary Fibrosis: Critical Issues Analysis and Future Research Directions. Nutrients. 2020 Apr 17;12(4):1131. doi: 10.3390/nu12041131.

18. Pneumologie-Update-Seminar