Medical Tribune
3. März 2022Erste Daten geben Hoffnung

Covid-19: Impfung halbiert Long-Covid-Risiko

Eine grosse britische Übersichtsarbeit aus acht Studien zeigt, dass das Risiko für einen postakuten Verlauf der Viruserkrankung bei vollständig geimpften Personen nur halb so gross sein dürfte wie bei unvollständig oder nicht geimpften Menschen. Aber auch für Patienten, die bereits andauernde Symptome nach einer Covid-19-Erkrankung haben, gibt sie Hoffnung.

Manche Menschen haben nach ihrer Covid-19-Erkrankung noch längere Zeit Symptome.
iStock/martin-dm

Bei einigen Menschen bestehen nach einer SARS-CoV-2-Infektion bestimmte Einschränkungen noch längere Zeit weiter (siehe Kasten). Noch ist nicht geklärt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für «Long Covid» tatsächlich ist. In den bis jetzt verfügbaren Studien reichen die Schätzungen von zehn bis 40 Prozent bei Erwachsenen (1), und von rund zwei bis 13 Prozent (2-4) bei Kindern. Die häufigsten Symptome sind Erschöpfung (Fatigue), Kurzatmigkeit, Kopfschmerzen, sowie Muskel- und Gelenksschmerzen.

Eine nun veröffentlichte Übersichtsarbeit der britischen Agentur für Gesundheitssicherheit (UK Health Security Agency) verglich, wie häufig geimpfte und ungeimpfte Personen nach einer Covid-Infektion einen solche postakuten Verlauf aufwiesen (5). 15 Studien aus aller Welt waren bis Januar 2022 verfügbar, und wurden in die Analyse eingeschlossen.

Sechs von acht Studien zeigen, dass eine Impfung das Long Covid-Risiko reduziert

Acht Studien fokussierten sich ausschliesslich auf Impfungen, die vor der Infektion gegeben worden waren. Als voll geimpft galten darin Personen, die mindestens zwei Dosen der Vakzine von Pfizer-BioNTech, AstraZeneca, oder Moderna, bzw. eine Dosis des Impfstoffes der Firma Janssen erhalten hatten.

Von den acht Studien wiesen sechs darauf hin, dass geimpfte Patienten nach einer Covid-Infektion seltener langfristige Symptome entwickelten. Und zwar sowohl auf kurze (4 Wochen nach Infektion), mittlelfristige (12-20 Wochen nach Infektion), und langfristige Sicht (6 Monate nach Infektion). Nur eine – derzeit noch als Preprint vorliegende – Studie deutete auf das Gegenteil hin

Bester Schutz bei Älteren über 60

Eine der eingeschlossenen Studien war beispielsweise eine israelische Arbeit mit 950 nicht geimpften, teilgeimpften oder voll geimpften Teilnehmern, bei denen eine SARS-CoV-2-Infektion nachgewiesen wurde (6). Im Schnitt 4-8 Monate danach wurden sie über ihre Gesundheit befragt; 35 Prozent von ihnen hatten sich zum Befragungszeitpunkt noch nicht von ihrer Covid-19-Erkrankung erholt.

Vollständig geimpfte Probanden betraf das jedoch wesentlich seltener: Sie klagten 54 Prozent seltener über Kopfweh, 64 Prozent seltener über Fatigue und 68 Prozent seltener über Muskelschmerzen als ungeimpfte oder teilgeimpfte Studienteilnehmer. Die Wirksamkeit der Impfung gegen langanhaltende Symptome war dabei bei Personen über 60 am höchsten. Am niedrigsten war der Schutz bei Menschen zwischen 19 und 35 Jahren.

Vorbestehende Symptome bessern sich nach Impfung eher

Eine kleinere Studie befasste sich mit 66 Probanden, die bereits vor ihrer Impfung mindestens acht Monate lang unter Long Covid-Symptomen litten (7). 44 der 66 liessen sich in der Folge impfen, 22 blieben ungeimpft. Vier Wochen nach einer Impfung gaben 23,2 Prozent der Probanden an, dass sich ihre Long-Covid-Symptome verbessert hätten, während das nur 15,4 Prozent der ungeimpften Teilnehmer innerhalb von vier Wochen berichteten. Ausserdem verschlechterten sich die Symptome innerhalb dieser Zeit bei Probanden mit Impfung signifikant seltener als bei jenen ohne Impfung.

Grosse Unbekannte Omikron

Eine wichtige Einschränkung für die Erkenntnisse aus dem Review gibt es, nämlich, dass alle inkludierten Erhebungen noch vor dem Auftauchen der Omikron-Variante durchgeführt wurden. Wie hoch das Risiko für Post-Covid-Erscheinungen mit den derzeit kursierenden Omikron-Varianten BA.1 und BA.2 ist, und ob dieses durch Impfungen beeinflussbar ist, ist aktuell noch unbekannt (8).

Eine Krankheit, viele Gesichter

Als Long Covid gelten Einschränkungen, die mehr als drei Monate nach der Infektion noch immer vorhanden sind, über mindestens zwei Monate anhalten, und nicht durch eine andere Ursache erklärbar sind (9). Besonders anfällig für einen protrahierten Verlauf sind Frauen, sowie Menschen zwischen 35 und 49 Jahren. Auch sozioökonomische Faktoren spielen eine Rolle (10).

Symptombild

Ein postakuter Verlauf von Covid-19 kann viele Gesichter haben, folgende Symptome kommen am häufigsten vor:

  • Fatigue/Leistungsminderung
  • Atemnot/Kurzatmigkeit/Leistungsintoleranz
  • Husten
  • Kognitive Einschränkungen (Konzentrationsschwierigkeiten, "Brain Fog")
  • Kopfschmerzen

Symptome wahrscheinlich durch Virus und Immunantwort darauf ausgelöst

An der Ursache für die beobachteten protrahierten Symptome wird aktuell intensiv geforscht. Hoch wahrscheinlich ist eine multifaktorielle Entstehung. So könnten etwa Gewebeschäden für das Symptombild verantwortlich sein, die durch das Virus selbst oder durch eine Immunreaktion infolge der Infektion entstehen können. Dazu passt, dass Schädigungen diverser Organe bei Erkrankten mit Long Covid bereits nachgewiesen wurden.

Auch ein längerfristiges Fortbestehen des Virus in den Geweben könnte bei einigen Menschen mit Long Covid mit schuld sein. Als Indizien dafür dienende Viruspartikel wurden bereits im Gehirn, dem Pankreas und der Plazenta (Wir haben berichtet) von formal Genesenen nachgewiesen. Aber auch für Autoimmun- oder thromboembolische Vorgänge nach einer Covid-19-Erkrankung gibt es gute Hinweise.

Referenzen

  1. Logue JK et al. Sequelae in Adults at 6 Months After COVID-19 Infection. JAMA Netw Open. 2021 Feb 1;4(2):e210830. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2021.0830.
  2. Miller F NV et al. Prevalence of persistent symptoms in children during the COVID-19 pandemic: evidence from a household cohort study in England and Wales. MedRxiv. 2021 doi: 10.1101/2021.05.28.21257602. published online June 2
  3. Radtke T et al. Long-term symptoms after SARS-CoV-2 infection in children and adolescents. JAMA. 2021;326:869–871
  4. Stephenson T et al. Long COVID—the physical and mental health of children and non-hospitalised young people 3 months after SARS-CoV-2 infection; a national matched cohort study (The CLoCk) Study. Research Square. 2021 doi: 10.21203/rs.3.rs-798316/v1.
  5. UK Health Security Agency. The effectiveness of vaccination against long covid: a rapid evidence briefing. Februar 2022, abgerufen am 2. März 2022.
  6. Kuodi P et al. Association between vaccination status and reported incidence of post-acute COVID-19 symptoms in Israel: a cross-sectional study of patients infected between March 2020 and November 2021. medRxiv. 2022 Jan 17. doi: 10.1101/2022.01.05.22268800
  7. Arnold DT et al. Symptoms After COVID-19 Vaccination in Patients With Persistent Symptoms After Acute Infection: A Case Series. Ann Intern Med. 2021 Sep;174(9):1334-1336. doi: 10.7326/M21-1976.
  8. Mahase E. Covid-19: Vaccinated people are less likely to get long covid, review finds. BMJ. 2022 Feb 16;376:o407. doi: 10.1136/bmj.o407.
  9. World Health Organization. A clinical case definition of post COVID-19 condition by a Delphi consensus, 6. Oktober 2021, abgerufen am 2. März 2022
  10. Office for National Statistics (UK). Prevalence of ongoing symptoms following coronavirus (COVID-19) infection in the UK. 3. März 2022, abgerufen am 4. März 2022