Medical Tribune
27. Feb. 2017Säureblocker nicht schlechter als Placebo

Protonenpumpenhemmer sind keine Smarties!

Braucht der Patient wirklich einen Magenschutz mit Protonenpumpenhemmern (PPI)? Vor dem Griff zum Rezeptblock lohnt sich vielleicht ein Blick auf die aktuelle Datenlage.

PPI haben ein sehr gutes Nutzen-Risiko-Verhältnis, in klinischen Studien waren die Säureblocker nicht schlechter verträglich als Placebo. Nicht zuletzt deshalb erfreuen sie sich grosser Beliebtheit – möglicherweise auch ausserhalb ihrer Zulassungsindikationen, mutmassen Hendrik Ueberschaer und Professor Dr. Hans-Dieter Allescher vom Zentrum für Innere Medizin am Klinikum Garmisch-Partenkirchen mit Blick auf die Verordnungszahlen. So finden sie inzwischen bei einer breiten Palette gastrointestinaler Störungen und Lifestyle-Beschwerden Anwendung. Und Dosisreduktionen oder ein komplettes Absetzen nach Akuttherapie oder stationärer Stress­ulkusprophylaxe scheinen nicht selten schlichtweg vergessen zu werden.

Doch ganz unbedenklich sind PPI nicht. Zum einen gibt es pharmakologische Interaktionen. Dies betrifft Interferenzen beim hepatischen Metabolismus, durch den sich die Wirkung z. B. von Benzodiazepinen, Phenytoin, Makroliden, Citalopram und trizyklischen Antidepressiva bei gleichzeitiger PPI-Einnahme verstärken kann. Zusätzlich vermindert der durch die Säureblocker angehobene Magen-pH-Wert Löslichkeit und Resorption mancher Substanzen (z. B. antiretrovirale Medikamente, Tyrosinkinasehemmer). Diese Gruppen sollten deshalb nicht zusammen mit PPI verordnet werden.

Bei Langzeiteinnahme droht Vitamin-B12-Mangel

Omeprazol und seine Verwandten vermindern ausserdem die Aufnahme von Nicht-Häm-Eisen und können dadurch das Ansprechen einer Fe-Substitutionsbehandlung verzögern. Eine Resorptionsverschlechterung könnte auch den schon bei jüngeren Menschen beobachteten Vitamin-B12-Mangel unter den Magenschützern begründen. Eine Kontrolle des B12-Blutspiegels vor allem bei Langzeitbehandlung erscheint daher sinnvoll.

Selten, aber ernst zu nehmen ist die durch PPI induzierte Hypomagnesi­ämie, insbesondere bei Kombina­tion mit Diuretika und platinhaltigen Chemotherapeutika. Ein erhöhtes Osteoporose-Risiko lässt sich zwar nicht nachweisen, dennoch steigt unter der Medikation die Häufigkeit von Frakturen. Selten droht eine interstitielle Nephritis.

Eine zumindest leichte Unsicherheit gibt es noch bei gleichzeitiger Clopidogrel-Verordnung. Die hepatische Aktivierung des Prodrugs Clopidogrel wird dosisabhängig von PPI vermindert, die Thrombozytenfunktionshemmung sinkt. Laut einer Metaanalyse sowie einer prospektiven Studie hatte diese pharmakologische Interaktion zwar insgesamt keinen Einfluss auf klinische Endpunkte bei der Morbidität von Patienten mit akutem Koronarsyndrom, einzelne Studien zeigen allerdings sehr wohl einen statistischen Zusammenhang. Gastroenterologen raten deshalb zu einer zeitlich versetzten Einnahme von Clopidogrel und PPI oder zum Umstieg auf neuere Plättchenhemmer. Bei Patienten mit sehr hohem kardiologischem und nur geringem gastrointestinalem Risiko empfiehlt sich der vollständige Verzicht auf die Säureblocker.

PPI bei Kolitis und Reisen besser absetzen

Eine grosse Datenanalyse lieferte Hinweise auf eine erhöhte Rate von kardiovaskulären Ereignissen unter einer PPI-Verordnung in der Indikation gastroösophageale Refluxerkrankung (GERD). Allerdings muss man die Daten kritisch interpretieren, schreiben die Autoren. Ein kausaler Zusammenhang lässt sich in dieser Auswertung nicht beweisen. Möglicherweise haben Herz-erkrankungen und GERD gemeinsame Risikofaktoren.

Assoziationen fanden sich auch zu vermehrten gastrointestinalen Infekten, vor allem mit Clostridien, Salmonellen und Campylobacter. Hier fehlen aber ebenfalls Belege für die Kausalität. Es könnte genauso gut sein, dass die PPI-Einnahme kein unabhängiger Risikofaktor ist, sondern auf besonders schwere Komorbiditäten hindeutet. Man sollte aber die Substanzen bei Fernreisen, Candida-Ösophagitis, Nachweis einer mikroskopischen Kolitis und unter einer Anti-Clostridien-Behandlung möglichst absetzen.
Und schliesslich ist auch bei fortgeschrittener Leberzirrhose oder Intensiv-Patienten aufgrund des erhöhten Risikos für eine bakterielle Peritonitis bzw. nosokomiale und ventilationsassoziierte Lungenentzündungen Zurückhaltung geboten. Das Gleiche gilt für ältere Multimorbide – sie haben ebenfalls ein erhöhtes Pneumonie-Risiko, wenn der Medikationsplan einen PPI enthält.

Ueberschaer H, Allescher H-D. Z Gastroenterol 2017; 55: 63–74.