Medical Tribune
20. Mai 2016Akute Gelenkprobleme

Dickes heisses Gelenk: Bakterien aufspüren!

Hat Ihr Patient eine chronische Wunde? Ist er sehr alt oder mangelernährt? Oder hat er kürzlich eine Sepsis überstanden? All diese Faktoren müssen bei akuten Gelenkproblemen die Alarmglocken läuten lassen.

In der Praxis helfen Ihnen einige wenige Informationen, den Gelenkschmerz zu differenzieren und zu entscheiden, ob eher ein mechanisches Problem besteht – etwa im Sinne einer aktivierten Arthrose – oder eine Entzündung im Gelenk vorliegt. Klagt der Patient über stechenden, schneidenden oder drückenden Schmerz, der sich gut lokalisieren lässt und sich durch Lagewechsel bessert, spricht das für einen mechanischen Schmerz. Schilderungen von Anlauf- und Belastungssymptomen sowie ein insgesamt guter Allgemeinzustand erhärten diesen Verdacht.

Typisch entzündlicher Gelenkschmerz!

Ganz anders präsentiert sich die entzündliche Gelenk-Affektion.

  • Ruhe- bzw. Morgenschmerz
  • keinerlei Besserung durch Lagewechsel
  • im Charakter dumpf, bohrend, pulsierend
  • lokoregionär, oft diffus
  • häufig Allgemeinsymptome.

Verschiedene Ursachen, auch nicht infektiologische (s. Kasten), kommen als Auslöser der akuten Monarthritits oder Polyarthritis infrage, erklärte Dr. Wolfgang Heinz von der Inneren Klinik I am Karl-Olga-Krankenhaus Stuttgart. Als Alarm­hinweise, die Ihren Verdacht beim akut schmerzenden Gelenk in Richtung Infekt lenken, nannte der Kollege:

  • Immunsuppression
  • lang dauernde Steroidtherapie
  • Diabetes mellitus
  • Hautläsionen oder 
chronische Ulzera
  • Malnutrition, höheres Alter
  • i. v. Drogenkonsum
  • niedriger sozioökonomischer ­Status
  • Hüft- oder Knieprothese
  • kürzliche Gelenkchirurgie
  • Steroidinjektion ins Gelenk.

Als weiteren wichtigen anamnestischen Hinweis auf eine Gelenkinfektion nannte Dr. Heinz die stattgehabte Sepsis: «Es kann sein, dass im Rahmen einer Sepsis Bakterien verschleppt werden, die sich dann in einem vorgeschädigten Gelenk niederlassen.»

Symptom-Anamnese meistüber ein bis zwei Wochen

Betroffen von einer infektiösen Arthritis sind am häufigsten Knie- (ca. 50 %) und Hüftgelenk (ca. 20 %), etwas seltener Schulter, Handgelenk und oberes Sprunggelenk (je 5–10 %). Die Beschwerdeanamnese erstreckt sich meist über ein bis zwei Wochen, klinisch präsentiert der betroffene Patient ein schmerzhaft geschwollenes, überwärmtes Gelenk. Doch weniger als 60 % der Patienten mit bakterieller Arthritis haben Fieber, betonte Dr. Heinz: Eine normale Körpertemperatur schliesst also die Infektion nicht aus.
Bei etwa jedem zehnten Patienten sind mehrere Gelenke involviert – was die Lebensgefahr erhöht. Die Letalität der infektiösen Arthritis bei einem betroffenen Gelenk beträgt 11 %, bei mehreren Gelenken bis zu 50  %. Als «bester Prädiktor» für eine schlechte Prognose gilt der verzögerte Therapiebeginn. Also rechtzeitig erkennen und bereits vor Ergebnis der mikrobiologischen Diagnostik behandeln, mahnte der Experte. Am häufigsten wird als Erreger Staph. aureus identifiziert.

Verzögerter Therapiebeginnverschlechtert die Prognose

Und inwiefern hilft das Labor bei der Diagnosestellung? Leukozyten, CRP und BSG erlauben keine gute Differenzierung zwischen infektiös und nicht infektiös, so Dr. Heinz. Procalcitonin sei hierfür der bessere Marker. Bei Verdacht auf eine Infektion werden Blutkulturen abgenommen sowie – je nach Anamnese – Wund- oder Rachenabstrich bzw. urogenitale Abstriche und Urinkultur. Zudem müssen Leber- und Nierenwerte bestimmt werden – nicht im Hinblick auf die Diagnose, sondern auf die spätere Auswahl des Antibiotikums. Eine Bildgebung liefert für die primäre Diagnostik wenig relevante Information. Dennoch hilft z. B. das MRT, wenn man die Umgebung beurteilen will – etwa bei Verdacht auf eine Osteomyelitis oder Weichteilinfektion. Der Ultraschall wird ggf. herangezogen, um eine Punktion unter Sicht vorzunehmen. Dieser sehr wichtige diagnostische Schritt erfolgt nicht in der Praxis oder der Ambulanz, sondern ausschliesslich im OP unter streng aseptischen Bedingungen.
Im Punktat gemessen werden u. a. Leukozyten, Laktat, Glukose und LDH, und es wird eine Kultur angelegt. Die Antibiotikatherapie (Auswahl der Substanzen s. Tabelle) startet direkt im Anschluss an die Punktion.