Medical Tribune
11. März 2016Morbidität von Typ-2-Diabetikern aufdecken

Strukturierte Diabetes-Therapie ist nur bei Frauen erfolgreich

Gestartet wurde die DCCP*-Studie primär, um Geschlechtsunterschiede in der Mortalität und Morbidität von Typ-2-Diabetikern aufzudecken. Für die offene Untersuchung wurden 474 dänische Hausärzte gewonnen: Sie rekrutierten innerhalb von zwei Jahren knapp 1400 frisch diagnostizierte Diabetiker und behandelten diese entweder mit einer strukturierten individalisierten Therapie oder dem üblichen Routineprogramm. 970 Patienten konnten am Ende der sechsjährigen Interventions-Phase nachuntersucht werden.

Deren weiteres Schicksal verfolgten die Autoren über einen Zeitraum von 13 Jahren anhand der nationalen dänischen Register. Diese erlauben anhand der persönlichen Identifikationsnummer des Patienten einen Zugriff auf Krankheitsdiagnosen und Todesursachen. Besonders interessierten dabei diabetesbedingte Endpunkte bzw. Todesfälle, Gesamtmortalität, Herzinfarkt, Schlaganfall, pAVK und mikrovaskuläre Erkrankungen.

Strukturiert Diabetes-Therapie hilft nur Frauen

Während des 13-jährigen Follow-ups profitierten offenbar nur die Frauen von der strukturierten Diabetes-Therapie. Sie trugen ein signifikant geringeres Risiko für diabetesbedingte Endpunkte (HR 0,65) allgemein und speziell für Schlaganfälle (HR 0,59). Auch die diabetesbezogene Sterblichkeit und die Gesamtmortalität (HR 0,70 bzw. 0,74) waren geringer, wobei sich ein signifikanter Unterschied zu Ungunsten der Männer nachweisen liess. Strukturiert behandelte männliche Diabetiker verstarben im Trend sogar früher als konventionell versorgte.

Wie lassen sich diese Unterschiede erklären? Zum einen fiel auf, dass die "angepasste" Therapie den HbA1c-Wert nur bei den Frauen, nicht aber bei Männern senkte. Der Mortalitätsunterschied zwischen den Geschlechtern blieb allerdings auch nach Adjustierung auf das glykolisierte Hämoglobin erhalten.

Ist klassisches Therapie-Konzept für Männer falsch?

Die Studienautoren sehen noch weitere Erklärungsmöglichkeiten: Diabetikerinnen integrieren die Therapie bereitwillig in ihr Leben und organisieren sich Unterstützung, indem sie anderen die Diagnose mitteilen. Männer dagegen verschweigen ihre Krankheit eher und vernachlässigen die Behandlung. Möglicherweise kam die in der Studie getestete strukturierte Intervention auch den weiblichen Therapiebedürfnissen eher entgegen, was sich langfristig in einer besseren Einstellung auszahlte.

Auch kulturelle Vorstellungen von Maskulinität könnten eine Rolle spielen, meinen die Diabetes-Forscher: Männer fürchten vor allem Einschränkungen in ihrer Freiheit, um Langzeitfolgen ihrer Krankheit machen sie sich kaum Gedanken und das erlernbare "Selbstmanagement" wird abgelehnt. Sie setzen lieber auf Eigeninitiative beim Umgang mit der Krankheit.

*Diabetes Care in General Practice

Quelle: Marlene Ø. Krag et al., Diabetologia 2016: 59: 275-285; DOI 10.1007/s00125-015-3804-4