Medical Tribune
20. Feb. 2013Hochdruck muss beim Diabetiker behandelt werden

Bei Diabetikern genügen 140/85 mmHg

Viele Diabetiker leiden gleichzeitig unter einer Hypertonie. Eine wesentliche Rolle für diese Koinzidenz scheint bei den meist übergewichtigen Zuckerkranken die Dysregulation des Renin-Angiotensin-Systems zu spielen, die mit hohen Aldosteronspiegeln einhergeht.

Zudem ist bei Adipositas das sympathische Nervensystem aktiviert. Dadurch steigt das Herzminutenvolumen und damit auch der arterielle Blutdruck, schreibt Dr. Katharina Hess von der Medizinischen Klinik I am Universitätsklinikum Aachen.

Unter 130/80 mmHg sollte man bei Diabetikern nicht gehen

Die Hypertonie ist an der Entstehung vieler Diabeteskomplikationen zumindest mitbeteiligt. So trägt sie über die Gefässschädigung nicht unwesentlich zu kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität bei. Auch bei den mikrovaskulären Komplikationen wie Retino- und Nephropathie steigert ein hoher Blutdruck das Risiko deutlich. Durch intensive antihypertensive Behandlung lassen sich Gefässereignisse verhindern und Niere und Augen wirksam schützen.

Doch wie tief sollte man den Blutdruck senken? Die vor einigen Jahren noch propagierte Devise "Je tiefer, desto besser" gilt heute nicht mehr. Stattdessen strebt man nun ein Ziel von 130–140/80–85 mmHg an. Niedrigere systolische Werte bringen kaum Vorteile bezüglich Herzinfarkt und vaskulärem Tod. Lediglich die Schlaganfallrate könnte evtl. weiter reduziert werden, allerdings um den Preis unerwünschter Wirkungen wie Hypotonie, Bradykardie und Niereninsuffizienz.

Mit diastolischen Werten unter 80 bzw. 85 mmHg sollte man vor allem bei Diabetikern mit koronarer Herzkrankheit vorsichtig sein, denn sie erhöhen die Gefahr kardiovaskulärer Ereignisse. Ursächlich könnte hier eine Minderdurchblutung der Herzkranzgefässe während der Diastole 
eine Rolle spielen, schreibt Dr. Hess in der "Deutschen Medizinischen Wochenschrift".

Betablocker nur bei Zusatzindikation

Therapeutisch stehen Lebensstilmodifikationen mit Gewichtsabnahme, mehr körperlicher Aktivität und diätetischer Kochsalzreduktion an erster Stelle. Medikamentös kommen beim Diabetiker grundsätzlich alle Gruppen der Antihypertensiva infrage.

Bevorzugt sollten jedoch ACE-Hemmer, AT1-Antagonisten und Kalziumantagonisten eingesetzt werden. So verlangsamen sowohl ACE-Hemmer als auch Sartane die Progression der Mikroalbuminurie bzw. Proteinurie und sie verzögern das Auftreten einer Niereninsuffizienz. Betablocker und Diuretika sollten initial nur bei Zusatzindikationen (KHK, Herzinsuffizienz) eingesetzt werden.

Kalziumantagonist zum RAS-Hemmer

Meist wird man mit einer Monotherapie den Zielblutdruck nicht erreichen. Als besonders günstig hinsichtlich Therapieerfolg und Prophylaxe von Langzeitschäden gilt die Kombination eines ACE-Hemmers bzw. AT1-Antagonisten mit einem Kalziumantagonisten. Eine duale Hemmung des Renin-Angiotensin-Systems wird nicht empfohlen, weil sich darunter in der ONTARGET-Studie die Nierenfunktion verschlechterte.

Welche Kombination wählen?

In den Leitlinien werden folgende Kombinationen in der Reihenfolge ihrer Eignung empfohlen:

• ACE-Hemmer bzw. Sartan + Kalziumantagonist

• ACE-Hemmer bzw. Sartan + Diuretikum
• Kalziumantagonist + Betablocker
• Betablocker + Diuretikum (bei Patienten ohne spezielle Indikation wie Herzinsuffizienz oder KHK eher vermeiden)

Was den Einsatz des direkten Renin-Inhibitors Aliskiren bei Diabetikern betrifft, legte die AVOID-Studie für die Kombination mit Losartan 
einen nephroprotektiven Effekt nahe. Die ALTITUDE-Studie, in der ein Teil der Probanden zusätzlich zu einem ACE-Hemmer oder einem Sartan noch Aliskiren erhielten, wurde wegen vermehrter Nebenwirkungen vorzeitig beendet.

Laut Fachinformation sollte der Renin-Inhibitor bei Dia­betikern nicht in Kombination mit einem ACE-Hemmer bzw. einem AT1-Antagonisten eingesetzt werden.

Katharina Hess, Dtsch Med Wochenschr 2012; 137: 2489-2492