Medical Tribune
22. Sept. 2024Herausforderungen im Umgang mit versteckten Allergenen und Kreuzreaktionen

Eiallergie: Diagnostik, Therapie und Prävention

Schon winzige Mengen von Hühnerei in Lebensmitteln können bei Allergikern ernsthafte Reaktionen auslösen. Besonders betroffen sind Säuglinge und Kleinkinder, bei denen eine Eiallergie häufig auftritt. Doch mit gezielter Diagnostik, geeigneter Therapie und präziser Beratung lässt sich das Risiko deutlich senken.

Die Hauptbetroffenen einer Eiallergie sind Babys und Kleinkinder.
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Nicht das Gelbe vom Ei: Die Allergene Gal d 1, 2, 3 und 4 befinden sich vor allem im Eiweiss.

Hühnerei wird meist nicht gekocht oder gebraten verzehrt, sondern als Zusatz in Lebensmitteln, schreibt Professor Dr. Axel Trautmann von der Universitätsklinik Würzburg (1).

Vor allem Säuglinge und Kleinkinder entwickeln eine Eiallergie. Studien schätzen die Prävalenz auf 0,04 bis 2,5 Prozent, bei Erwachsenen sind es wahrscheinlich 0,001 Prozent.

Die wichtigsten Hühnerei-Allergene: Gal d 1, 2, 3 und 4

Diese vier Einzelallergene Gal d 1 (Ovomukoid), 2 (Ovalbumin), 3 und 4 machen über 80 Prozent der Proteine des Eiweisses aus und finden sich auch im Dotter.

Gal d 1 gilt als Markerallergen, doch die meisten Patienten reagieren auf mehrere Komponenten. Besonders gefährdet sind Babys und Kleinkinder mit schwerem atopischem Ekzem.

Eine Sensibilisierung kann über die entzündete Haut oder die Magen-Darm-Mukosa erfolgen, deren Barrierefunktion noch nicht ausgereift ist. Auch bei Beschäftigten in der industriellen Produktion wurde eine inhalative Sensibilisierung beobachtet.

Seltenes Erscheinungsbild Anaphylaxie

Das Symptombild der IgE-vermittelten Allergie variiert stark: Meist treten leichte Sofortreaktionen auf rohes oder wenig verarbeitetes Ei auf. Systemische Anaphylaxie ist selten.

Ob Betroffene nur auf rohes oder kurz erhitztes Ei reagieren oder schon auf Zutaten in Lebensmitteln, hängt wahrscheinlich vom Sensibilisierungsmuster ab. Die meisten Kinder mit Hühnereiallergie vertragen alimentäre Additiva ohne Probleme, besonders in Back- und Teigwaren wie Keksen.

Ein typisches Merkmal junger Allergiker: Sie entwickeln nach einigen Jahren oft eine Immuntoleranz. Dieser günstige Verlauf wird möglicherweise durch den Verzehr kleinerer Allergenmengen gefördert und kann durch erneute Tests und Provokationen nachgewiesen werden.

Schwere Anaphylaxien betreffen vor allem Erwachsene. Dabei spielen Hautreaktionen wie Flush, Urtikaria und Angioödem angesichts bedrohlicher Symptome wie Blutdruckabfall, Bronchospasmus und Larynxödem eine untergeordnete Rolle.

Kreuzreaktionen: Allergische Reaktionen auf Eier anderer Vogelarten

Kreuzreaktionen mit Eiern anderer Vögel wie Gans, Ente und Trute sind wahrscheinlich häufig, fallen aber wegen des seltenen Verzehrs kaum auf. Der in Medikamenten und Nahrungsmitteln verwendete Emulgator Eilecithin wird vertragen, da moderne Herstellungsmethoden eine Kontamination mit grösseren Mengen Eiprotein praktisch ausschliessen.

Diagnosemöglichkeiten: IgE-Nachweis und Provokationstests

Die Diagnose der Eiallergie basiert auf zwei Befunden: der Sofortreaktion wenige Minuten nach dem Verzehr und dem Nachweis des spezifischen IgE (Serum, Pricktest). Bei unklaren Beschwerden kann ein Provokationstest erforderlich sein.

Anamnestisch sollte man erfragen, auf welche Form von Ei Betroffene reagieren. Am häufigsten genannt werden gekochtes, Spiegelei und Rührei. Es folgen Süssspeisen wie Eis und Tiramisu. Spuren von Ei sind in vielen Produkten detektierbar, aber bei der Mehrzahl der Sensibilisierten liegt die Menge unter der Schwellendosis.

Ein sensitives Suchverfahren ist der Pricktest mit rohem Eiweiss. Der Anteil der wichtigsten Allergene Gal d 1 (Ovomukoid) und Gal d 2 (Ovalbumin) im Gesamtprotein liegt bei 10 bzw. 55 Prozent.

Auch die Bestimmung des Serum-IgE gegen Eiweiss eignet sich zur Diagnostik. Bei einem negativen Resultat sowohl im Pricktest als auch im eiweissspezifischen IgE haben mehr als 90 Prozent der Patienten keine Allergie. Die Bestimmung des IgE gegen Einzelantigene liefert eventuell zusätzliche Informationen. Die Sensitivität eines Suchtests mit dem Markerallergen Gal d 1 ist aber wohl nicht grösser als mit dem Gesamtextrakt.

Therapie und Management: Von Immuntoleranz bis Notfallplan

Wichtig ist eine sorgfältige Beratung: Betroffene Kinder und Erwachsene sollten auf rohe oder nur kurz erhitzte Eierspeisen verzichten. Ein kleiner, meist erwachsener Teil der Eiallergie-Patienten verträgt das Ei auch als Zutat nicht, beispielsweise in Wurst, Suppen oder eventuell sogar Teigwaren. Informationen zu versteckten Allergenen sind sinnvoll. Für Kinder wird eine jährliche Kontrolle auf Immuntoleranz empfohlen.

Zur Sicherheit sollten Betroffene, Eltern, Verwandte und z. B. das Kindergartenpersonal mit Notfallmedikamenten und einem Notfallplan ausgestattet werden. Zur Therapie der meist leichten Reaktionen eignen sich orale H1-Antihistaminika und ggf. Glukokortikoide, der Adrenalin-Autoinjektor wird nur selten benötigt.

Eiallergie und Impfungen: Worauf ist zu achten?

Mögliche allergische Reaktionen auf Impfstoffe betreffen, wenn überhaupt, nur die gegen Influenza und Gelbfieber. Beide Viren können sich in der Zellkultur nicht ausreichend vermehren, weshalb man auf embryoniertes Hühnerei ausweicht.

Eine geringe Restmenge an Eiprotein ist daher nicht zu vermeiden. Bei einem Eiallergie-Patienten mit anaphylaktischer Reaktion nach Verzehr wird vor der Applikation ein Pricktest mit dem jeweiligen Impfstoff durchgeführt. Bei positivem Ergebnis hat man zwei Möglichkeiten: auf die Impfung verzichten oder diese unter Überwachung in stufenweise ansteigender Dosis verabreichen, wobei strikt auf eine intramuskuläre Injektion zu achten ist.

Impfstoffe, die in Zellkulturen mit Hühner-Fibroblasten hergestellt werden, z. B. gegen Masern, Mumps und Röteln, können ohne vorherige Testung injiziert werden, da sie keine allergenen Eiproteine enthalten.