Medical Tribune
22. Jan. 2023Ärzte in der Schweiz

PD Dr. Mathias Worni zur Erforschung des metastasierenden Pankreaskarzinoms

In den letzten Jahrzehnten konnten Forschende bei zahlreichen Krebsarten bemerkenswerte, ja teilweise geradezu spektakuläre Fortschritte erzielen; nach wie vor düster sieht es dagegen beim metastasierenden Pankreaskarzinom aus. PD Dr. Mathias Worni aus Bern setzt nun gemeinsam mit anderen auf ein neues Immuntherapie-Verfahren. Der Kampf gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs, einem sehr aggressiven Krebs, ist und bleibt für die Forschung eine grosse Herausforderung.

Portraitfoto Dr. Mathias Worni
Riechsteiner

Mitten in der Berner Altstadt, in einer etwas versteckten Passage, befindet sich die Viscera AG Bauchmedizin Bern. Patientinnen und Patienten treffen hier auf ein gebündeltes Mass an Kompetenz: Neben zwei Gastroenterologen/Hepatologen sind gleich ein halbes Dutzend Fachärzte für Chirurgie mit Spezialgebiet Viszeralchirurgie auf einem Stockwerk beratend tätig.

Einer von ihnen ist PD Dr. Mathias Worni. Der Ehemann einer Ärztin und Vater zweier Kinder ist «Bauchchirurg» geworden, weil ihn das Zusammenspiel mehrerer Organe ebenso fasziniert wie die technischen Möglichkeiten, die er als Chirurg anwenden kann; Als zentrales Element nennt der 44-Jährige in diesem Zusammenhang den Da Vinci-Roboter, der für ihn zu einem unverzichtbaren Hilfsmittel geworden ist und wesentlich dazu beitrage, dass heute exakter als früher gearbeitet werden könne.

«Engere Kooperation unabdingbar»

Nach seinem Medizinstudium hatte er als Oberarzt sowie als Leitender Arzt respektive Chefarzt ad interim an mehreren Kliniken gearbeitet. Spezielle chirurgische Erfahrungen sammelte Mathias Worni als Surgical Oncology Fellow an der Duke Universität in Durham, USA.

Als viszeralchirurgische Belegärzte operieren Mathias Worni und seine Kollegen aus der Viscera-Gruppe inzwischen sowohl im Lindenhofspital wie auch in der Hirslanden Klinik Beau Site. Die zwei Berner Spitäler seien sehr gut verankert in der Bevölkerung und bei den ansässigen Hausärzten.

«Mit der Tätigkeit in beiden Häusern haben wir das Privileg, die Patienten an ihrem Wunschort zu behandeln». Eine noch engere Kooperation ist für ihn in Zukunft unabdingbar, auch wenn die zwei Institutionen sich gegenseitig konkurrenzieren.

Lindenhof und Klinik Beau Site liegen nur wenige Kilometer auseinander; eine gute Gelegenheit für Mathias Worni, während der kurzen Velofahrt durch die Stadt jeweils seinen Kopf zu lüften und sich geistig für die nächste OP vorzubereiten.

An der Universität Bern ist er als Dozent tätig. Zudem arbeitet er als aktives Forschungsmitglied mit einem Teilzeitpensum als Consultant for Surgical Oncology Research bei Clarunis, dem universitären Bauchzentrum in Basel, das gemeinsam vom Universitätsspital und dem Claraspital getragen wird. Als Mitglied von Editorial-Boards ist Mathias Worni ferner ehrenamtlich für die Onkologie-Zeitschrift Cancers und für World Journal of Surgery tätig.

«Ich engagiere mich stark in der Forschung, weil wir unsere Medizin ohne Forschung nicht weiter entwickeln können. Sie ermöglicht uns auch, hochspezialisierte Medizin (HSM) zu betreiben und behält uns ganz nah im Kontakt mit dem universitären Umfeld», gibt er sich überzeugt.

Die Zentralisierung der HSM habe die Praxis und die Ergebnisse der Pankreaschirurgie auch in der Schweiz verändert, war kürzlich zu lesen. Was bedeutet diese Aussage konkret für Mathias Worni, wenn weniger Spitäler als bislang Bauchspeicheldrüsenoperationen nach national festgelegten Grenzwerten durchführen dürfen?

Ziel der Zentralisierung der HSM Chirurgie sei die Verbesserung der Qualität. «Es konnte mehrfach gezeigt werden, dass sich die Qualität verbessern lässt, wenn die Fallzahl gesteigert wird», meint er einerseits. Dass diese Chirurgie nun aber ausschliesslich über die Fallzahlen, die geleistete Forschung sowie die Aus-/ und Weiterbildung der Chirurgen gesteuert werde, sei teilweise schwer nachvollziehbar, bedauert er. Weiteren Parametern sollte ebenfalls Rechnung getragen werden.

Fortschritte sind überschaubar

In der Forschung konzentriert sich Mathias Worni auf das nur rund 15 cm grosse, aber eminent wichtige Organ im Bauchraum; die Bauchspeicheldrüse, konkret auf den Bauchspeicheldrüsenkrebs, ein oft extrem aggressiver Krebs, der Wissenschaftlern noch etliche Rätsel aufgibt. Viele Tumoren in der Bauchspeicheldrüse wachsen schnell und breiten sich in kurzer Zeit über das Blut oder die Lymphbahnen im Körper aus. Nach wir vor bleibt Patientinnen und Patienten mit einem Pankreaskarzinom wenig Hoffnung.

Bei einem bereits metastierenden Karzinom in andere Organe leben 19 von 20 Betroffenen nach fünf Jahren nicht mehr. Im Frühstadium dieser Erkrankung, das aber schwierig zu erkennen sei, sehen die Zahlen immerhin noch besser aus.

Die Fortschritte in der Behandlung von Pankreaskarzinomen seien in den letzten Jahrzehnten sehr überschaubar gewesen, bedauert Mathias Worni. Von einem gewissen Durchbruch kann man allenfalls bei der aggressiven Chemotherapie mit FOLFIRINOX respektive Gemcitabine/Abraxane sprechen, sowohl im metastasierten als auch im postoperativen Setting. Diese Studien lägen allerdings schon ein Jahrzehnt zurück.

Die immuntherapeutische Revolution sei wohl bei vielen Tumoren erfolgsversprechend. Ihr völlig neuer Ansatz, der sich nicht direkt gegen den Tumor richtet, sondern das körpereigene Abwehrsystem unterstützt, gegen die entarteten Zellen vorzugehen, versagt jedoch beim Bauchspeicheldrüsenkrebs.

«Das liegt vor allem daran, dass das Pankreaskarzinom nur wenige tumorspezifische Antigene aufweist und es sich zudem eine immunsuppressive Nische einrichtet, in die fast keine Abwehrzellen eindringen», erklärt Viszeralchirurg Mathias Worni.

Zwei Studien mit Veränderungspotenzial

Doch er bleibt am Ball, setzt auf zwei Projekte, die derzeit bei ihm und seinem Team im Vordergrund stehen; eine prospektive Studie «PDAC_IRE» zur Behandlung des metastasierten Pankreaskarzinoms sowie eine Studie zur «künstlichen Intelligenz zur Vorhersage des Entartungspotenzials zystischer Tumoren der Bauchspeicheldrüse.»

Mathias Worni gibt sich vorsichtig optimistisch: «Beide Studien haben das Potenzial, unsere tägliche Arbeit zu verändern.» So bestehe einerseits die Chance, beim metastasierenden Pankreaskarzinom eine Therapiealternative zu bieten und andererseits eine Verbesserung der Diagnostik bei Zysten zu erzielen.

Zusammen mit seinen Kolleginnen und Kollegen von der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung, der St. Clara Forschung AG, der Campus Stiftung Lindenhof Bern und dem Universitätsspital Zürich möchte Worni in einer unter anderem von der Stiftung Krebsforschung Schweiz geförderten klinischen Studie (PDAC_IRE) prüfen, ob ein neues Verfahren beim metastasierten Pankreaskarzinom helfen kann. «Um den Therapieerfolg zu verbessern, sollen mittels IRE Tumoren zerstört und so dem Immunsystem besser sichtbar gemacht werden, bevor wir dann mit Nivolumab (Checkpoint Inhibitor) behandeln», erklärt er das Vorgehen. IRE, die Abkürzung für Irreversible Elektroporation, ist eine neue Methode, welche Tumorzellen mittels starken Stromschlägen zerstören kann.

Die andere Studie unter der Leitung von Mathias Worni geht der Frage nach, ob man die Einteilung der radiologisch nachgewiesenen zystischen Läsionen in der Bauchspeicheldrüse mittels künstlicher Intelligenz verbessern kann. So könnten Zysten welche bereits maligne sind oder ein malignes Potential haben frühzeitig operiert werden während Zysten, die praktisch nie entarten weder operiert noch nachkontrolliert werden müssen.

Patienten keine falschen Hoffnungen machen

«Wir haben das Glück, dass wir häufig auch schwerkranken Menschen mit unseren Eingriffen helfen können.» Allerdings sei die Selektion, wer wirklich von einem operativen Eingriff profitiere, nicht immer verlässlich vorauszusagen. Und manchmal sind gerade bei diesem heimtückischen Krebs auch die besten Mediziner am Ende ihres Lateins.

Jemandem in einem fortgeschrittenen Stadium von Bauchspeicheldrüsenkrebs falsche Hoffnungen zu machen, will Mathias Worni nicht. «Ich möchte authentisch bleiben und Patienten ehrlich aufklären.» Dazu gehöre auch, dass er als Chirurg von einer Operation abrate, wenn diese keine Besserung verspreche und eine Operation für Patienten nur eine Belastung sei. «Wir sind keine Umsatzbolzer», gibt er zu verstehen. Auf keinen Fall wollen er und sein Team sich vorwerfen lassen, unnötige Eingriffe durchzuführen.