Medical Tribune
15. Dez. 2022Unzufriedene Migränepatienten

Luft nach oben bei der Migränetherapie

Nur wenige Migränepatienten sind zufrieden mit ihrer Therapie. Für die akute Attacke erhalten sie oft nicht die geeigneten Medikamente. Manche Ärzte verschreiben fälschlicherweise ein Opioid. Ein Durchbruch ist auch von den demnächst verfügbaren Gepanten wohl nicht zu erwarten.

Studien zeigen, dass es grosse Diskrepanzen zwischen dem gibt, was empfohlen wird, und dem, was tatsächlich verordnet wird.
Cecilie_Arcurs/Gettyimages

«Bei der Behandlung akuter Migräneattacken gibt es noch eine Menge Raum für Verbesserungen», erklärt PD Dr. Athina Papadopoulou, Oberärztin Neurologie, Universitätsspital Basel, an der Veranstaltung Virtual Headache News from MTIS* 2022.

Weniger als die Hälfte erhielt Triptane

Die meisten Patienten sind nicht zufrieden mit ihrer Behandlung, das zeigen die Ergebnisse der Studie OVERCOME (EU). Die Analyse wertete eine Umfrage an 5.547 Patienten mit Migräne und moderaten bis schweren Kopfschmerzen aus.

Es zeigte sich, dass zwar mehr als 80 Prozent der Betroffenen medizinische Hilfe suchten, jedoch weniger als die Hälfte die bei moderaten bis schweren Migräneattacken indizierten Triptane erhielt. Letztendlich waren weniger als 15 Prozent der Migräne-Patienten zufrieden mit ihrer Therapie. Zudem erhielt mehr als die Hälfte Paracetamol als Schmerzmittel – «das ist nicht die empfohlene Behandlung für diesen Schweregrad der Migräne», so die Expertin.

Eine andere Untersuchung aus den Niederlanden zeigte, dass sogar immer noch Opioide bei Migräne verschrieben werden. «Dies ist auch keine gute Idee», so die Referentin. In einer Kohorte von 3.712 Teilnehmern mit Migräne erhielten 13,4 Prozent ein Opioid gegen den Kopfschmerz. Dabei waren 46 Prozent der Verschreiber Allgemeinärzte und 35 Prozent Neurologen.

Small molecules greifen am CGRP-Weg an

Neue Substanzen in der Pipeline, sowohl für die Prophylaxe als auch für die Akutbehandlung, sind die Gepante. Die «small molecules» greifen am CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide)-Pathway an, und zwar als CGRP-Rezeptor-Antagonisten. Dazu gehört etwa der für die Migräneprophylaxe zugelassene monoklonale Antikörper Erenumab. Der Vorteil ist, dass Gepante keine Antikörper sind, und damit die Einnahme oral als Tablette oder als Nasenspray möglich ist.

Das von der FDA bereits zugelassene Ubrogepant (oral) sowie Zavegepant (nasal) sind zur akuten Behandlung indiziert. Die Wirksamkeit ist jedoch nicht besonders beeindruckend. So erreichte mit einer Dosis Ubrogepant (50 oder 100 mg) ca. ein Viertel der Patienten mit einer akuten Migräneattacke innerhalb von zwei Stunden Schmerzfreiheit. Zum Vergleich: Mit Triptanen gelingt dies ca. 30–40 Prozent der Patienten (1).

Eine Schmerzlinderung erzielten ca. 60 Prozent nach zwei Stunden und etwa 40 Prozent berichteten nach dieser Zeit über ein normales Funktionsniveau. Rund 60 Prozent waren zufrieden mit der Wirksamkeit von Ubrogepant. «Ubrogepant wirkt, es lindert den Schmerz und stellt einen grossen Teil der Patienten zufrieden, ein Game-Changer ist es jedoch nicht», fasste die Expertin zusammen.

Auch Zavegepant führte in einer Studie nach zwei Stunden zu einer Schmerzlinderung bei ca. 60 Prozent der Betroffenen. Die Verträglichkeit war gut, als häufige Nebenwirkung trat eine Störung des Geschmacksinns (Dysgeusie) auf.

Zur zukünftigen Rolle der Gepante erklärte die Referentin, dass es sich um sehr teure Medikamente handelt. Sie könnten eine Alternative für Patienten sein, die Triptane nicht vertragen bzw. bei denen diese kontraindiziert sind.

Unterschiede zwischen Männern und Frauen

Professor Dr. Andreas Gantenbein, Praxis Neurologie am Untertor, Bülach, und Medical Advisor, ZURZACH Care, Bad Zurzach, weist darauf hin, dass in der Pharmakokinetik grosse Unterschiede zwischen Männern und Frauen bestehen. Die meisten Dosisfindungsstudien finden jedoch immer noch bei Männern statt, um das Risiko einer ungeplanten Schwangerschaft auszuschliessen.

Aber eine Dosis, die bei Männern wirksam ist, muss es nicht auch bei Frauen sein. Eine Metaanalyse zum Ansprechen auf Triptane zeigt nun, dass die Wirksamkeit bei beiden Geschlechtern gleich ist, Männer jedoch weniger Nebenwirkungen und ein geringeres Risiko für ein Wiederauftreten der Kopfschmerzen haben (2).

* Migraine Trust International Symposium, London, 8.–11. September 2022

Referenzen

  1. Ferrari MD et al. Triptans (serotonin, 5-HT1B/1D agonists) in migraine: detailed results and methods of a meta-analysis of 53 trials. Cephalalgia. 2002 Oct;22(8):633-58. doi: 10.1046/j.1468-2982.2002.00404.x. Erratum in: Cephalalgia. 2003 Feb;23(1):71
  2. van Casteren DS et al. Sex Differences in Response to Triptans: A Systematic Review and Meta-analysis. Neurology. 2021 Jan 26;96(4):162-170. doi: 10.1212/WNL.0000000000011216

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