Medical Tribune
13. Mai 2022Swiss Derma Day

Lyme-Borreliose: Erythema migrans genügt als Diagnostik

Die Lyme-Borreliose betrifft diverse Organe, darunter die Haut. Ist das bekannteste Erscheinungsbild, das Erythema migrans, vorhanden, kann man sich teure Diagnostik vorerst sparen. Wie man weiter vorgeht, und wann eine Serologie trotzdem angezeigt ist.

Ist die Wanderröte (Erythema migrans) nach einem Zeckenbiss zu sehen, kann man sich die Serologie vorerst sparen.
iStock/CNX-OpenStax

Am Swiss Derma Day 2022 referierte PD Dr. Martin Glatz, Facharzt für Dermatologie und Venerologie sowie Allergologie und klinische Immunologie mit Praxis in Uster, insbesondere über die Auswirkungen der bakteriellen Erkrankung auf die Haut (1).

Erythema migrans bei 60-70 Prozent aller Infizierten

Studien belegen, dass etwa 25 Prozent aller untersuchten Zecken von Borrelien infiziert sind, aber nur etwa 5 Prozent aller Stiche mit einer infizierten Zecke tatsächlich zu einer Übertragung führen. Da die Transmissionskaskade erst 48 Stunden nach dem Stich aktiviert wird, ist es umso wichtiger, möglichst frühzeitig die Zecke zu entfernen – und zwar mittels einer Pinzette. Manipulationen sollte man hingegen möglichst vermeiden.

60–70 Prozent aller Patienten mit Lyme-Borreliose zeigen eine sich ausdehnende, zentrifugal wachsende, scharf begrenzte, solitäre, rot bis rot-blaue Hautveränderung mit zentraler Rötung. Meistens befindet sich das Erythema migrans am Rumpf oder Oberschenkel, bei Kindern findet man es hingegen häufig im Schulter-, Hals- oder Kopfbereich. Atypische Erytheme können aber auch klein bleiben oder sogar streifenförmig sein – dies vor allem in Hautregionen, welche mechanischer Belastung ausgesetzt sind wie Ellbogenbeuge oder Kniebeuge. Die Inzidenz für das Erythema migrans ist vom Mai bis September am höchsten.

IgM- und IgG-Antikörper können über viele Jahre persistieren

IgM- und IgG-Antikörper können über viele Jahre persistieren: Bei Patienten aus Hochrisikogebieten liegt die Seroprävalenz bei bis zu 50 Prozent. Eine positive Serologie kann also eine aktive Lyme-Borreliose bedeuten, es kann jedoch ebenfalls sein, dass der Patient bereits vor Jahren eine Borreliose gehabt hatte.
Möglich ist auch, dass ein positiver Antikörpertiter das Resultat einer Kreuzreaktion ist: Virusinfektionen, wie z.B. eine Infektion mit CMV oder EBV oder sonstigen Spirochäten können eine falsch-positive Borrelien-Serologie verursachen. Hingegen ist mittels negativem Antikörpertiter der Ausschluss einer Borreliose nicht möglich, denn: Eine frühzeitige Antibiotika-Therapie kann die Borrelien-Antikörperbildung unterbinden.

Besteht ein typisches Erythema migrans, so sind keine weiteren Abklärungen erforderlich, auch keine Serologie. Andere diagnostische Methoden wie die Biopsie, die PCR-Untersuchung oder die Kultivierung von Borrelien sind empfohlen, wenn ein typisches Erythema migrans fehlt. Es sollten keine Serologie-Kontrollen für den Behandlungserfolg stattfinden – diese sind nicht verwendbar, da es unter der Therapie nicht zu einem Antikörperabfall kommt.

Die Acrodermatitis chronica atrophicans wird oft erst spät diagnostiziert

Für alle kutanen Manifestationen (Erythmea migrans, aber auch Borrelien-Lymphozytom und Acrodermatitis chronica atrophicans) ist die Therapie der Wahl Doxycyclin einmal täglich 200 mg, am besten abends. Doxycyclin deckt zudem allfällige Ko-Infektionen wie die Anaplasmose und Babesiose ab.

Die Acrodermatitis chronica atrophicans wird als chronisch fortschreitende Erkrankung der Lyme-Borreliose definiert. Oft erst spät diagnostiziert, findet sie sich häufig bei älteren Patienten, meistens an den Streckseiten der Extremitäten. Es handelt sich um eine entzündliche, blau-livide Verfärbung mit teigiger Schwellung, welche nicht klar abgegrenzt werden kann. Extrakutane Manifestationen wie die Polyneuropathie sollte man mittels klinischem Bild und einer Serologie diagnostizieren – IgG-Antikörper sind hier obligat positiv. Eine Histopathologie ist zudem empfohlen.

Wer hat gestochen?

Ein Erythema migrans nach einem Zeckenstich entwickelt sich innerhalb von 14 Tagen, ist grösser als 5 cm, manifestiert sich zentrifugal und bei 40% kommt es zu extrakutanen Symptomen. Reaktionen auf Stiche durch andere Arthropoden dagegen entwickeln sich innerhalb von 24 h, bleiben kleiner als 5 cm, es gibt keine Ausdehnung und keine extrakutanen Symptome.

Referenz

Dr. Martin Glatz: Borreliose: Abklärungen und Therapie. Swiss Derma Day, 12. und 13. Januar 2022