Medical Tribune
20. Apr. 2022Grosse Metaanalyse

Kein Hinweis auf Krebsrisiko durch Blutdrucksenker

Überschriften wie «Blutdrucksenker unter Krebsverdacht» verunsichern Patienten und Ärzte gleichermassen. Eine Metastudie gibt jetzt Entwarnung.

In einer Metaanalyse gab es keine Hinweise auf eine Kanzerogenität
iStock/sanjagrujic

In vergangenen Jahren kam es zu einem medialen Hype mit Meldungen zu einem vermuteten Zusammenhang von Antihypertensiva mit bestimmten Krebserkrankungen. Im Fokus standen zum einen ACE-Hemmer: Ihr Einsatz ging in einer britischen Kohortenstudie mit einem erhöhten Lungenkarzinomrisiko einher. Zum anderen schürte ein Rote-Hand-Brief in Deutschland zu Hydrochlorothiazid (HCT) die Sorgen vor Hautkrebs.

Am Kardiologie-Update-Seminar der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) mahnte Professor Dr. Felix­ Mahfoud­, Uniklinikum Saarland, Homburg, zur Zurückhaltung beim Absetzen der Präparate (1): «Eine Kanzerogenität von Antihypertensiva ist nicht nachgewiesen.»

Patienten-Events einzeln ausgewertet

Eine aktuelle Meta­analyse widmete sich dem Zusammenhang zwischen blutdrucksenkender Therapie und Karzinominzidenz. Ver­glichen wurden die fünf Erstlinien-Antihypertensiva (ACE-Hemmer, Sartane, Betablocker, Kalziumkanalblocker, Thiazide) untereinander und gegenüber Placebo. «Die Metastudie ist methodisch gut gemacht», beurteilt Prof. Mahfoud die Publikation. Das Besondere an der Untersuchung: Die Forscher werteten individuelle Patientendaten aus 33 Studien aus. Bei insgesamt mehr als 260.000 Teilnehmern kam es über ein medianes Follow-up von 4,2 Jahren zu etwa 15.000 Krebsereignissen.

Auch Kalziumkanalblocker sind wohl unbedenklich

Stellt man eine Wirkstoffgruppe den jeweils anderen gegenüber, so ergab sich bei keiner einzigen ein eindeutiges Risiko für Tumorerkrankungen jeglicher Art. Einen kleinen Ausreisser stellten Kalziumkanalblocker dar, die im Gegensatz zu den restlichen Antihypertensiva eine leichte Assoziation zu haben schienen. Laut Prof. Mahfoud beruhte diese Assoziation aber auf einer einzelnen Studie, die eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Prostatakarzinome gezeigt hatte. Im Vergleich zu Placebo – «und das ist sicherlich massgeblich» – fand sich aber für keine der Substanzen ein Anstieg des Krebsrisikos, beruhigt der Experte.

Nach Aufschlüsselung der Ergebnisse in einzelne Tumorarten (Brust-, Darm-, Lunge-, Prostata- und ­Hautkrebs) stand die Hochdrucktherapie ebenfalls nicht mit dem Auftreten von Karzinomen in Verbindung. Darüber hinaus hatte keine der analysierten Wirkstoffklassen einen wesentlichen Einfluss auf die krebsbedingte Mortalität der Teilnehmer.

Ist HCT überhaupt sinnvoll?

HCT weist von den Thiazid- und thiazidähnlichen Diuretika laut Prof. Mahfoud die schlechtesten Daten auf. Angesichts verfügbarer Alternativen wie Chlortalidon und Indapamid stellt sich die Frage, ob HCT überhaupt noch verordnet werden sollte. Der Experte hatte dazu eigentlich eine klare Meinung: «Man sollte es zur Hochdrucktherapie nicht präferenziell einsetzen.» Allerdings beinhalten die meisten Fixkombis HCT. Und so nutzt auch Prof. Mahfoud den Wirkstoff weiterhin bei seinen Patienten. Er hält Kombipräparate für wichtiger als mehrere Einzeltabletten.

Referenz
  1. DGK (Deutsche Gesellschaft für Kardiologie)-Kardiologie-Update-Seminar, 4. – 5. März 2022, Berlin