Medical Tribune
19. Apr. 2022Supportive Therapien

Ovarialkarzinom: Sport, Spazierengehen und patientenzentrierte Kommunikation erleichtern das «Leben danach»

Dank zahlreicher Verbesserungen der Antitumor- und Erhaltungstherapie beim Ovarialkarzinom gibt es immer mehr langzeit-überlebende Patientinnen. Meist sind diese aber zwar austherapiert, aber weit weg von gesund. Eine Expertin berichtet, wie sie Frauen hilft, wieder «ganz» zu werden.

Kraft tanken für Körper und Seele: Spazierengehen
iStock/andreswd

«Supportive Therapien», so berichtet Dr. Barbara Zeyen, Spitalfachärztin und Psychoonkologin an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am Inselspital Bern, «sind unterstützende Verfahren, die nicht primär der Heilung einer Erkrankung dienen.» Stattdessen sollen sie den Heilungsprozess durch zusätzliche Behandlung beschleunigen, oder die Symptomatik abschwächen (1). Die klassische Schulmedizin versteht darunter vor allem die Handhabung von Nebenwirkungen der Therapie wie Nausea, Emesis oder Hauttoxizitäten (2).

Die körperliche und seelische Gesundheit wiederherstellen

«Das ist aber nicht, wie ich die supportive Therapie im Alltag wahrnehme», so Dr. Zeyen. «Stattdessen sitzen meistens Patientinnen das erste Mal bei mir in der psychoonkologischen Sprechstunde, und sagen: ‹Ich bin mit meiner Therapie fertig, und mein Arzt hat mich gesundgeschrieben – aber gesund fühle ich mich nicht.›» Was ihre Patientinnen damit meinen, ist, dass sie zu schwach sind, um arbeiten gehen zu können, die Haare noch nicht wieder nachgewachsen sind, das während der Behandlung zugenommene Gewicht noch nicht verloren. «Meiner Vorstellung nach besteht die supportive Therapie darin, die Wiederherstellung der körperlichen und seelische Integrität zu begleiten.»

Patientinnen mit Rezidiven wissen schon, was kommt

Wie sehr die gesundheitsbezogene Lebensqualität von Frauen mit Ovarialkarzinomen leidet, zeigt eine deutsche Studie aus dem Jahr 2019 an Patientinnen vor der Operation (4). Während die körperliche Funktionsfähigkeit in der fragebogenbasierten Untersuchung bei den Patientinnen kaum bis gar nicht von Frauen ohne Krebs abwich, zeigten sich bei grosse Einschränkungen bei sozialen, emotionalen und psychischen Aspekten. Am schlechtesten dran waren junge Frauen unter 65 Jahren. Bei diesen hatte ein grosser Teil zusätzlich auch noch mit finanziellen Problemen zu kämpfen. «Das ist eine Besonderheit des Ovarialkarzinoms, das sehr viele jüngere Patientinnen betrifft. Unter 65 Jahren stehen die meisten ja noch im Berufsleben», erinnert Dr. Zeyen.

Auch nach der Therapie ist die Lebensqualität der Ovarialkarzinom-Patientinnen im Vergleich zu gesunden Frauen signifikant schlechter. In einer internationalen Studie litten viele Teilnehmerinnen nach der Therapie unter peripheren Neuropathien, die auf taxanhaltige Chemotherapien zurückzuführen waren, sowie Fatigue, Stimmungstiefs, Schlafstörungen (5). Frauen mit Rezidiven hatten dabei die gleichen Probleme wie Patientinnen in ihren ersten Behandlungszyklen. Nur die Stimmungstiefs waren bei Rezidiv-Patientinnen weniger ausgeprägt. «Die wissen schon, was passiert, und sind darauf vorbereitet», so die Expertin.

Fast jede Patientin will Komplementärmedizin ausprobieren

«Komplementärmedizin ist im deutschsprachigen Raum besonders stark nachgefragt», berichtet Dr. Zeyen. Fast jede Patientin frage danach. Die Expertin empfiehlt dazu die 2021 veröffentlichte S3-Leitlinie zur Komplementärmedizin bei Krebsbehandlungen (6). Nur eine einzige Massnahme erhielt darin eine echte Soll-Empfehlung: Sport und körperliche Aktivität.

Sport lässt Patientinnen Flügel wachsen

«Patientinnen mit Ovarialkarzinomen haben besonders häufig eher grosse Operationen und invasive Chemotherapien. Dadurch reduzieren sie auch ihre Aktivität. Wenn ich aber weniger aktiv bin, bin ich aber auch weniger belastbar – dann senke ich meine Aktivität weiter», erklärt Dr. Zeyen. Dadurch sinkt die kardiovaskuläre Fitness, und die Muskulatur baut sich ab, die Frauen werden noch inaktiver. «Das ist ein Teufelskreis, der unterbrochen werden muss – und zwar so früh wie möglich.» Eine Sporttherapie sollte daher schon nach den OPs und Chemotherapien angesetzt werden, um es gar nicht erst so weit kommen zu lassen, dass Patientinnen sehr abbauen.

Am Inselspital, wo Dr. Zeyen tätig ist, beginnen Frauen mit der dreimonatigen Sport-Rehabilitation direkt nach Abschluss der Therapie, für zweimal pro Woche. Diese sei für die Konstitution der Frauen sehr wichtig: «Ich sehe oft Patientinnen direkt nach der Therapie in der psychookologischen Sprechstunde, die sehr viel Unterstützung im Gespräch brauchen. Sobald sie mit dem Sportprogramm anfangen, haben sie viel mehr Kraft und Mut», berichtet Dr. Zeyen. Kein Wunder: Sport kann die Leistungsfähigkeit, Fatigue-Symptomatik und Lebensqualität verbessern, wie bereits bei Frauen mit Brustkrebs nachgewiesen wurde (7).

Eine weitere körperliche Aktivität mit einem besonderen Wert für die körperliche und seelische Rehabilitation sei das Spazierengehen. «Spazierengehen hilft den Frauen, sich einmal in den Mittelpunkt zu stellen - was viele zuvor noch nie gelernt haben. Ausserdem vermittelt es ein Gefühl von Ruhe und Frieden. Und ohne Ruhe gibt es auch keine Heilung», erklärt Dr. Zeyen.

Bessere Kommunikation – gesündere Patientinnen

Aber auch eine gute, patientenzentrierte Kommunikation ist etwas, womit Ärzte Patientinnen direkt unterstützen können. Eine grosse amerikanische Studie zeigt, dass Patientinnen drei grosse Punkte mit Verbesserungsbedarf bei der Kommunikation mit ihrem Onkologen sehen, nämlich darin,

  1. Die Gefühle ihrer Patientinnen wahrzunehmen und darauf einzugehen,
  2. Ihre Unsicherheit zu nehmen, und
  3. Ihre Selbstwirksamkeit zu fördern (8).

«Gerade bei einer so bedrohlichen Krebserkrankung wie dem Ovarialkarzinom stehen Patienten der grossen Unsicherheit gegenüber. Das schadet der Psyche. In den letzten zwei Jahren haben wir alle ein bisschen diese Erfahrung machen können. Die Patientinnen brauchen hier Unterstützung. » Das Resultat der Studie sollte Ärzten jedenfalls Mut machen: Es zeigte, dass Patientinnen, die das Gefühl hatten, dass betreuende Ärzte auf sie eingingen, eine bessere gesundheitsbezogene Lebensqualität und geringere Symptomlast hatten.

Referenzen
  1. WebUp Experten-Forum «Update Gynäkologie», 17. Februar 2022, Vortrag «Supportive Therapien», von Dr. Barbara Zeyen
  2. AWMF. S3-Leitlinie «Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen - interdisziplinäre Querschnittsleitlinie», Februar 2020
  3. Inci MG et al. Patient-Reported Outcomes (PROs) and Health-Related Quality of Life (HR-QoL) in Patients with Ovarian Cancer: What Is Different Compared to Healthy Women? Cancers (Basel). 2021 Feb 5;13(4):631. doi: 10.3390/cancers13040631.
  4. Webber K et al. OVQUEST - Life after the diagnosis and treatment of ovarian cancer - An international survey of symptoms and concerns in ovarian cancer survivors. Gynecol Oncol. 2019 Oct;155(1):126-134. doi: 10.1016/j.ygyno.2019.08.009.
  5. AWMF. S3-Leitlinie «Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen». 22. Juli 2021
  6. S3-Leitlinie besser verstehen. Die zweite Stimme, 13 (2) 2021, S4
  7. Gebruers N et al. The effect of training interventions on physical performance, quality of life, and fatigue in patients receiving breast cancer treatment: a systematic review. Support Care Cancer. 2019 Jan;27(1):109-122. doi: 10.1007/s00520-018-4490-9.
  8. Pozzar RA et al. Perceived patient-centered communication, quality of life, and symptom burden in individuals with ovarian cancer. Gynecol Oncol. 2021 Nov;163(2):408-418. doi: 10.1016/j.ygyno.2021.08.007.