Medical Tribune
7. Okt. 2021Bei Lichen planus in den Hals schauen

Mögliche «neue» Differenzialdiagnose bei Dysphagie und Ösophagitis

Von einem Lichen planus kann auch der Ösophagus betroffen sein. Obwohl belastbare epidemiologische Daten bislang fehlen, zeichnet sich ab, dass der ösophageale Lichen planus sogar häufiger auftreten könnte als die eosinophile Ösophagitis.

Klagt ein Patient mit oralem Lichen planus über Schluckbeschwerden, ist eine Ösophagusbeteiligung auszuschliessen.

Rund jeder zehnte Patient mit einem kutanen und/oder oralen Lichen planus könnte eine ösophageale Beteiligung (ösophagealer Lichen planus, ELP) aufweisen. Das vermuten Dr. Carmen Monasterio vom Universitätsklinikum Freiburg und Kollegen. Bei einer Häufigkeit des Lichen planus von 1,3 % liesse sich daraus für den ELP eine Häufigkeit von 0,13 % in der Gesamtbevölkerung ableiten. Zum Vergleich: Für die eosinophile Ösophagitis liegt die Rate bei 0,04–0,05 %.

Das Ösophagusepithel löst sich ab

Leitsymptom des ELP ist die Dysphagie. Daneben wurden Odynophagie, Sodbrennen, Regurgitationen, Gewichtsverlust, Heiserkeit und Husten beschrieben. Das Durchschnittsalter bei Krankheitsbeginn beträgt etwa 60 Jahre, Frauen machen 80 % der Betroffenen aus. Aus Sicht der Autoren sollte insbesondere bei Patienten mit einem bekannten Lichen planus und dysphagischen/dyspeptischen Beschwerden an einen ELP gedacht werden. Aber auch bei unklarer, anderweitig nicht erklärbarer Dysphagie oder einer Ösophagitis ohne bislang bekannten Lichen planus sollte ein ELP als mögliche Differenzialdiagnose erwogen werden.

Am häufigsten scheint ein ELP im mittleren Drittel des Ösophagus vorzukommen. Nach bisherigem Kenntnisstand lässt sich die Diagnose anhand einer Kombination aus klinischen, endoskopischen und histologischen Befunden zusammen mit einem typischen Bild in der Immunfluoreszenz stellen. Es kristallisiert sich heraus, dass in der Endoskopie eine makroskopisch sichtbare Ablösung des Ösophagusepithels spezifisch für einen ELP ist. Weitere mögliche Zeichen, die in der Endoskopie auffallen können, sind Stenosen/Strikturen, Hyperkeratose (weisse, raue Oberfläche auf der Schleimhaut) und Trachealisierung. Als mikroskopisch-histopathologische Diagnosekriterien gelten:

  • Ablösung des Epithels
  • lymphozytäres Infiltrat, bestehend aus T-Zellen (im Bereich der Basalmembran)
  • intraepitheliale Apoptose der Keratinozyten (Civatte Bodies)
  • Dyskeratose

In der Immunfluoreszenz lassen sich typischerweise Fibrinogenablagerungen entlang der Basalmembran nachweisen.

Offizielle Richtlinien für die Therapie eines ELP existieren bislang nicht. Gute Erfahrungen bestehen mit topischen Steroiden, insbesondere Budesonid. Klinisch und endoskopisch sprechen zwei Drittel bis drei Viertel der Patienten darauf an. Dabei erscheint eine geeignete Zubereitung, beispielsweise als Gel, entscheidend, um eine möglichst gute Haftung an der Speiseröhre zu erreichen. Auch ein Rückgang von Stenosen unter dieser Therapie wurde beschrieben; bei symptomatischen Stenosen kann aber auch eine Dilatation erforderlich sein. In schweren Fällen kann man andere Optionen nutzen (z.B. systemische Steroide, Hydroxychloroquin, Mycophenolat, Azathioprin oder Cyclophosphamid). Die für den Lichen planus etablierte systemische Behandlung mit Retinoiden scheint keine Wirkung auf die ösophageale Beteiligung zu haben.

Es steht zu vermuten, dass sich durch eine frühe Diagnose und Therapie Komplikationen wie narbige Stenosen verhindern lassen. Die Einstufung des mukosalen/oralen Lichen planus als Präkanzerose lässt sich wahrscheinlich auf den ELP übertragen. Daher könnte sich mit einer frühen Therapie möglicherweise auch der Entwicklung eines Plattenepithelkarzinoms vorbeugen lassen.

Monasterio C et al. Z Gastroenterol 2021; 59: 460–469.