Medical Tribune
1. März 2021Problematische Fälle angehen

Innovative Ansätze beim Hodgkin-Lymphom für Erstlinie und Rezidiv

Für rezidivierte oder therapierefraktäre Hodgkin- Lymphome gibt es wenig Behandlungsmöglichkeiten. So auch für ältere bzw. multimorbide Patienten mit dieser Krebserkrankung. Drei Phase-II-Studien zufolge ist eine verbesserte Therapie jedoch möglich, hiess es am 62. ASH Annual Meeting.

In der Lymphographie sind die Lymphknoten des Patienten im Becken und Abdomen deutlich zu sehen.

Als Zweitlinientherapie des Hodgkin-Lymphoms sind verschiedene Regimes gebräuchlich, denen meist eine Hochdosischemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation (ASCT) folgt. Sie erzielen Komplettremissionsraten zwischen 50 % und 70 %. Dr. Alison J. Moskowitz, Lymphoma Inpatient Unit, Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York, stellte eine monozentrische Phase-II-Studie vor, in der ein neues Protokoll getestet wurde: Es enthielt neben Pembrolizumab eine Chemotherapie aus Gemcitabin, Vinorelbin und liposomalem Doxorubicin (Pembro-GVD) und wurde bislang 39 Patienten in zwei bis vier Zyklen verabreicht.1 Patienten mit negativer PET* nach zwei bzw. vier Zyklen konnten anschliessend die ASCT erhalten.

Die Induktionstherapie war dem Referenten zufolge gut verträglich, es traten keine Grad-4- und nur wenige Grad-3-Toxizitäten auf. Von den 37 evaluierten Patienten entwickelten 34 (92 %) bereits nach zwei Zyklen eine Komplettremission, ein weiterer durch zwei zusätzliche Zyklen. Elf dieser Patienten erhielten nach Transplantation eine Konsolidierung mit Brentuximab Vedotin. Die mediane Beobachtungsdauer beträgt 11,2 Monate, und zu diesem Zeitpunkt waren alle Patienten in anhaltender Remission.

Gemcitabin – der Schlüssel zum Erfolg?

Eine wichtige Komponente dieses Regimes ist womöglich Gemcitabin, so Dr. Moskowitz, weil es auch immunstimulierend wirkt und die Wirksamkeit der Checkpoint-Inhibition unterstützen könnte. Angesichts der hohen Raten an Komplettremissionen nach vier Zyklen Pembrolizumab-GVD kann man möglicherweise die bisherige Hochdosistherapie künftig auf die Drittlinie verschieben. Daher ist in der Studie nun eine Expansions-Kohorte geplant, in der Patienten mit Komplettremission nach vier Zyklen Pembro-GVD anstelle der Transplantation 13 zusätzliche Zyklen Pembrolizumab als Erhaltungstherapie bekommen sollen.

Als Konsolidierung Brentuximab Vedotin und Nivolumab

Hochrisiko-Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem Hodgkin-Lymphom und mindestens einem Risikofaktor wurden in einer weiteren, multizentrischen Phase-II-Studie behandelt.2 An eine konventionelle Zweitlinie mit nachfolgender autologer Stammzelltransplantation schloss sich eine experimentelle Konsolidierungstherapie an. Sie bestand aus bis zu acht Zyklen Brentuximab Vedotin und Nivolumab, erklärte Professor Dr. Alex Herrera, City of Hope Comprehensive Cancer Center, Duarte. Den primären Endpunkt bildete das progressionsfreie Überleben nach 18 Monaten.

21 der 59 eingeschlossenen Patienten wiesen einen einzelnen Risikofaktor auf, 24 hatten zwei und 14 mindestens drei Risikofaktoren. Nach der autologen Stammzelltransplantation befanden sich 48 von ihnen (81 %) in Komplettremission. 15,7 Monate nach dem Konsolidierungsstart betrug die 19-Monats-Rate des progressionsfreien Überlebens 92 %, die des Gesamtüberlebens 98 %. Bei Patienten mit zwei Risikofaktoren erreichte die PFS-Rate 96 %, bei solchen mit drei oder mehr Faktoren 83 %.

Von sechs Teilnehmern, die nach Transplantation nicht in Komplettremission gewesen waren, konvertierten fünf noch im Verlauf der Konsolidierungsphase, während einer in einer partiellen Remission verblieb. Es gab lediglich vier PFS-Ereignisse: Drei Patienten entwickelten Rezidive und ein weiterer starb an einer Pneumocystis-Pneumonie, nachdem er eigenmächtig die Prophylaxe abgesetzt hatte.

Jeder vierte Patient benötigte Steroide

Die Behandlung war verträglich, obwohl öfter als im Prä-Transplantations-Setting immunbedingte Nebenwirkungen aller Grade durch den Checkpoint-Inhibitor auftraten. Diese Toxizitäten mussten bei mehr als jedem vierten Patienten mit Kortikosteroiden behandelt werden, erklärte Prof. Herrera. Häufig kam es zu peripheren Neuropathien und Neutropenien.

Brentuximab Vedotin allein oder kombiniert für Komorbide

Als Erstlinientherapie erhielten ältere komorbide Patienten in einer ebenfalls multizentrischen Phase-II-Studie Brentuximab Vedotin entweder als Monotherapie (n = 26) oder in Kombination mit Dacarbazin (n = 20), mit Bendamustin (n = 20) oder mit Nivolumab (n = 21).3 Das PFS lag in den vier Kohorten in der genannten Reihenfolge bei 10,5 Monaten, 46,8 Monaten und 40,3 Monaten bzw. war im Nivolumab-Arm noch nicht erreicht, referierte Dr. Christopher A. Yasenchak vom Willamette Valley Cancer Institute and Research Center in Eugene. Das Gesamtüberleben belief sich auf 77,5 Monate, 64,0 Monate sowie 46,9 Monate bzw. war wieder nicht erreicht. Die Ansprechraten fielen mit 92 %, 100 %, 100 % bzw. 95 % hoch aus.

Bendamustin-Arm vorzeitig geschlossen

Therapiebedingte Nebenwirkungen vom Grad 3 oder höher wurden bei 50 %, 40 %, 60 % bzw. 38 % der Patienten beobachtet, am häufigsten periphere Neuropathien. Diese führten in bis zu 38 % der Fälle zum Behandlungsstopp. Es gab keine therapiebedingten Todesfälle, aber der Bendamustin-Arm musste wegen multipler akuter Toxizitäten frühzeitig geschlossen werden.

Brentuximab Vedotin als Monotherapie scheint im Hinblick auf das PFS weniger wirksam zu sein, Dacarbazin und Nivolumab sind offenbar sehr gute Partner des Immuntoxins für Patienten, die sich für eine kombinierte Chemotherapie nicht mehr eignen.

* Positronenemissions-Tomographie

Referenzen:

  1. Moskowitz AJ et al. 62. ASH-Meeting (virtuell); Abstract 470
  2. Herrera AF et al. 62. ASH-Meeting (virtuell); Abstract 472
  3. Yasenchak CA et al. 62. ASH-Meeting (virtuell); Abstract 471