Medical Tribune
1. Juli 2020Fet(t)ales Herzrisiko

Adipositas und Diabetes der Mutter erhöhen das Risiko für Vitien der Kinder

Defekte des Vorhofseptums, des Aorten­bogens oder eine Transposition der grossen Arterien: Mit dem BMI der Schwangeren steigt das Risiko für Herzfehlbildungen beim Nachwuchs. Raten Sie adipösen Patientinnen, ihr Gewicht zu reduzieren. Am besten schon dann, wenn das Kind noch in der Planung ist.

Die Zahl von Neugeborenen mit angeborenem Herzfehler steigt stetig und liegt derzeit weltweit bei 1 %. Dank operativen Eingreifens überleben zwar bis zu 99 % der Kinder, dennoch treten häufiger Komplikationen wie z.B. neurologische Entwicklungsstörungen und im Erwachsenenalter zusätzlich kardiovaskuläre Erkrankungen auf. Neben genetischen Faktoren erhöhen z.B. auch Übergewicht und ein Diabetes vom Typ 1 oder 2 der Mutter das Risiko für angeborene Herzfehler beim Nachwuchs, schreiben Dr. Emmi Helle vom Kinderkrankenhaus und pädiatrischen Forschungszentrum der Uniklinik in Helsinki und James R. Priest von der pädiatrischen Abteilung der Stanford University School of Medicine.

Metaanalysen zeigen einen Zusammenhang zwischen Adipositas der Mutter und einem Herzfehler beim Kind, einzelne Untersuchungen erkennen sogar eine «Dosis-Wirkungs-Beziehung». In einer grossen schwedischen Kohortenstudie beispielsweise fanden sich bereits ab einem BMI der Mutter von 25 kg/m2 bei den Kindern häufiger Vorhofseptumdefekte oder ein persistierender Ductus arteriosus überproportional häufig. Überschritt er 30 kg/m2 stellte man unter anderem vermehrt Aortenbogendefekte fest und der Nachwuchs von Frauen mit einem BMI von 35 kg/m2 oder mehr hatten ein erhöhtes Risiko für Transpositionen der grossen Arterien. Die pathophysiologischen Zusammenhänge von der durch das Übergewicht der Mutter hervorgerufenen Störung und der Herzentwicklung in den einzelnen Embryo­nalstadien sind bisher noch nicht komplett verstanden. Allerdings geht man vom Zusammenspiel mehrerer Faktoren aus, so die Autoren.

Ultraschall
wikimedia/Kalumet

Kinder übergewichtiger Mütter haben häufiger einen persistierenden Ductus arteriosus. PA: Pulmonalarterie, Ao: Aorta, Pfeil: Etwa hier liegt das Shuntgefäss. Foto: wikimedia/Kalumet

Metformin und Betablocker: Mehr Schaden als Nutzen

Auch die Zahl von Studien zum präventiven Effekt von Lebensstilinterventionen fällt bisher gering aus. Insgesamt scheint aber eine möglichst frühe, optimalerweise schon bei Planung der Schwangerschaft begonnene Ernährungsumstellung, z.B. vermehrt Fisch und Meeresfrüchte (One-Carbon-Rich Diet), die Rate der angeborenen Herzfehler zu reduzieren. Denn ein hoher BMI bereits vor der Geburt ist ein stärkerer Prädiktor für schlechtere Outcomes als Übergewicht, dass sich während der Schwangerschaft entwickelt. Ausserdem sollte die Dosis der Folsäure-Zufuhr bei Adipösen erhöht werden, da diese scheinbar schlechter auf die Supplementierung ansprechen. Ob körperliche Betätigung der übergewichtigen Mütter die Herzfehlerrate zusätzlich positiv beeinflusst, kann derzeit nur anhand von Tierstudien mit einem schwachen «Ja» beantwortet werden.

Auch hinsichtlich des konsistent dokumentierten Zusammenhangs von mütterlichem Diabetes mellitus (Typ 1 oder 2) und einem angeborenen Herzfehler, weiss man zwar, dass er besteht, aber nicht genau warum. Wichtig in der Prävention einer Herzfehlbildung bei Kindern Schwangerer mit Diabetes ist eine stringente glykämische Kontrolle vor allem zu Beginn der fetalen Herzentwicklung im ersten Trimester. Auch Patientinnen, die sich noch im subklinischen Bereich befinden, sollte man im Auge behalten­.
Über neuere Medizintechnik mit kontinuierlichem Blutzucker-Monitoring und kontinuierlicher Insulinzufuhr, lässt sich das Risiko weiter reduzieren, schreiben die Autoren. Auch körperliche Betätigung hilft den Frauen, ihren Glukosespiegel zu senken. Metformin oder Betablocker könnten dagegen während der Schwangerschaft eher schaden als nützen, wie einige Beobachtungsstudien nahelegen.

Gegebenenfalls in einer Spezialklinilk gebären

Neben Lebensstilinterventionen kann ein engmaschiges Pränatalscreening – bei Frauen mit entsprechendem Risiko per fetalem Echokardiogramm – die Versorgung von Übergewichtigen und Frauen mit Diabetes während der Schwangerschaft verbessern, erklären die Autoren. Durch die ggf. gewonnene Vorbereitungszeit können Mutter und Kind bereits bei der Geburt in spezialisierten Zentren versorgt und kann Komplikationen besser vorgebeugt werden.

Quelle: Helle E, Priest JR et al. J Am Heart Assoc 2020; 9: e011541; doi: 10.1161/JAHA.119.011541