Medical Tribune
2. Juni 2020Prophylaxe rezidivierender Harnwegsinfekte

Welche Massnahmen sind evidenzbasiert?

Die Infektiologie war vor einigen Jahren noch ein belächeltes Thema. Dies hat sich grundlegend geändert. Ein Grund dafür sind die zunehmenden Antibiotikaresistenzen. PD Dr. Gernot Bonkat, Facharzt für Urologie und Geschäftsführer alta uro AG, Basel, erklärte am Forum für medizinische Fortbildung*, wie sich dieses Problem in der Behandlung und Prophylaxe von rezidivierenden Harnwegsinfekten niederschlägt.

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Es wird damit gerechnet, dass 2050 aufgrund von antimikrobiellen Resistenzen 10 Millionen Menschen sterben werden. «Das kann man sich heute noch schwer vorstellen, aber neue Daten zeigen, dass sich etwa Infektionen nach Prostatabiopsie in den letzten Jahren verdoppelt haben», so PD Dr. Bonkat. Die urologische Infektiologie beschäftigt sich heute mit einer ganzen Reihe von Themen – von der asymptomatischen Bakteriurie, über unkomplizierte und komplizierte Harnwegsinfekte, Urosepsis, Prostatitis bis hin zur Behandlung von sexuell übertragbaren Infektionen und der antimikrobiellen Prophylaxe. Es werden zwar jedes Jahr neue Guidelines zu urogenitalen Infektionen publiziert, aber viele Urologen und auch andere Ärzte halten sich nicht daran, betonte PD Dr. Bonkat, der seit 2015 auch Vorsitzender des Guideline-Panels für urologische Infektionen innerhalb der EAU ist.

Die starke Zunahme der Inzidenz der Herzinsuffizienz führte PD Dr. Flammer auf die gestiegene Lebenserwartung, die deutlich reduzierte Infarktmortalität und die hohe Prävalenz der oft unzureichend behandelten Hypertonie zurück. Ausserdem Es wird damit gerechnet, dass 2050 aufgrund von antimikrobiellen Resistenzen 10 Millionen Menschen sterben werden. «Das kann man sich heute noch schwer vorstellen, aber neue Daten zeigen, dass sich etwa Infektionen nach Prostatabiopsie in den letzten Jahren verdoppelt haben», so PD Dr. Bonkat. Die urologische Infektiologie beschäftigt sich heute mit einer ganzen Reihe von Themen – von der asymptomatischen Bakteriurie, über unkomplizierte und komplizierte Harnwegsinfekte, Urosepsis, Prostatitis bis hin zur Behandlung von sexuell übertragbaren Infektionen und der antimikrobiellen Prophylaxe. Es werden zwar jedes Jahr neue Guidelines zu urogenitalen Infektionen publiziert, aber viele Urologen und auch andere Ärzte halten sich nicht daran, betonte PD Dr. Bonkat, der seit 2015 auch Vorsitzender des Guideline-Panels für urologische Infektionen innerhalb der EAU ist.

Postmenopausale Frauen erleiden häufiger Rezidive

Die zunehmenden Resistenzen beeinträchtigen auch die Behandlung und Prophylaxe (rezidivierender) Harnwegsinfekte (rHWI). Die Lebenszeitprävalenz für eine Frau, einen unkomplizierten HWI (nicht schwangere Frauen ohne urologische Abnormalitäten) zu erleiden, beträgt 40–50 %. Etwa ein Viertel dieser Infekte rezidiviert, d.h. es treten drei Episoden innerhalb eines Jahres oder zwei innerhalb von sechs Monaten auf. Von rHWI sind postmenopausale Frauen häufiger betroffen. Die Behandlung erfolgt analog der akuten Episoden: An erster Stelle stehen Fosfomycin 3 g (1 × / Tag) oder Nitrofurantoin (50–100 mg 2–4 × /Tag über 5 Tage). Alternativen sind Cephalosporine und Trimethoprim(-sulfamethoxazol). PD Dr. Bonkat wies darauf hin, dass eine asymptomatische Bakteriurie bei Frauen mit rezidivierenden Harnwegsinfekten nicht antibiotisch behandelt werden darf. Denn dadurch verschwinden auch die «guten» Bakterien in der Blase.

Phytotherapie: keine eindeutige Datenlage

Für die Prophylaxe von rHWI stehen verschiedene Massnahmen zur Verfügung: von Lifestylemodifikationen über die nichtantibiotische Prophylaxe mit Phyototherapeutika wie Cranberry, Kapuzinerkresse und Meerettich, D-Mannose, Installation von Glykosaminoglykanen bis zur antibiotischen und immunoaktiven Prophylaxe. Für die Phytotherapeutika ist nach Ansicht des Experten die Datenlage nicht eindeutig. Dagegen ist die niedrigdosierte tägliche bzw. alle zwei Tage verabreichte oder die postkoitale Antibotikaprophylaxe wirksam in der Prävention von rHWI bei prä- und postmenopausalen Frauen. Zur Anwendung kommen Nitrofurantoin 50 oder 100 mg täglich oder Fosfomycin 3 g jeden zehnten Tag. Bei den postmenopausalen Frauen sind vaginale Östrogene eine Option. Dabei ist Estriol das Östrogen der Wahl.

Immunprophylaxe mit Bakterienlysat

Wirksam ist zudem die immunoaktive Prophylaxe mit OM-89 (Uro-Vaxom®), einem oralen lyophilisierten Bakterienlysat aus 18 E.-coli-Stämmen, das die Abwehr aktiviert. Zur Prävention erfolgt die Dosierung in den ersten drei Monaten einmal täglich auf nüchternen Magen. Als Co-Medikation zur Antibiotikatherapie in der akuten Phase sollte das Lysat bis zum Verschwinden der Symptome gegeben werden, mindestens jedoch für zehn Tage. Zur Anwendung von OM-89 gibt es eine Reihe von randomisierten kontrollierten Doppelblindstudien und drei Metaanalysen.1 «Wir wissen, dass es sicher ist und den Patienten nicht schadet», so der Referent. Unter der Behandlung sinkt die Infektionsrate, die Lebensqualität verbessert sich und auch der Antibiotikaverbrauch lässt sich reduzieren. OM-89 stärkt das Immunsystem gegen rHWI und ist von den EAUGuidelines mit einem Evidenzlevel 1a empfohlen. Es zeigt ein überzeugendes Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil in verschiedenen Populationen, z.B. Kindern ab vier Jahren, schwangeren und postmenopausalen Frauen sowie Patienten mit Wirbelsäulenverletzung, so das Fazit von PD Dr. Bonkat.

Anwendung von Fluorchinolonen

Seit Anfang 2019 gibt es den Durchführungsbeschluss von der EU-Kommission, dass Fluorchinolone wie Ciprofloxacin oder Levofloxacin aufgrund der verursachten Nebenwirkungen nicht mehr verschrieben werden sollen. Die EMA hat die Indikation für den Einsatz von Fluorchinolonen in folgenden Bereichen gestrichen: Prävention von rezidivierenden Harnwegsinfekten und antimikrobielle Prophylaxe vor chirurgischen und endourologischen Eingriffen. Die Swissmedic übernimmt die Vorgaben. Was bedeutet es aber für den behandelnden Arzt, wenn er die Substanzen bei diesen Indikationen trotzdem anwendet? Macht er sich im Schadensfall strafbar?

Die Swissmedic weist darauf hin, dass es sich um eine Off-label-Verschreibung handelt, die in der Verantwortung des verschreibenden Arztes liegt. Dieser muss also sicherstellen, dass er über eine ausreichende Deckung seiner Haftpflichtversicherung für allfällige Schäden beim Patienten verfügt. Meist wissen das die Ärzte aber nicht, da die Firmen die Indikationen einfach aus der Fachinformation streichen. «Sie werden also schnell alleingelassen, wenn hier etwas passiert», erklärte Dr. Bonkat. In den USA steigen seitdem die Haftungsfälle, denn Patienten und Rechtsvertreter sind aufgrund der Digitalisierung gut informiert.

Referenzen

* Satellitensymposium OM Pharma
1. Aziminia et al. Eur Urol Suppl 2018; 17(2);e327).