Medical Tribune
10. März 2020Mykotisches Aortenaneurysma

Wenn Bakterien die Gefässe angreifen

Wattwil – Salmonellosen sind im Allgemeinen kein Grund zur Panik: Sie verlaufen meist unauffällig und heilen folgenlos aus. Warnsignale ignorieren darf man aber trotzdem nicht.

3D-Darstellung von Salmonellenbakterien. Medizin-Konzept.
iStock / Getty Images Plus/urfinguss

Der Begriff mykotisches Aortenaneurysma geht auf die pilzartigen entzündlichen Gefässwandveränderungen zurück, die der Dilatation zugrunde liegen. Verursacht wird die Infektion aber durch Bakterien, nicht durch Pilze! Die häufigsten Auslöser sind Staphylococcus aureus und Salmonella spp.

Sereina Roffler von der Klinik für Allgemeine Innere Medizin am Spital Wattwil und ihre Kollegen beschreiben eine 90-Jährige, die wegen einer schwer verlaufenden Salmonellose mit Bakteriämie ins Spital kam. Obwohl sich der Allgemeinzustand der Dame unter Ciprofloxacin wieder besserte – sie befand sich bereits in der Anschluss-Reha – beklagte sie weiterhin eine deutliche Kraftlosigkeit.

Die Ärzte setzten aufgrund der hohen CRP- und Leukozyten-Werte bei gleichzeitig unauffälligem Röntgen- und Urinbefund eine Sonografie des Abdomens und eine CT an. Dabei fanden sie ein infrarenales Aortenaneurysma (5,7 x 5 cm) und stellten in Anbetracht des charakteristischen CT-Befundes die Diagnose «mykotisches Aneurysma».

Entscheid für einen offenen Eingriff

Bei etwa jedem Zehnten mit Salmonellen-Bakteriämie befallen die Erreger die Gefässwand und führen zu besagten Aneurysmen, schreiben die Autoren. Besonders hohe Gefahr laufen Ältere und Immunsupprimierte. Wenn also die Entzündungswerte trotz adäquater antibiotischer Therapie anhaltend hoch bleiben, besteht Abklärungsbedarf.

Als Therapie der Wahl gilt eigentlich die Kombination von Antibiotika und offener oder endovaskulärer Intervention (endovascular aneurysm repair; EVAR). Wegen des hohen Alters der Patientin und ihres stabil erscheinenden Zustands warteten die Kollegen zunächst ab und setzten auf die alleinige Antibiotika-Therapie. Ein solches Vorgehen ist bei hohem Operationsrisiko vertretbar; empfohlen wird in solchen Fällen eine Verlängerung der Antibiotika-Gabe auf vier bis sechs Wochen. Allerdings kann es passieren, dass das Aneurysma – und damit die Gefahr einer Ruptur – weiter wächst.

Bei der 90-Jährigen geschah es nach drei Tagen: Die Patientin klagte plötzlich über Bauchschmerzen nach dem Stuhlgang, die schliesslich in den Rücken ausstrahlten. Kontroll-Sonografie und -CT zeigten: Das Aneurysma war in der relativ kurzen Zeit auf über 6 cm gewachsen, es bestand akute Rupturgefahr.
Die Fachkollegen lehnten allerdings die EVAR ab. Letztendlich nahmen die Gefässchirurgen nach ausführlicher Aufklärung und Einwilligung der Dame den offenen Eingriff vor. Und der war auch dringend nötig: Die gesamte Vena cava zeigte sich bereits entzündlich verändert, Duodenum und Aorta «verbacken», das Aneurysma schon gedeckt rupturiert.

Die Operation verlief dennoch komplikationslos. Zwei Wochen später kehrte die Patientin in ihr altes selbstständiges Leben zu Hause zurück. Ciprofloxacin lief für insgesamt zwölf Wochen, danach stellten die Ärzte auf Cotrimoxazol um. Auch das konnte die Patientin nach weiteren sechs Monaten absetzen. Allein das chronologische Alter stellt also keine Kontraindikation für eine solche Operation dar, schliessen die Autoren – körperliche, kognitive und soziale Faktoren spielen eine ebenso grosse Rolle für ein Happy End.

Quelle:

Roffler S et al.
Swiss Med Forum 2020; 20: 57–60.