Medical Tribune
27. Feb. 2020Geschlechterdivergenz

Falsche Bescheidenheit

Wissenschaftlerinnen verdienen schlechter, werden seltener gefördert und machen auch seltener Karriere als ihre männlichen Kollegen. Ein Grund dafür: die zurückhaltende Selbstdarstellung.

Mann Frau skaliert Konzept mit männlichen und weiblichen Symbolen, wobei der Mann mehr wiegt
ChrisGorgio/iStock GettyImages

Je höher man in Universitäten die Karriereleiter hinaufschaut, desto seltener wird man Frauen entdecken. Geschlechter-Diskriminierung und Benachteiligung bei der Ressourcen-Verteilung galten bisher als die wichtigsten Ursachen. Anhand von 101 720 medizinischen Fachartikeln zeigten Forscher: Im Vergleich zu Männern verkaufen Frauen die eigenen Erfolge auch einfach schlechter.

Ein Team um Professor Dr. Marc J. Lerchenmueller von Universität Mannheim hat Titel und Abstracts der Publikationen nach 25 positiven Begriffen wie «neu», «einzigartig» oder «exzellent» abgesucht, mit denen Wissenschaftler ihr eigenes Werk einordneten. Waren Erst- und Letztautorin jeweils Frauen, konnten sie solches Selbstlob um 12,3 % seltener finden als bei männlichen Kollegen. Diese nannten mindestens eines dieser Attribute in 12,2 % der Artikel (vgl. 10,9 % bei Frauen).
Wurden nur Zeitschriften mit einem hohen Impact-Faktor ausgewertet, lag die Quote der Veröffentlichungen, in denen Wissenschaftlerinnen ihre Arbeit besonders positiv hervorhoben, sogar um 21,4 % niedriger. Ähnliche Tendenzen zeigten sich auch bei der Analyse von rund 6,2 Millionen Publikationen aus anderen naturwissenschaftlichen Bereichen.

«Unsere Ergebnisse sprechen dafür, dass Unterschiede bei der Eigenpromotion zu der Geschlechterdivergenz in der Wissenschaft beitragen können», schreiben die Autoren. Unter anderem weil die Forscherinnen dadurch weniger Aufmerksamkeit auf die eigenen Erfolge lenken. Dies wird sich, vermuten Prof. Lerchenmueller und seine Kollegen, nicht nur auf Veröffentlichungen beschränken, sondern gilt wahrscheinlich genauso für Präsentationen auf Konferenzen oder in den sozialen Medien.

Lerchenmueller MJ et al. BMJ 2019; 367: l6573.