Medical Tribune
3. Juni 2019

Desensibilisierung beim Hausarzt: Welche Allergiker sind geeignet?

DAVOS – In seinem Workshop am 58. Ärztekongress legte Professor Dr. Peter Schmid-Grendelmeier, Allergiestation, Dermatologische Klinik, UniversitätsSpital Zürich, grossen Wert auf eine sorgfältige Indikationsstellung. Nur wenn die richtigen Patienten mit dafür «qualifizierenden» Allergien desensibilisiert werden, rechnet sich der Aufwand und besteht Aussicht auf Erfolg. Denn bei der allergenspezifischen Immuntherapie handelt es sich um eine Massnahme, für die es ein umfassendes Know-how braucht.

Wenn bei einem Patienten eine allergische Rhinokonjunktivitis und leichtes Asthma diagnostiziert werden, kommen grundsätzlich verschiedene therapeutische Optionen in Frage. Als Königsweg bietet sich die Allergenkarenz an. Doch diese ist zum einen dann nicht möglich, wenn es sich um ein ubiquitäres Allergen handelt, dem man auf Dauer nicht ausweichen kann; auf der anderen Seite scheitert sie häufig, weil Betroffene nicht bereit sind, sich vom Allergieauslöser (meist das Haustier) zu trennen.

Medikamentöse Therapien sind­ durchaus erfolgversprechend, wenn die Medikamentenauswahl sich an den vorherrschenden Beschwerden (Augen und/oder Nase) orientiert und die Vorlieben des Patienten berücksichtigt, so Prof. Schmid-Grendelmeier. Folgend Optionen stehen zur Verfügung:

  • Kochsalzlösung nasal
  • antiallergische Augentropfen
  • nasale topische Steroide
  • orale, nichtsedierende Antihistaminika
  • Leukotrienrezeptor-Antagonisten
  • Pestwurzelextrakte (ab 12 Jahre).

Sind diese Massnahmen nicht ausreichend wirksam, kommt bei bestimmten Allergien eine allergenspezifische Immuntherapie in Frage. Nach eingehender Anamnese, klinischer Untersuchung und Nachweis einer spezifischen Sensibilisierung mittels Hauttests und/oder Bestimmung von spezifischem IgE und Ausschluss von Kontraindikationen (s. Kasten) kann eine Desensibilisierung erwogen werden.

Wenn sich bei einem Patienten der Verdacht auf eine allergische Rhinokonjunktivitis bzw. leichtes allergisches Asthma aufgrund der Abklärungsresultate bestätigt hat, kann mit der allergenspezifischen Immuntherapie begonnen werden. Die Erfolgschancen einer subkutanen Immuntherapie (SIT) sind bei den verschiedenen Allergien allerdings sehr unterschiedlich: Während die Erfolgsaussichten bei einer Schimmelpilzsporen-Allergien unter 20% liegen, können Insektengiftallergiker mit einer Erfolgsquote zwischen 80 und 98 % (Wespengift) rechnen. Bei Milbenallergikern sind es 60–80% und bei Pollenallergikern erfahrungsgemäss 20–85 %.

SCIT und SLIT haben Vor- und Nachteile

Abschliessend erläuterte Prof. Schmid-Grendelmeier noch die Vor- und Nachteile der subkutanen (SCIT) und der sublingualen (SLIT) allergenspezifischen Immuntherapie. Als Vorteile der SCIT nannte er die langjährige Erfahrung, die gute Evidenz und die Einbindung des Arztes, der die Injektionen terminiert und überwacht. Die Nachteile der zeitaufwändigen SCIT sind in den lokalen Nebenwirkungen der Injektion und im nicht zu unterschätzenden Zeitaufwand zu sehen. Jeder Patient muss für 30 Minuten nach der Injektion in der Praxis überwacht werden.

Die SLIT punktet mit weniger Nebenwirkungen und selteneren Arztbesuchen. Gesicherte Daten gibt es allerdings nur bei Kindern mit Gräserpollenallergie. Wichtig ist, dass die Tabletten regelmässig eingenommen werden.

Es zahlt sich aus, wenn man Pateinten, die Interesse an einer Desensibilisierung – für sich selbst oder ein Kind – bekunden, umfassend aufklärt und über Kosten, Aufwand und zu erwartenden Nutzen informiert.

Allergenspezifische Immuntherapie: Kontraindikationen
  • inadäquat behandeltes Asthma (FEV1 < 70 %)*
  • kardiovaskuläre Erkrankungen mit erhöhtem Risiko für Nebenwirkungen bei Behandlung mit Adrenalin (ausgenommen Hymenopterengift-Allergie)
  • schwere Autoimmunerkrankung
  • Aktive maligne Erkrankung
  • Behandlung mit Betablockern
  • insuffiziente Compliance
  • Schwangerschaft (Einleitungsphase).

*absolute Kontraindikation

 

*Veranstalter: Lunge Zürich