Medical Tribune
9. Juli 2015Elektrochemotherapie noch keine onkologische Standardtherapie

Strom angelegt bei Melanom-Metastasen

Die Elektrochemotherapie (ECT) ist zwar noch keine onkologische Standardtherapie, hat sich aber als ergänzende Therapieoption insbesondere in der Behandlung von Melanom-Hautmetastasen etabliert. Dabei werden über ein oder mehrere Zyklen Chemotherapeutika gegeben und gleichzeitig die Metastasen direkt mit Elektroimpulsen traktiert.

Primäres kutanes Melanom und In-Transit-Metastasierung

Professor Dr. Jürg Hafner, Dermatologische Klinik des UniversitätsSpitals Zürich, stellt die Methode an einem Fallbeispiel vor: Eine 40-jährige Frau entwickelte 2010 am lateralen Fussrand einen hautfarbenen knotigen, rasch wachsenden Hauttumor, der zunächst als Plantarwarze interpretiert und vom Hausarzt entfernt wurde. Histologisch entpuppte sich die Warze aber als ein primäres kutanes Melanom, in sano exzidiert.

Elektrochemotherapie: Wann indiziert?

Eingesetzt wird die ECT bisher vor allem zur Behandlung von lokoregionären Hautmetastasen beim Melanom, Mammakarzinom, Vulvakarzinom, bei kontinuierlich rezidivierenden HNO-Tumoren im Kopfbereich sowie beim Kaposisarkom.

Bei nicht resezierbaren Kolonkarzinom-Lebermetastasen wird die ECT am offenen Bauch durchgeführt. Neue Perspektiven ergeben sich auch in der Behandlung von neurooperativ nicht zugänglichen Gliom-Metastasen. Ansprechraten und Verträglichkeit sind meist gut, grössere und kontrollierte klinische Studien liegen allerdings noch nicht vor.

Das PET-CT-Ganzkörperstaging ergab keine Metastasen, die Lymphszintigraphie zeigte jedoch verdächtige inguinale Lymphknoten, in denen nach operativer Entfernung eine etwa 2 mm grosse Metastase und einzelne Krebszellen nachgewiesen wurden. Die Patientin erhielt dar­aufhin über zwei Jahre Interferon.

Ein halbes Jahr nach Therapie entwickelten sich dann am rechten medialen Unterschenkel vier In-Transit-Metastasen, die auf topisches Diphenylcyclopropenon nicht ansprachen – es kamen noch drei In-Transit-Metastasen dazu. In dieser Situation schlug Prof. Hafner die ECT vor, unter der die Metastasen in zwei Zyklen nekrotisch-ulzerös zerfielen und sich komplett zurückbildeten. Seitdem befindet sich die Patientin in einer vollständigen, per PET-CT gesicherten Remission.

Vollständige Remission bei jeder zweiten Metastase

Der eindrucksvolle Lokaleffekt der ECT basiert auf dem Vorgang der Elektroporation, bei der die Zellmembranen durch das Anlegen elektrischer Felder kurzfristig sehr durchlässig werden (Abb.). Hydrophile Chemotherapeutika, meist 
Bleomycin, seltener Cisplatin, strömen dann massiv in Metastasen- und auch gesunde Körperzellen ein, in denen sich die Therapeutika-Konzentration auf das bis zu 1000-Fache erhöht. Das bedeutet für praktisch alle Krebszellen den Tod. Lymphozyten und andere Zellen sind dagegen resistenter (Absterberate von rund 10 %).

Bei lokaler Chemotherapeutika-Infiltration der Metastase kann unmittelbar danach elektroporiert werden, bei systemischer Bolus-Applikation beträgt die Wartezeit etwa acht Minuten. Die Prozedur erfolgt je nach Tumorgrösse unter Allgemein- oder Regionalanästhesie.

Bei etwa 50 % der kutanen In-transit-Melanommetastasen induziert die ECT eine vollständige und bei 35 % eine Teilremission. "Unter guten Voraussetzungen – d.h. weniger als sieben Hautmetastasen mit einem Durchmesser von weniger als 2 cm – tritt schon nach einer Sitzung eine komplette lokale Remission ein.

Bei ungefähr der Hälfte der Patienten sind ein bis zwei weitere Sitzungen in einem Intervall von etwa vier Wochen nötig", erläutert er. Nach seiner Erfahrung bleiben die behandelten Hautareale bei einer kompletten Remission für etwa zwei Jahre rezidivfrei. Ob sich aber das Überleben durch die ECT verlängern lässt, ist noch nicht untersucht.

Quelle: Jürg Hafner et al., Swiss Medical Forum 2015; 15: 120-123