Medical Tribune
18. Feb. 2014

Windpocken bei Erwachsenen nicht unterschätzen

Der bisher völlig gesunden jungen Frau ging es bei der stationären Aufnahme sehr schlecht. Sie hatte hohes Fieber, einen deutlich reduzierten Allgemeinzustand und eine beginnende respiratorische Insuffizienz – zudem ein makulovesikuläres stammbetontes Exanthem. Im Verlauf musste sie intubiert und beatmet werden und entwickelte zudem ein Delir. Erst unter antibiotischer und antiviraler Therapie besserte sich ihr Zustand langsam wieder.

An Windpocken erkrankt 
man meist schon als Kind

Es stellte sich heraus, dass bei der Frau eine primäre Varizelleninfektion vorlag. Dies konnten Fabio Mondin und seine Kollegen vom Stadtspital Triemli in Zürich anhand des Varicella-zoster-Virus (VZV)-Nachweises (PCR) aus Bläschenflüssigkeit, Bronchialsekret und Liquor belegen – bei negativer VZV-Serologie. Damit war eine frühere Erkrankung ausgeschlossen.

Da Windpocken hochkontagiös sind, haben mehr als 95 % aller Erwachsenen die Erkrankung bereits als Kind durchgemacht. Wen es wie die junge Frau erst im Erwachsenenalter trifft, muss mit schwereren Verläufen und vermehrten Komplikationen rechnen. Dazu gehören z.B. Pneumonitis, Enzephalitis, Hepatitis und bakterielle Superinfektionen der Hauteffloreszenzen.

Varizellen: Direkter Virusnachweis bei schweren Verläufen

Die gefürchtete Varizellenpneumonie tritt nur sehr selten im Kindesalter, aber bei bis zu 20 % der betroffenen Erwachsenen auf. Zu unterschätzen ist die Pneumonitis nicht: Die Mortalität beträgt etwa 10 % – bei beatmungspflichtigen Verläufen steigt sie auf 30 %. Als Risikofaktoren für eine pulmonale Beteiligung gelten Rauchen, Schwangerschaft und Immunsuppression.

Die Diagnose der Varizellenpneumonie wird in der Regel klinisch anhand des typischen Ausschlags und der positiven Kontaktanamnese gestellt. Bei atypischen und sehr schweren Verläufen ist ein direkter Virus-DNA-Nachweis mittels PCR z.B. aus der Bläschenflüssigkeit indiziert. Röntgenologisch sieht man typischerweise diffuse, bilaterale interstitielle Infiltrate mit retikulonodulärer Komponente. Eine Serokonversion beweist die Varizellen-Infektion im Nachhinein.

Varizellen möglichst früh bekämpfen

Aufgrund der schweren Verläufe sollten alle Erwachsenen innerhalb von 24 Stunden nach Auftreten des Windpockenexanthems eine antivirale Behandlung erhalten. Bei einer Pneumonie wird eine Aciclovir-Therapie (mindestens eine Woche) empfohlen, sie sollte parenteral begonnen werden. Zur Vorbeugung einer bakteriellen Superinfektion werden die Hautläsionen trocken abgedeckt und Antihistaminika zur Unterdrückung des Juckreizes verordnet.

Zur Prophylaxe wird für Jugendliche und Erwachsene, die bis zum 40. Lebensjahr noch keine Windpocken gehabt haben, eine Varizellen-Impfung empfohlen. Die Impfung kann auch nach entsprechender Exposition angewandt werden. Bei Kontraindikationen gegen den Lebendimpfstoff – z.B. bei Schwangerschaft oder Immunsuppression – ist alternativ eine passive Immunisierung mit Anti-VZV-Immunglobulinen möglich.

Quelle: Fabio Mondin et al., Schweiz Med Forum 2013; 13 (50): 1041-43