Windpocken bei Erwachsenen nicht unterschätzen
Der bisher völlig gesunden jungen Frau ging es bei der stationären Aufnahme sehr schlecht. Sie hatte hohes Fieber, einen deutlich reduzierten Allgemeinzustand und eine beginnende respiratorische Insuffizienz – zudem ein makulovesikuläres stammbetontes Exanthem. Im Verlauf musste sie intubiert und beatmet werden und entwickelte zudem ein Delir. Erst unter antibiotischer und antiviraler Therapie besserte sich ihr Zustand langsam wieder.
       An Windpocken erkrankt 
man meist schon als Kind
     
       Es stellte sich heraus, dass bei der Frau eine primäre        Varizelleninfektion vorlag. Dies konnten Fabio Mondin und seine Kollegen        vom Stadtspital Triemli in Zürich anhand des Varicella-zoster-Virus        (VZV)-Nachweises (PCR) aus Bläschenflüssigkeit, Bronchialsekret und        Liquor belegen – bei negativer VZV-Serologie. Damit war eine frühere        Erkrankung ausgeschlossen.
Da Windpocken hochkontagiös sind, haben mehr als 95 % aller Erwachsenen        die Erkrankung bereits als Kind durchgemacht. Wen es wie die junge Frau        erst im Erwachsenenalter trifft, muss mit schwereren Verläufen und        vermehrten Komplikationen rechnen. Dazu gehören z.B. Pneumonitis,        Enzephalitis, Hepatitis und bakterielle Superinfektionen der        Hauteffloreszenzen.     
       Varizellen: Direkter Virusnachweis bei schweren Verläufen
     
       Die gefürchtete Varizellenpneumonie tritt nur sehr selten im        Kindesalter, aber bei bis zu 20 % der betroffenen Erwachsenen auf. Zu        unterschätzen ist die Pneumonitis nicht: Die Mortalität beträgt etwa        10 % – bei beatmungspflichtigen Verläufen steigt sie auf 30 %. Als        Risikofaktoren für eine pulmonale Beteiligung gelten Rauchen,        Schwangerschaft und Immunsuppression.
Die Diagnose der Varizellenpneumonie wird in der Regel klinisch anhand        des typischen Ausschlags und der positiven Kontaktanamnese gestellt. Bei        atypischen und sehr schweren Verläufen ist ein direkter        Virus-DNA-Nachweis mittels PCR z.B. aus der Bläschenflüssigkeit        indiziert. Röntgenologisch sieht man typischerweise diffuse, bilaterale        interstitielle Infiltrate mit retikulonodulärer Komponente. Eine        Serokonversion beweist die Varizellen-Infektion im Nachhinein.
Varizellen möglichst früh bekämpfen
Aufgrund        der schweren Verläufe sollten alle Erwachsenen innerhalb von 24 Stunden        nach Auftreten des Windpockenexanthems eine antivirale Behandlung        erhalten. Bei einer Pneumonie wird eine Aciclovir-Therapie (mindestens        eine Woche) empfohlen, sie sollte parenteral begonnen werden. Zur        Vorbeugung einer bakteriellen Superinfektion werden die Hautläsionen        trocken abgedeckt und Antihistaminika zur Unterdrückung des Juckreizes        verordnet.
Zur Prophylaxe wird für Jugendliche und Erwachsene, die        bis zum 40. Lebensjahr noch keine Windpocken gehabt haben, eine        Varizellen-Impfung empfohlen. Die Impfung kann auch nach entsprechender        Exposition angewandt werden. Bei Kontraindikationen gegen den        Lebendimpfstoff – z.B. bei Schwangerschaft oder Immunsuppression – ist        alternativ eine passive Immunisierung mit Anti-VZV-Immunglobulinen        möglich.
Quelle: Fabio Mondin et al., Schweiz Med Forum 2013; 13 (50): 1041-43