Medical Tribune
27. Jan. 2015

Reisediarrhö: Mehr Zurückhaltung mit Antibiotika!

Wer in ferne Länder reist, wird gern vorab mit Antibiotika zur Selbstmedikation gegen Reisediarrhö eingedeckt. Doch in der Mehrzahl der Fälle ist keine antibiotische Therapie notwendig. Auf die richtige reisemedizinische Beratung kommt es an!

Reisediarrhö vor allem in West- und Zentralasien

Jeder Zweite, der tropische oder subtropische Länder bereist, wird bei etwa drei- bis vierwöchiger Reisedauer von einer Durchfallepisode heimgesucht. Dies gilt insbesondere für Westasien und das südliche Zentralasien – Südamerika gehört eher nicht zu den Hochrisikogebieten.

Frauen erkranken signifikant häufiger, wie aus einer prospektiven reisemedizinischen Studie niederländischer Kollegen hervorgeht. Die Untersuchung wurde im Amsterdamer Gesundheitsamt durchgeführt. Rund 1200 immunkompetente Personen, die sich dort vor einer Reise in tropische und subtropische Regionen beraten lassen wollten, nahmen teil. Im Schnitt waren sie 38 Jahre alt.

Bei 40 Reisetagen zu 100 Prozent Durchfall?

Alle Studienteilnehmer wurden gebeten, einen Fragebogen auszufüllen und ein Reisetagebuch zu führen. Dabei sollten Stuhlgang (Strichlisten), etwaige Symptome, Selbstmedikation und Arztbesuche dokumentiert werden. Durchfallepisoden mit Blut- und Schleimabgang wurden als schwer eingestuft, so Professor Dr. Wolfgang Fleig vom Universitätsklinikum Leipzig.

Die Auswertungen dieser Daten zeigten, dass 38 % der ersten Diarrhö-Episoden in der ersten Reisewoche auftraten. Umgerechnet bedeutet das: Die Inzidenz für die erste Reisediarrhö beträgt 2,5 auf 100 Reisetage. Wer 40 Tage unterwegs ist, hat somit eine nahezu 100%ige Chance, von “Montezumas Rache” heimgesucht zu werden, kommentierte der Experte.

Statt Selbstmedikation Arzt 
im Zielland konsultieren

96 % der Diarrhöepisoden verliefen mild. Die mediane Durchfalldauer betrug zwei Tage, bei Folgeereignissen war sie signifikant kürzer. Im Studienkollektiv wurden 5 % der Diarrhöen mit Antibiotika behandelt, 92 % dieser Erkrankungen verliefen mild – somit hätte man sie nicht antibiotisch behandeln müssen, sagte der Gastroenterologe. Übrigens: In 53 % der Fälle hatten Betroffene ihr Arzneimittel ohne Rezept erworben.

Bei reisemedizinischen Beratungen sollte zu mehr Zurückhaltung mit Antibiotika aufgefordert werden, falls im Zielland eine Diarrhö auftritt. Dauert der Durchfall länger als drei bis vier Tage, scheint es eher ratsam, vor Ort einen Kollegen aufzusuchen, so Prof. Fleig. Die regional prävalenten Erreger liessen sich so besser berücksichtigen – 
und potente Antibiotika werden nicht unnötig “verschlissen”. Falls Reisen in abgelegene Gegenden ohne ärztliche Versorgung geplant sind, sei hingegen die Mitgabe von relevanten Mitteln zur Selbstmedikation sinnvoll.

Quelle: 7. DGIM-Internisten-Update-Seminar; Professor Dr. Wolfgang Fleig, Universitätsklinikum Leipzig