Bei genitalem Juckreiz an Lichen sclerosus denken!
Die entzündliche Hauterkrankung Lichen sclerosus (LS) tritt überwiegend am äusseren Genitale der Frau auf. Definiert ist der LS als Lymphozyten-vermitteltes, chronisches und lokalisiertes entzündliches Hautleiden. Die Ätiologie der Erkrankung ist weitgehend unklar.
Literaturangaben zufolge liegt das typische Erkrankungsalter in der Postmenopause – tatsächlich treten die ersten Symptome eines LS bei vielen Patientinnen aber schon Jahre früher auf, schreibt Privatdozent Dr. Andreas R. Günthert von der Universitäts-Frauenklinik am Inselspital Bern im "Schweizerischen Medizin-Forum".
Experten schätzen, dass die Prävalenz des LS bei Frauen, die in gynäkologischen Praxen betreut werden, etwa 1,7 % beträgt. In fast 30 % der Fälle geht der Lichen sclerosus mit Autoimmunerkrankungen wie Diabetes mellitus, perniziöser Anämie oder Autoimmunthyreoiditis einher.
Lichen sclerosus: Scham und Frust durch Fehldiagnose
Wie präsentiert sich das entzündliche Hautleiden klinisch? Im Frühstadium verursacht der LS oft nur geringe Veränderungen, etwa diskrete Pigmentveränderungen oder kleine hyperkeratotische Areale. Die Erkrankung verläuft in Schüben. Im Schub klagen die Frauen über Juckreiz, Brennen, Dyspareunie oder Wundgefühl nach dem Geschlechtsverkehr. Zwischen den Krankheitsschüben können jahrelange symptomfreie Intervalle liegen. Der LS führt bei den betroffenen Patientinnen zu Scham und Frust – besonders, wenn die Beschwerden wiederholt als genitale Infektion fehlinterpretiert wurden und die Behandlung keinen Erfolg zeigte.
Bleibt eine wirksame Therapie aus, führt der LS im Krankheitsverlauf zunehmend zu Purpura, Erosionen und juckreizbedingten Exkoriationen. Die Schamlippen verkleben miteinander, es kommt zu einer Phimose der Klitoris, und der Scheideneingang kann sich so verengen, dass Sex zur Qual oder sogar unmöglich wird.
Die Hautveränderungen greifen ggf. nach dorsal auch auf das Perineum und den Anus über. Für die betroffenen Frauen geht die Erkrankung mit einem dramatischen Verlust an Lebensqualität einher: Der Juckreiz ist quälend, die Funktion des äusseren Genitale wird zunehmend eingeschränkt und die Partnerschaft leidet – oder zerbricht sogar. Bleibt der Lichen sclerosus unbehandelt, gilt er zudem als Risikofaktor für die Entwicklung eines Plattenepithelkarzinoms der Vulva.
Diagnose des Lichen sclerosus ist eine Herausforderung
Etablierte Vorgehensweisen oder ein Screening zur LS-Früherkennung gibt es bisher nicht, obwohl regelmässige Termine beim Gynäkologen die ideale Voraussetzung dazu wären, so Dr. Günthert. Einen LS zu erkennen, ist nicht nur für den Kliniker, sondern auch für den Histopathologen eine Herausforderung. Zwar gilt die Biopsie als Goldstandard, doch fällt sie gerade im Frühstadium nicht selten falsch negativ aus.
Standardtherapie bei genitalem LS ist derzeit das topisch applizierte hochwirksame Kortikoid Clobetasolpropionat 0,05 %. Alternativ oder sekundär kann auch ein Immunmodulator (Pimecrolimus oder Tacrolimus) gegeben werden. Von älteren Behandlungsstrategien wie topischem Testosteron rät der Experte ab. Testosteron ist bei LS nur "gering wirksam", kann aber zu unangenehmen und teilweise irreversibel virilisierenden Nebenwirkungen führen. Auch vor chirurgischen Eingriffen – egal, ob mit Laser oder Skalpell – warnt der Kollege. Operative Interventionen können zu einer akuten Progredienz der Erkrankung führen und sollten Ausnahmefällen mit therapierefraktärer Funktionseinschränkung vorbehalten bleiben.
Progesteron für junge Patientinnen?
Besonders problematisch ist der LS, wenn er bei jungen Frauen auftritt, denn in dieser Altersgruppe kann die Erkrankung erhebliche Partnerschaftsprobleme verursachen. Einer Langzeittherapie mit Kortikoiden stehen gerade junge Frauen oft skeptisch gegenüber, zumal auch eine langfristige Kortikoidbehandlung trophische Störungen der Haut bewirken kann.
Möglicherweise profitieren jüngere Patientinnen mit Lichen sclerosus von einer topischen Progesteronbehandlung. Das Team um Dr. Günthert führt derzeit eine verblindete prospektive Therapiestudie mit prämenopausalen LS-Patientinnen durch, in der Progesteron mit dem derzeitigen Standard Clobetasolpropionat verglichen wird.
Quelle: Andreas R. Günthert, Schweiz Med Forum 2012; 12: 327-329