Medical Tribune
29. März 2023Die Gesundheit von Menschen, Tier und Natur hängen zusammen

One Health beantwortet offene Fragen der Medizin

Klimakrise, Pandemien, Antibiotikaresistenzen: Der Mensch, und damit auch die Medizin, steht jetzt vor brennenden Herausforderungen. Das Konzept der «One Health» verbindet die Gesundheit von Ökosystemen mit der modernen Medizin. Dadurch könnten künftige Gesundheitskrisen abgewendet oder bewältigt werden. Eine aktuelle renommierte Studie hat den Effekt dieses Ansatzes ausgelotet – mit Schweizer Beteiligung.

Durch One Health könnten Mensch, Tier und Ökosysteme geschont werden.
NikiLitov/gettyimages

Prof. Dr. Jakob Zinsstag ist Veterinärmediziner und Tropenmediziner, und fungiert als stellvertretender Leiter des Departments Epidemiology and Public Health des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Instituts (Swiss TPH) in Basel. Ende Januar 2023 hat er mit einem internationalen Forscherteam in einer Studie (1) überprüft, wie gut die Zusammenarbeit zwischen Veterinärmedizinern und Humanmedizinern in der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, der Weltorganisation für Tiergesundheit und der World Health Organisation (WHO) funktioniert.

Aktuelle Studie zeigt Evidenz der Anwendung von One Health bei Tropenkrankheiten

Prof. Zinsstag postuliert darin, dass der One-Health-Ansatzes sowohl die Gesundheit des Menschen als auch beim Tier erheblich verbessern könnte, und dabei auch die Integrität ihrer Ökosysteme erhalten könnte. «One-Health-Ansätze sind die effektivsten und nachhaltigsten Ansätze zur Prävention, Vorsorge, Früherkennung und Untersuchung von entstehenden Bedrohungen wie einer neuen Pandemie. Das sieht man besonders gut an der Bekämpfung sowohl von endemischen als auch von vernachlässigten Tropenkrankheiten.» Aber auch andere Probleme könnte die Gesellschaft besser lösen, wenn die One Health nun schrittweise Eingang in die Politik und die Medizin könnte. Dazu zählen Antibiotika-Resistenzen, Ernährungsunsicherheit und Klimawandel.

Das Konzept der One Health bringt die Human-, Veterinärmedizin und Umweltwissenschaften zusammen, mit dem Ziel, die öffentliche Gesundheit zu verbessern. Sie basiert darauf, sowohl die Tier- als auch die menschliche Gesundheit zu verbessern, wenn beide Disziplinen zusammenarbeiten. Gemäss der Weltgesundheitsorganisation sind die Hauptziele von One Health die Nahrungsmittelsicherheit, die Kontrolle von Zoonosen, sowie der Kampf gegen die Antibiotikaresistenzen.

Wichtig ist für Prof. Zinsstag, nicht gleich im ganz Grossen zu denken, sondern jede Gesellschaft zuerst ihre eigenen Hausaufgaben machen zu lassen. «Zuerst sollten die lokalen One-Health-Themen angegangen werden, bevor man sich auf aufkommende Risiken von globaler Bedeutung konzentriert.»

Revolutionärer Perspektivenwechsel nötig, auch aufgrund von Antibiotikaresistenzen

In der gleichen Ausgabe, in der auch Prof. Zinsstags Studie erschien, veröffentlichte das Magazin Lancet eine neue vierteilige Reihe zum Thema One Health und globaler Gesundheitssicherheit. Sie thematisiert unter anderem die Versorgung einer wachsenden Weltbevölkerung mit gesunder Ernährung aus nachhaltigen Lebensmitteln.

Teil der Lösung wäre, die Beziehung des Menschen zu Tieren von Grund auf zu ändern (2). Dabei wird berücksichtigt, dass in vielen Regionen Menschen gar nicht ohne Tierhaltung leben können. Dazu gehören etwa die Sahelzone, die Schweizer Berge, oder Zentralasien, erinnert Prof. Zinsstag.

Der graduelle Übergang von einer tierischen zu einer pflanzlichen Ernährung würde aber nicht nur der menschlichen Gesundheit, sondern auch der Gesundheit und dem Wohlbefinden der Tiere zugutekommen. Ein weiteres Beispiel, wo der One-Health-Ansatz relevant ist, sind Antibiotikaresistenzen: Schätzungsweise 1,2 Millionen Menschen starben im Jahr 2019 an antibiotikaresistenten bakteriellen Infektionen, und weitere 4,95 Millionen Todesfälle geschehen im weiteren Zusammenhang mit antimikrobiellen Resistenzen (3). Ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen wäre, etwa Antibiotika in der Tierzucht weitgehend einzuschränken – wiederum ein One-Health-Thema.

Besser auf Pandemien reagieren

Wie wichtig weltweit die One Health betrachtet wird, zeigen Unterschiede in der geografischen Verteilung. Die Netzwerke, die One Health zum Thema machen, sind sind grösstenteils in Ländern mit hohem Einkommen und somit hohen Ressourcen angesiedelt. Hier ist ein egalitärerer Ansatz gefragt, sagt Prof. Zinsstag. Keinesfalls dürfe man Länder mit niedrigem Einkommen bevormunden. «Die Forderung, Märkte zu schliessen, um eine aufkommende Zoonose zu stoppen, können etwa zwar technisch korrekt sein, aber wenn sie diejenigen nicht berücksichtigt, die ihren Lebensunterhalt mit diesen Märkten verdienen, wird One Health das Leben derer, die ihr angeblich wichtig sind, nur verschlechtern.»

Damit der Nutzen maximiert und erweitert werden kann, sollten die Aktionen auf nationaler, regionaler und globaler Ebene koordiniert werden, rät der Experte. «Unsere Analyse weist darauf hin, dass anfänglich möglicherweise höhere Investitionen zur Prävention notwendig sind, aber sich diese später rentieren werden.» Eine Möglichkeit wäre etwa, den One-Health-Ansatz in nationale Pläne zur Pandemieprävention aufzunehmen und zu budgetieren.

Die WHO, die Weltorganisation für Tiergesundheit, die Ernährung und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen leiten die technische Zusammenarbeit von One Health auf globaler Ebene. Sie haben den gemeinsamen Aktionsplan «One Health (2022 - 2026)» ins Leben gerufen, welcher darauf abzielt, einen Rahmen für die Integration von Systemen und Kapazitäten zu schaffen, damit die Welt gemeinsam Gesundheitsbedrohungen besser vorbeugen, vorhersagen, erkennen und darauf reagieren kann (4).

Referenzen

  1. Willett W et al. Food in the Anthropocene: the EAT-Lancet Commission on healthy diets from sustainable food systems. Lancet. 2019 Feb 2;393(10170):447-492. doi: 10.1016/S0140-6736(18)31788-4. Epub 2019 Jan 16. Erratum in: Lancet. 2019 Feb 9;393(10171):530. Erratum in: Lancet. 2019 Jun 29;393(10191):2590. Erratum in: Lancet. 2020 Feb 1;395(10221):338. Erratum in: Lancet. 2020 Oct 3;396(10256):e56. PMID: 30660336.
  2. UN Environment Programm (UNEP). One Health Joint Plan of Action (2022 - 2026). Stand Oktober 2022 (abgerufen am 19.02.2023).