Medical Tribune
28. Okt. 2022Neues Therapieverfahren bei COPD

Rheoplastie kann die Bronchienwand gezielt erneuern

Ende Juli führte PD Dr. Daniel Franzen, Departementsleiter Medizinische Disziplinen, Co-Chefarzt Pneumologie vom Spital Uster und Facharzt für Innere Medizin, Intensivmedizin und Pneumologie, erstmalig eine Rheoplastie durch. Er berichtet, welche Erfahrungen mit dem Verfahren bei Patienten mit chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen bisher gemacht wurden.

Forest in shape of lung, (3d render)
Eoneren/gettyimages

Bei der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) und der chronischen Bronchitis kommt es zu vermehrter Schleimbildung. Betroffene weisen dann meist starken Husten auf, bei dem der Schleim sich löst. Die Beeinträchtigung der Atemwege durch den Schleim kann aber auch zu Atemnot führen.

Das Prinzip der neuartigen Therapie der Rheoplastie besteht darin, die schleimbildenden Zellen abzutragen, und das Epithel zur Regeneration anzuregen.

Erneuerung der Bronchienwand mittels elektrischer Ablation

Aufbauend auf einer bereits optimierten medikamentösen Therapie ist das Ziel der Rheoplastie, nicht nur Symptome zu lindern, sondern auch das Risiko für Exazerbationen zu verringern, sowie die Lebensqualität und die Gesamtbehandlungsergebnisse zu verbessern.

Der Wirkmechanismus des Systems basiert auf der Einführung eines Katheters in die krankhaft veränderten Luftwege, der hochfrequente, nicht-thermische elektrische Pulse an das Atemwegepithel und die Schleimhaut aussendet. Diese gezielte Energiezufuhr bewirkt den Zelltod der erkrankten Schleimhaut, anschliessend regeneriert sich das Epithel wieder. Dieses Video demonstriert das Verfahren.

Der Eingriff wird unter Vollnarkose mittels eines Bronchoskops durchgeführt, es können Atemwegsdurchmesser von 3 mm bis 18 mm behandelt werden (1). «Durch die Erneuerung der Bronchienwand werden die übermässige Schleimbildung und Hustenreiz minimiert, die Lebensqualität der Patienten verbessert und ein Fortschreiten der Krankheit verhindert», berichtet Dr. Franzen. «Bei dem Verfahren besteht ein minimales Blutungsrisiko, ähnlich wie bei den gängigen Risiken einer tiefen Bronchoskopie.»

Behandlung bereits ab COPD-Stadium GOLD 1

Die bronchiale Rheoplastie kommt bei Patienten mit mittlerer bis schwerer chronischer Bronchitis mit oder ohne COPD (GOLD 1-3) zum Einsatz, bei denen die medikamentöse Therapie bereits ausgeschöpft ist, und die weiterhin eine signifikante Symptomatik und Einschränkung der Lebensqualität aufweisen. «Die Rheoplastie eignet sich bereits für Patienten mit einer COPD ab GOLD-Stadium 1A, da die Behandlung auf die chronisch, produktive Bronchitis, nicht auf die Obstruktion», erklärt Dr. Franzen. Das Maximum der Wirkung ist etwa sechs Wochen nach der Behandlung zu erwarten. «Manche Patienten berichten aber auch, dass es ihnen bereits direkt nach dem Eingriff besser ging.» Dennoch müssen die meisten Patienten nach der Behandlung auch weiterhin inhalative Medikamente anwenden.

Evidenz der Rheoplastie durch Studien bestätigt

Die Verbesserungen der krankheitsspezifischen Marker im Anschluss an die Behandlung wurden in einer Studie mit einer Nachbeobachtungszeit von zwölf Monaten bestätigt (1). Darin zeigte die Histologie eine statistisch signifikante Verbesserung der Becherzellhyperplasie nach Rejuvination (p<0,001).

Beobachtungsdaten zeigen zudem, dass die Verbesserungen hinsichtlich der Symptomatik der chronischen Bronchitis und der Lebensqualität der Patienten auch zwei Jahre nach der Behandlung noch bestehen. Die aktuell noch laufende Untersuchung soll diese Ergebnisse bestätigen (1). Darüber hinaus läuft ein europäisches Register, in welches 100 Patienten eingeschlossen werden sollen und das primär die Sicherheit des Systems und Auswirkungen auf die Lebensqualität der Patienten untersucht (2).

COPD in der Schweiz

In der Schweiz leiden rund 400.000 Menschen an einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) (3). Die COPD ist sehr oft die Folge von chronischem Nikotinkonsum: Jeder zweite Raucher weist im Alter über 40 Jahren bereits eine chronische Bronchitis auf, häufig eine Vorstufe der COPD (4). Neben den starken negativen Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen selbst stellt die COPD auch ein erhebliches Problem der öffentlichen Gesundheit dar. Weltweit verzeichnet die Erkrankung die fünfthöchste Krankheitslast, bei der Mortalität steht sie an dritter Stelle (5).

Die S3- und S2K-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) zur Diagnostik und Therapie von erwachsenen Patienten mit akutem und chronischem Husten unterscheidet zwischen chronischer (nicht obstruktiver) Bronchitis und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (chronic obstructive pulmonary disease = COPD). Die chronische (nicht obstruktive) Bronchitis ist gemäss der WHO-Definition: Husten und Auswurf an den meisten Tagen des Jahres, jedoch mindestens drei Monate lang in zwei aufeinander folgenden Jahren, falls weitere Erkrankungen, die Husten hervorrufen können, ausgeschlossen worden sind (6, 7). Die Einteilung der Krankheitsstadien der COPD erfolgt gemäss GOLD nach Schweregraden und Gruppen A, B, C und D (8):

Schweregrad nach FEV1 (nach
Bronchodilatation gemessen)
Kriterium für Obstruktion
FEV1 /FVC < LLN oder < 70 Prozent
IV (sehr schwer)FEV1 < 30 Prozent Soll
III (schwer)30 Prozent – 49 Prozent Soll
II (mittelgradig)50 Prozent – 79 Prozent Soll
I (leicht)FEV1 ≥ 80 Prozent Soll

Referenzen:

  1. Valipour A, et al. Bronchial Rheoplasty for Treatment of Chronic Bronchitis. Twelve-Month Results from a Multicenter Clinical Trial. Am J Respir Crit Care Med. 2020 Sep 1;202(5):681-689.
  2. Gala Therapeutics. Registry: The RheOx™ Bronchial Rheoplasty for the Treatment of Chronic Bronchitis CE-Mark Registry Study. RheOx European Post-Market Clinical Study. NCT04182841.
  3. Bundesamt für Gesundheit (BAG), Chronische Atemwegserkrankungen (abgerufen am 25.09.2022).
  4. Kardos P, et al. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin zur Diagnostik und Therapie von erwachsenen Patienten mit akutem und chronischem Husten. Pneumologie. 2010 Jun;64(6):336-73. German. doi: 10.1055/s-0029-1244083
  5. Kardos P, et al. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin zur Diagnostik und Therapie von erwachsenen Patienten mit Husten. Pneumologie (Stuttgart, Germany). 2019;73(3),S.143–180.
  6. Vogelmeier C, et al. Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD). Pneumologie. 2018 Apr;72(4):253-308. German. doi: 10.1055/s-0043-125031
  7. Vogelmeier C, et al. Leitlinie der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD). Pneumologie. 2007 May;61(5):e1-40. German. doi: 10.1055/s-2007-959200
  8. Robert Koch-Institut (RKI). Faktenblatt zu GEDA 2012 "Gesundheit in Deutschland aktuell 2012". Chronische Bronchitis.