Medical Tribune
6. Juli 2022Rheumatoide Arthritis

Neun neue Antikörper bei Patienten mit «seronegativer» RA

Bei der rheumatoiden Arthrtitis konnten in vergangenen Jahren mehrere neue immunologische Akteure identifiziert werden. Dazu zählen neue involvierte Serumantikörper genauso wie das Interleukin 40 und die Mastzelle.

Osteoklasten (rot) auf der Oberfläche eines ­Knochens (Illustration).

Seit Kurzem gibt es Hinweise darauf, dass die seronegative rheumatoide Arthritis (RA) womöglich gar nicht seronegativ ist. In einer grossen chinesischen Kohorte von Patienten mit ACPA-negativer RA konnten neun neue Antikörper identifiziert und durch Mikroarrays bestätigt werden, berichtete Professor Dr. Ulf Müller-Ladner von der Kerckhoff-Klinik Bad Nauheim (1, 2).

Womöglich gibt es Seropositivität ausserhalb von Rheumafaktor und ACPA

Zwei davon sind besonders relevant: Anti-PTX3, ein Immunglobulin gegen einen löslichen Rezeptor des angeborenen Immunsystems, und Anti-DUSP11, ein Antikörper gegen eine RNA-Phosphatase, die verschiedene Signalwege hemmt. Jeweils etwa ein Drittel der seronegativen RA-Patienten wies einen dieser beiden Antikörper auf. Kombiniert man sie, liegt ihre diagnostische Sensitivität für eine RA bei 38 Prozent, die Spezifität bei 89 Prozent, unabhängig vom ACPA-Status. Fazit von Prof. Müller-Ladner: Es gibt möglicherweise eine seropositive Welt ausserhalb von Rheumafaktor und ACPA.

In einer weiteren Studie begaben sich amerikanische Wissenschaftler auf die Suche nach Veränderungen im Serumproteom vor der klinischen Manifestation einer RA (3). Aus einer Kohorte von Verwandten ersten Grades indigener nordamerikanischer RA-Patienten konnten sie 17 Teilnehmer bis zum Beginn ihrer RA hinsichtlich ihrer Proteomsignaturen molekularbiologisch überwachen. Unabhängig vom Antikörperstatus zeigte sich bei diesen Personen eine prädiktive präklinische Signatur in den Serumproben – und zwar im Median schon 31 Monate vor dem Ausbruch der Erkrankung. Damit ist die Vorlaufstrecke der RA wohl länger als bisher vermutet. «Und irgendwann kippt es», sagte Prof. Müller-Ladner. Interessanterweise handelte es sich bei den vor Krankheitsausbruch entgleisten nicht um unbekannte oder exotische Proteine. Der klinisch manifesten RA ging die Aktivierung des Toll-like Rezeptors 2 sowie die Synthese von Tumornekrosefaktor und Interleukin-1 voraus. Also genau die Signatur, die man später mit TNF-Blockern und IL-1-Rezeptor-Antagonisten behandelt.

Ein neuer Player namens Interleukin-40

Ein neues Zytokin konnte Prof. Müller-Ladner ebenfalls vorstellen: Interleukin-40. Es ist an der humoralen Immunantwort und der B-Zell-Homöostase beteiligt. IL-40 kommt in Serum und Synovialflüssigkeit vor und ist assoziiert mit Interleukin-8 und dem Chemokin MIP-1alpha. Biologika wirken unterschiedlich auf die IL-40-Spiegel. So führten in einer Gruppe von RA-Patienten Rituximab und TNF-Blocker zu einer deutlichen Reduktion des DAS28. Parallel dazu sanken die Serumspiegel von IL-40 unter Rituximab, nicht aber unter dem TNF-Blocker. Mit IL-40 gibt es nun ein neues Markermolekül für die B-Zell-Aktivität, resümierte Prof. Müller-Ladner – auch wenn es noch nicht für die Klinik geeignet ist.

Spannende Erkenntnisse bringt auch die Mastzellforschung. Diese Zellen finden sich bei der RA zwar nur in relativ geringer Zahl in Synovialgewebe und -flüssigkeit, können aber im Zusammenspiel mit Interleukin-33 einigen Schaden anrichten. IL-33 stimuliert dabei nicht nur die Expression von Tryptase und Chymase in den Mastzellen. Es führt auch zu einer vermehrten Sekretion proinflam­matorischer und matrixabbauender Zytokine wie TNF, IL-1 und IL-17.

Bei hohen Konzentrationen stimuliert IL-33 auch Osteoklasten. Diese fangen dann an, den Knochen zu zerstören. Auf diese Weise greift IL-33 direkt in den entzündlichen Knochenstoffwechsel ein, erklärte Prof. Müller-Ladner. IL-33-Antikörper könnten deshalb in der Therapie rheumatischer Erkrankungen durchaus eine Rolle spielen.

Referenzen
  1. 17. Rheumatologie-Update-Seminar, 25. - 26.März 2022, Mainz, Deutschland
  2. Li K et al. Novel autoantibodies identified in ACPA-negative rheumatoid arthritis. Ann Rheum Dis. 2021 Jun;80(6):739-747. doi: 10.1136/annrheumdis-2020-218460. 
  3. O'Neil LJ et al. Association of a Serum Protein Signature With Rheumatoid Arthritis Development. Arthritis Rheumatol. 2021 Jan;73(1):78-88. doi: 10.1002/art.41483.