Medical Tribune
15. Sept. 2021Zeitbombe im Kopf

Wie lässt sich bei intrakraniellen Aneurysmen die Subarachnoidalblutung verhindern?

Aneurysma in der Halsschlagader einer 28-jährigen Patientin in 2D- und 3D-Darstellung.

Intrakranielle Aneurysmen werden immer häufiger als Zufallsbefund entdeckt. Eine präventive Therapie kann Blutungen verhindern, aber mit dem Risiko einer bleibenden Behinderung. Die Frage ist, wer profitiert.

Die meisten arteriellen Gefässaussackungen verursachen keine Symptome. Wenn doch, handelt es sich häufig um unspezifische Beschwerden wie Kopfschmerz und Schwindel. Je nach Lage und Grösse kann es aber auch zu Sehstörungen, epileptischen Anfällen oder eine Hemiparese kommen, schreibt das Team um Dr. Rabih Tawk von der Neurochirurgie an der Mayo Clinic in Jacksonville.

Zu den Risikofaktoren für ein Wachstum des Aneurysmas zählen weibliches Geschlecht, Hypertonie und Nikotinabusus, aber auch ein initial grosser Umfang oder eine Lokalisation im posterioren Circulus arteriosus cerebri. Ein Aneurysma-Screening bleibt bisher meist Patienten mit familiärer Belastung (s. Kasten) vorbehalten. Empfohlen wird eine erneute bildgebende Untersuchung sechs bis zwölf Monate nach Detektion. Anschliessend genügen bei stabilem Befund zunächst jährliche Kontrollen, später alle zwei bis fünf Jahre.

Im Fall einer Grössenzunahme sollte eine präventive Sanierung des Aneurysmas erwogen werden. Sie kann eine Ruptur verhindern, es besteht aber die Gefahr, dass die Patienten die Intervention nicht überleben oder eine bleibende Behinderung zurückbehalten. Manche sind danach nicht mehr in der Lage, ihren Beruf auszuüben. Bei der Entscheidung für oder gegen eine prophylaktische Behandlung sollten u.a. das Alter, der Allgemeinzustand und die Aneurysmalokalisation berücksichtigt werden.

Bei diesen Erbkrankheiten auf ein Aneurysma screenen

  • arteriovenöse Malformationen
  • fibromuskuläre Dysplasie
  • Aortenisthmusstenose
  • Marfansyndrom
  • Ehlers-Danlos-Syndrom Typ IV
  • autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung
  • familiärer Hyperaldosteronismus Typ 1
  • Sichelzellanämie
  • Moyamoya

Gewollte Thrombose mit Platinspirale

Die Behandlung kann interventionell oder operativ erfolgen. Beim mikrochirurgischen Clipping wird das Aneurysma nach einer offenen Kraniotomie durch Abklemmen ausgeschaltet. In mehr als 90 % der Fälle gelingt dadurch eine komplette Obliteration. Die endovaskuläre Therapie erfolgt am häufigsten mittels Coiling: Dabei werden Platinspiralen in die Gefässausstülpung vorgeschoben, sodass diese thrombosiert. Daneben gibt es noch weitere Verfahren, die sich z.B. für grössere Exemplare oder solche mit weitem Hals eignen (s. Kasten). Inzwischen werden intrakranielle Aneurysmen zunehmend kathetergestützt behandelt. Diese endovaskuläre Sanierung ist zwar mit einer höheren Rezidivrate behaftet, aber hinsichtlich des Invaliditätsrisikos und anderer Komplikationen der Operation überlegen.

Patienten, die weder eine familiäre Belastung noch Symptome aufweisen, kann man in den meisten Fällen konservativ behandeln. Ihr Risiko für unerwünschte Folgen der Therapie liegt höher als die Rupturgefahr in den nächsten fünf Jahren. Prognostisch grösste Bedeutung hat die Kontrolle der Risikofaktoren, also Nikotinkarenz (auch Passivrauchen) und im Fall einer Hypertonie die konsequente Blutdruckeinstellung auf normotensive Werte. Aerobes Training und Kontaktsportarten sind erlaubt, ebenso Kaffeetrinken und Sex. Um eine Blutung zu vermeiden, müsste selbst ein Patient mit grossem Aneurysma (> 7 mm) auf 670 000 Tassen Kaffee und 64 000 Mal Geschlechtsverkehr verzichten, rechnen die Autoren.

Die gefürchtete Folge einer intrakraniellen Aneurysmaruptur ist die nach wie vor mit einer hohen Mortalität verbundene Subarachnoidalblutung (SAB). Eine frühzeitige Diagnose kann Leben retten. Als wichtigstes Symptom gilt der Donnerschlag- oder Vernichtungskopfschmerz, mit dem sich die SAB bei etwa der Hälfte der Betroffenen manifestiert. Die Cephalgie setzt unvermittelt ein und steigert sich innerhalb von weniger als einer Minute zu maximaler Intensität. Zusätzlich kommt es oft zu Bewusstseinsverlust, Übelkeit, Erbrechen, Photophobie und Nackenschmerzen. Deshalb sollte bei neu aufgetretenen Kopfschmerzen mit diesen Red-Flag-Signalen immer eine Hämorrhagie ausgeschlossen werden. Wenn SAB-Patienten z.B. wegen weniger stark ausgeprägten Beschwerden keinen Arzt aufsuchen oder dieser ihre Beschwerden falsch einordnet, droht rasch eine potenziell tödliche Rezidivblutung.

Die Diagnose lässt sich in der Regel leicht im CT stellen, therapeutisch steht die respiratorische und hämodynamische Stabilisierung an erster Stelle – einschliesslich Blutdruckkontrolle (< 160 mmHg systolisch). Danach sollte das Aneurysma so schnell wie möglich obliteriert werden. Erneute Hämorrhagien treten meist innerhalb der ersten 72 Stunden nach dem primären Ereignis auf und sind der Hauptgrund für einen mangelnden Therapieerfolg.

Optionen für die endovaskuläre Therapie

Coiling: Thrombosierung des Aneurysmas mit Einführen einer Spirale.

Ballon- bzw. stentassistiertes Coiling: Für Aneurysmen mit weitem Hals. Der Stent bzw. Ballon in der Ausgangsarterie verhindert die Protrusion der Spirale mit Thrombosierung und Schlaganfall.

Flow-Diversion-Device: Option für grosse und weithalsige Aussackungen. Selbstexpandierender Stent in der Ausgangsarterie, der das Aneurysma von der Blutversorgung abschneidet.

Rupturiertes Aneurysma ohne Skalpell flicken

Dank der neuen Techniken und Devices können die meisten Patienten mit rupturiertem Aneurysma heute endovaskulär behandelt werden. Eine Ausnahme bilden z.B. Wandveränderungen mit weitem Hals, die sich für ein ballonassistiertes Coiling nicht eignen. Zwar käme dann theoretisch ein stentassistiertes Coiling infrage, was sich aber in dieser Situation aufgrund der dafür notwendigen dualen Plättchenhemmung meist verbietet. Auch Patienten mit Begleithämatomen können oft nur chirurgisch behandelt werden.

Tawk RG et al. Mayo Clinic Proc 2021; 96: 1970-2000; doi: 10.1016/j.mayocp.2021.01.005.