Medical Tribune
9. Juli 2019Online-Helfer abseits von Google

So gehen seltene Krankheiten ins Netz

Ganze 8000 seltene Erkrankungen sind bislang bekannt. Ohne Kollege Computer würde die schiere Masse jeden Arzt erschlagen. Nutzen Sie spezielle Webseiten, wenn Sie auf ein ungewöhnliches Sym­ptom oder einen seltsamen Symptomkomplex stossen.

Viele Menschen die sich vernetzen
iStock/imaginima

Der «Harrison» beschäftigt sich mit ca. 750 Krankheiten. Für das medizinische Staatsexamen muss man seinen Wissensspeicher mit etwa 950 Erkrankungsbildern füllen, was bereits manchen überfordert. Eindeutig überschritten wird jedoch die kognitive Kapazität durch die bislang bekannten rund 8000 Orphan Diseases. Was also kann der Arzt tun, wenn ihm ein ungewöhnliches Symptom oder ein unbekannter Symptomkomplex begegnet?

Google-Bildersuche kann nützlich sein

Dr. Google zu bemühen, ist nicht gerade die beste Idee, meinte der Informatiker und Mediziner Dr. Tobias Müller vom Zentrum für unerkannte und seltene Erkrankungen (ZusE) in Marburg. Denn Google ist ein Universalindex mit ca. 54 Billionen Webseiten. Suchergebnisse mit vielen Klicks werden bevorzugt dargestellt. Je mehr Seiten auf die Webseite X verweisen, umso prominenter wird diese im Ranking präsentiert. Auch kommerzielle Interessen spielen bei Google eine Rolle, und stets muss mit Fake News gerechnet werden, warnte der Kollege. Dennoch: Google ist nicht in allem schlecht. Die Suchmaschine birgt einem enormen Schatz an Bildern, der durchaus für die Diagnostik unbekannter Symptome gehoben werden kann.

Gerade was die seltenen Erkrankungen betrifft, gibt es aber Besseres. Zum Beispiel «FindZebra». Im Index dieser Suchmaschine finden sich ausschliesslich Dokumente zu seltenen Erkrankungen. Die Suche wird präziser, «das Rauschen verringert sich», erläuterte Dr. Müller und präsentierte den Fall eines 28-Jährigen mit beidseitigem Spontanpneumothorax, der bis dato völlig gesund erschienen war. Während man bei der Google-Suche kaum Informationen über mit einem Spontanpneu assoziierte Erkrankungen fand, bot ­FindZebra sehr viel mehr an. Unter anderem an sechster Stelle das Krankheitsbild, an dem der junge Mann letztlich litt: das Birt-Hogg-Dubé-Syndrom. Dabei handelt es sich um einen genetisch bedingten Defekt im Follikulin-Gen, der mit Lungenzysten (bei Ruptur Pneumothorax), Fibrofollikulomen und Nierenzellkarzinom einhergeht.

App vergleicht auffällige Gesichtszüge von Kindern

Ein Tool, das man bei phänotypischen Auffälligkeiten, z.B. einem verkürzten Finger, sehr gut nutzen kann, ist der «Phenomizer». Es wurde an der Berliner Charité entwickelt. Man gibt das oder die beobachteten Symptome ein und erhält eine Liste von Differenzialdiagnosen.

Vor allem in der Pädiatrie kann man auf die App «Face2Gene» zurückgreifen. Sie vergleicht die auffälligen Gesichtszüge des Patienten mit denen von Kranken mit bereits gesicherter Diagnose und bietet automatisch Differenzialdiagnosen an, denen dann natürlich weiter nachgegangen werden muss. Allerdings ist der Missbrauch einer solchen Technologie z.B. durch potenzielle Arbeitgeber oder via Facebook keinesfalls ausgeschlossen, betonte Dr. Müller. Und das werfe ethische Implikationen auf.

Den Rare Diseases online auf der Spur

Face2Gene

FindZebra

Genetic and Rare Diseases Information Center (GARD)

Genetics Home Reference

National Organization for Rare Disorders (NORD®)

Online Mendelian Inheritance in Man® (OMIM®)

Orphanet

Swedish National Board of Health and Welfare

The Phenomizer  

125. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin