Medical Tribune
1. Feb. 2019

Augentropfen sind echte Medikamente

Mit Glaukom-Therapeutika kann vieles schiefgehen.

Die Glaukom-Therapie birgt etliche Klippen, die kenntnisreich umschifft werden wollen. Über mögliche Interaktionen der Augentropfen mit anderen Medikamenten und Kon­traindikationen sollten auch Sie als Hausarzt Bescheid wissen.

An erster Stelle der Glaukomtherapie steht nach wie vor die medikamentöse Senkung des Augen­innendrucks. Sie wird im Allgemeinen als Monotherapie begonnen. Nur bei sehr hohen Druckwerten ist bereits initial eine Kombination der Medikamente im Off-Label-Einsatz indiziert. Probleme mit der «Tropfenbehandlung» entstehen im Alltag vor allem durch die mangelnde Beachtung von lokalen und systemischen Wechselwirkungen.

Damit es nicht dazu kommt, erhebt der Ophthalmologe vor jeder medikamentösen Glaukom-Behandlung eine Anamnese, die die Allgemeinerkrankungen und systemischen Therapien des Patienten umfasst. Ein besonderes Augenmerk richtet er dabei auf die bei Glaukom-Patienten häufigen Begleiterkrankungen: Rund die Hälfte hat eine Hypertonie, bis zu einem Drittel leiden an einem Diabetes mellitus und ebenso viele haben eine Fettstoffwechselstörung.

Eine Missachtung der Begleit-erkrankungen kann zu erheblichen Problemen führen, warnen
Professor Dr. Carl Erb, Augenklinik am Wittenbergplatz, Berlin, und Professor Dr. Burkhard Weisser vom Institut für Sportwissenschaft der Universität Kiel. Zwar diffundiert nur etwa 1 Prozent des als Tropfen applizierten Wirkstoffes ins Augeninnere, ein wesentlich grösserer Teil wird aber über die Nasenschleimhaut aufgenommen und sorgt so für erstaunlich hohe Plasmaspiegel. Bei Betablockern entspricht diese Menge z.B. einer 10-mg-Tablette Propranolol.

Effekte auf Blutdruck, Zucker Fette, Herz und Lunge

Entsprechend bestehen zahlreiche Anwendungsbeschränkungen: So empfehlen die Autoren, bei Patienten mit Diabetes betablockerhaltige Augentropfen zu vermeiden, denn sie können eine akute Hypoglykämie verstärken, die hypoglykämischen Symptome maskieren und die bei Glaukom-Patienten ohnehin schon erhöhte Sturzgefahr noch weiter steigern. Auch bei Adipositas wird von okulären Betablockern wegen ungünstiger Effekte auf Lipolyse und HDL-Cholesterin abgeraten.

Den blutdrucksenkenden Effekt der Antiglaukomatosa gilt es ebenfalls zu beachten, wobei die selektiven Alpha-2-Agonisten stärker wirken als die Betablocker. In Kombination mit einer vorbestehenden antihypertensiven Therapie kann es zu nächtlichen Blutdruckabfällen kommen, die das Risiko für eine Glaukom-Progression erhöhen. Zum Ausschluss nächtlicher diastolischer Werte < 50 mmHg empfehlen die Autoren ein 24-Stunden-Blutdruckprofil zwei bis drei Monate nach Therapiebeginn.

Blaue Augen werden irreversibel braun

In der Praxis oft nicht beachtet werden die absoluten Kontraindikationen der Antiglaukomatosa. So dürfen lokale Betablocker bei Asthma bronchiale und schwerer COPD nicht angewendet werden. Gleiches gilt für kardiale Erkrankungen wie Sinusbradykardie, AV-Block 2. und 3. Grades und dekompensierte Herzinsuffizienz. Clonidinhaltige Tropfen sind z.B. bei orthostatischer Hypotonie, Bradykardie, KHK und Sinusknotensyndrom tabu.

Mit lokalem Brimonidin behandelte Patienten müssen auf trizyklische Antidepressiva und Monoamino­oxidase-Hemmer verzichten. Auch okuläre Kontraindikationen gilt es zu beachten. So dürfen Betablocker nicht bei schweren Hornhautdystrophien appliziert werden und Cholinergika nicht bei malignem Glaukom.

Vor der Verordnung von Augentropfen sollte der Ophthalmologe den Patienten insbesondere über mögliche Anwendungsbeschränkungen aufgeklärt haben. Bei Kindern müssen die Eltern wissen, dass Prostaglandin-F2-alpha-Agonisten blaue Augen irreversibel braun färben. Ausserdem sollte der Patient vom Kollegen einen Medikamentenplan mitbekommen, der genau aufführt, wann und in welchem Abstand er die Augentropfen zu applizieren hat.

Auch die gründliche Einweisung in die Applikationstechnik ist wichtig. Das Öffnen der Tropfflasche bzw. der Einzeldosisbehältnisse sollte mindestens einmal gezeigt worden sein. Bei unkonservierten Tropfen sollte der Patient wissen, dass die Flaschenspitze nicht das Auge berühren darf.

Ach, das ist ein Medikament?
Fragen Sie bei der Anamnese gezielt nach Augentropfen! Viele Patienten geben die lokale Glaukom-Therapie von sich aus nicht an, weil sie die Tropfen nicht für ein Medikament halten. Andere bemerken zwar systemische Beschwerden, bringen diese aber nicht mit dem Präparat in Zusammenhang

 

Quelle: Erb C, Weisser B., Z prakt Augenheilkd 2018; 39: 568–574.