Medical Tribune
6. Apr. 2017

24-Stunden-Vorbestellung war gestern, mehr Wahlfreiheiten für Patienten

BASEL – Fixe Essenszeiten und 24-h-Vorbestellungen für Menus gehören im Universitätsspital Basel (USB) bald der Vergangenheit an. Als erste Institution dieser Branche in der Schweiz stellt das USB seine Verpflegungsabläufe radikal um. Ein nennenswerter Teil der gas­tronomischen Leistungen soll in Zukunft auf den Stationen erbracht werden. Begründet werden die Veränderungen vor allem mit den gestiegenen Ansprüchen von Patientinnen und Patienten und den höheren Qualitätsanforderungen des Spitals an seine Hotelleriedienstleistung. Das Timing für die auf 26 Millionen Franken bezifferten Investitionen ist laut den Verantwortlichen ideal, weil die Spitalküche ohnehin saniert werden müsse.
«Basel tickt anders»: Dieser Slogan des Stadtmarketings gilt neuerdings auch für das Universitätsspital Basel. Als schweizweit erste Institution der Branche führt dieses Spital ein neues Gastronomie-Konzept ein, dessen Eckpfeiler heissen: Abkehr von fixen Essenszeiten und 24-Stunden-Vorbestellungsanforderungen, Vergrös­serung des Menuangebotes, stärkere Dezentralisierung bei den Abläufen sowie eine andere Form der Aufbereitung von Mahlzeiten.  

Die erste Testphase ist nach Angaben von Manfred Roth ausgesprochen erfolgreich verlaufen. Das Echo bei den Patienten sei sehr gut gewesen, sagt der Leiter Hotellerie und Gastronomie im Gespräch mit Hospital Tribune. Quasi zum Beweis präsentiert ein Koch auf dem Tablett gleich ein paar Menus, die sich visuell effektiv sehen lassen dürfen. Schmecken täten sie auch, ergänzt Roth, der zusammen mit Martine Fehr die operative Hauptverantwortung für die Umstellung trägt. Logistisch und personell gilt es noch einige Aufgaben zu bewältigen. Insgesamt 22 Stationen müssen auf die neuen Bedürfnisse ausgerichtet, Abläufe noch perfektioniert und Personal auf die neuen Herausforderungen hin geschult werden. 

Zentral bleibt die Herstellung der Gerichte in der Grossküche. Neu werden die Mahlzeiten aber danach pasteurisiert, mit einem Schutzgas luftdicht in Schalen verpackt, gekühlt gelagert und kontinuierlich auf Bestellung an die Stationen geliefert. Erst kurz vor dem Verzehr wird das Essen dort per Mikrowelle aufbereitet. «Micro-Past» nennt sich diese Methode, die bis jetzt zwar nicht in Spitälern, aber durchaus in zahlreichen Restaurants angewendet wird. 
Flexibler reagieren

Ein Kartenbüro, das Bestellungen entgegennimmt und sortiert, wird es in Zukunft nicht mehr geben. Stattdessen werden die einzelnen Stationen mit Essen versorgt. «Das hat den Vorteil, dass viel flexibler auf Bedürfnisse und individuelle Situationen reagiert werden kann», erklärt Roth. Wenn z. B. eine Arztvisite länger als vorgesehen dauere, müsse ein Essen nicht während längerer Zeit für eine Patientin warmgehalten werden. Stattdessen könne das Hotelleriepersonal das Menu kurz vor dem Verzehr aufbereiten. 

Zudem gäbe es weniger Lebensmittelabfälle. Wenn ein Patient keinen Hunger verspüre und nichts konsumieren möchte, das Essen aber schon bereitstehe, müsse das Essen entsorgt werden. Die Hygienerichtlinien schrieben das so vor. Besonders beim Frühstück sei der Ausfall relativ gross. 

Schnödende Stimmen der Konkurrenz sind trotzdem bereits ansatzweise zu hören: «Wir wärmen unsere Menus nicht im Mikrowellenherd auf», sagte jemand aus einem anderen Spital gegenüber Hospital Tribune. Manfred Roth vom Unispital gibt Gegensteuer. Es sei viel sinnvoller, das Essen für kurze Zeit aufzuwärmen, als es längere Zeit warmzuhalten. Nährstoffe und Vita­mine liessen sich dank den neuen Verfahren besser erhalten, während sie beim Warmhalten schneller verloren gingen. Dank dem neuen Prozess seien die Essen zudem weitaus länger – Roth spricht von bis zu vier Wochen – haltbar. Beabsichtigt wird aber ein früherer Verzehr. 
Spezielles Hotelleriepersonal

Die Verteilung der Essen soll von den Stationen aus von speziell gekennzeichnetem und ausgebildetem Hotelleriepersonal durchgeführt werden. Das Pflegepersonal wird damit von dieser Aufgabe entlastet. Schnittstellen zwischen Pflege und Hotellerie, etwa wenn einem Patienten das Essen eingegeben werden muss, gelte es noch zu spezifizieren. 

Neu organisiert wird auch der Abwasch: Heute bestehe ein Essens-Set aus elf Teilen und wiege rund sechs Kilo, macht Roth klar. Neu werde man mit vier Teilen und einem um 60 % reduzierten Gewicht haushalten können. Zudem spart das Spital Transportkosten, weil das Geschirr neu auf den einzelnen Stationen gewaschen wird. Apropos Sparen: Weil Herstellung und Konsum nicht mehr deckungsgleich sein müssen, wird in der Grossküche zukünftig nur noch an den Werktagen gearbeitet. Damit lässt sich Personal reduzieren, das u. a. auf den Stationen neu eingesetzt werden könne. Entlassungen der Belegschaft (rund 110 Mitarbeitende) werde es keine geben. 

Man habe sich durchaus Gedanken gemacht, alle Menus extern herzustellen, sagt Roth. In Deutschland und Frankreich sei das teilweise bereits der Fall. Das Universitätsspital Basel ist von dieser Idee dann aber wieder abgerückt, weil man auf Koch-Spezialisten im eigenen Haus Wert lege. Roth erinnert an die ganze Diätküche mit ihren speziellen Anforderungen. 

Die Patienten können neu unter 23 verschiedenen Menus auswählen. Gibt es im Hotelleriebereich überhaupt noch eine nennenswerte Differenzierung zwischen den Versicherungsklassen? Die Verantwortlichen bejahen diese Frage. Halbprivat- und Privatversicherte sollen «noch aufmerksamer durch die Hotellerie-Mitarbeitenden bedient werden». Zusatzversicherten stehe auch ein erweitertes Frühstücks- und Getränkeangebot zur Verfügung. Inbegriffen seien ebenso Kaffee und Kuchen am Nachmittag, Feinschmeckermenus und spezielle Desserts. «Und auch die Zimmer für Zusatzversicherte sind hochwertiger eingerichtet», ergänzen die Gesprächspartner.
Immer höhere Erwartungen

Per Saldo lässt sich das Fazit ziehen: Während in anderen Ländern die Angehörigen den Patienten teilweise das Essen ins Spital selbst mitbringen müssen, geht man im Universitätsspital Basel den umgekehrten Weg: Die Patienten werden noch stärker als bislang verwöhnt. Die Patienten hätten eben immer höhere Erwartungen (auch) an die Hotellerie, begründet Roth die Umstellung. Das Universitätsspital Basel will zudem die Chance nützen, sich im Wettbewerb besser zu positionieren. Der Zeitpunkt sei günstig, weil bei der Grossküche eine grössere Sanierung bevorsteht. 

Das gesamte Investitionsvolumen beträgt 26 Millionen Franken. Der Ausbau erfolgt jetzt step by step. Die bisherigen Teeküchen verwandeln sich sukzessive in «Stationsoffices». Mit dem Küchenumbau wird im April 2017 gestartet. Bis im Sommer 2018 will das Unispital auf das neue Konzept umgestellt haben. 
Guten Appetit!