Medical Tribune
18. Jan. 2016Nierenschäden

Die Niere von Diabetikern im Blick behalten

Diabetikern droht nicht nur eine Nephropathie als direkte Folge der Stoffwechselstörung, sondern auch Nierenschäden durch Hochdruck oder als ganz und gar eigenständige Leiden.

Die frühe diabetische Nephropathie (DNP) mit Albuminurie oder Proteinurie lässt sich durch strikte Blutzucker- und Blutdruckkontrollen vermeiden oder teilweise langfristig noch umkehren, heisst es in der aktuellen Nationalen Versorgungsleitlinie*.

Albumin-Kreatinin-Quotient zum Screening verwenden

Albumin im Urin kann aber genauso gut auf andere Nierenveränderungen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen hindeuten. Die Kombination von Albuminurie und renalem Funktionsverlust stellt einen unabhängigen Risikomarker für kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität dar und kennzeichnet Diabetiker als Hochrisikogruppe.

Verschiedene Befundkonstellationen erlauben die Abschätzung, ob eine diabetische Nephropathie vorliegt (s. Tabelle). Da glomeruläre Filtrationsrate (GFR) und Albuminurie durch eine Blockade des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems beeinflusst werden, sollte die Klassifikation (DNP ja oder nein?) vor einer möglichen Therapie erfolgen.

Diabetische Nephropathie (DNP) ja oder nein?
GFR (ml/min/1,73 m2 KOF)

Stadium der chronischen Niereninsuffizienz

Normal­buminurie

Mikroal­buminurie

(20–200 mg/l)

Makroal­sdbuminurie*

(> 200 mg/l)

> 60

1 + 2

DNP fraglich

DNP möglich

DNP sehr wahrscheinlich

30-60

3

DNP unwahrscheinlich

DNP möglich

DNP sehr wahrscheinlich

< 30

4+5

DNP unwahrscheinlich

DNP unwahrscheinlich

DNP sehr wahrscheinlich

*Eine Makroalbuminurie in Kombination mit einer diabetischen Retinopathie deutet mit hoher Wahrscheinlicheit auf eine DNP hin.

Zum Screening auf eine Mikroalbuminurie eignet sich der Albumin-Kreatinin-Quotient im ersten Morgenurin, zwei positive Proben hintereinander beweisen die pathologische Eiweissausscheidung. Fällt eine der beiden Proben negativ aus, sollte eine dritte Urinprobe auf Albuminurie getestet werden (2 aus 3 Regel). Die Leitlinie empfiehlt das Screening bei Typ-1-Diabetes fünf Jahre nach der Diagnose und bei Typ 2 sofort nach Entdeckung.

Schlecht eingestellter Blutzucker, körperliche Anstrengung, Harnwegsinfekte, erhöhter Blutdruck, Herzinsuffizienz, eine akute fieberhafte Erkrankung oder Operationen können kurzfristig die Albumin-ausscheidung erhöhen. In solchen Situationen raten die Autoren dazu, das Screening zu verschieben.

Eiweisszufuhr auf 0,8 g/kg am Tag beschränken

Als Grenzwert zur Makroalbuminurie gilt eine Ausscheidung bis 200 mg/l. Patienten mit vielen Albuminmolekülen im Harn weisen in der Regel eine progressive Abnahme der GRF auf.

Die GFR dient dazu, die Nierenfunktion einzuschätzen. Ein Wert von < 60 ml/min/1,73 m2 KOF bei unter 60-Jährigen oder von < 45 ml/min/1,73 m2 KOF bei Älteren bedarf sechsmonatiger Kontrollen, sonst genügen jährliche Messungen.

Zu den weiteren Basisuntersuchungen bei Verdacht auf eine Nierenerkrankung beim Diabetiker gehören die mikroskopische Untersuchung des Urins auf Erythrozyten, Leukozyten und Albumin. Patienten mit persistierender Makroalbuminurie oder einer GFR < 60 ml/min/1,73 m2 KOF brauchen eine Überweisung zum Nephrologen.

Therapeutisch nennt die Leitlinie neben der optimalen Einstellung beeinflussbarer Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder Hyperlipidämie bei bestehender Niereninsuffizienz eine Beschränkung der täglichen Eiweisszufuhr auf 0,8 g/kg. Erythropoetin kommt bei renaler Anämie zum Einsatz. Kontrastmittel und NSAR gilt es zu vermeiden.

Besteht Anlass zu einer Untersuchung mit jodhaltigem Kontrastmittel, sollten bestimmte Massnahmen zur Reduktion der nephrotoxischen Auswirkungen ergriffen werden (s. Kasten).

Kontrast­mittel-Diagnostik gut vorbereiten

  • Wichtig ist ein ausgeglichener Flüssigkeitshaushalt zum Zeitpunkt der Kontrastmittelgabe und es empfiehlt sich, das Krea eine Woche vor sowie 24 und 72 Stunden nach der Applikation zu bestimmen.
  • ACE-Hemmer und AT1-Blocker können die Patienten durchgehend nehmen.
  • Eine Metformintherapie sollten Sie 48 Stunden vor der Untersuchung stoppen und erst 48 Stunden danach wieder fortsetzen.
  • Bei Schleifendiuretika gilt dasselbe mit Fristen von jeweils 24 Stunden.

Harnwegsinfekte bedürfen einer antibiotischen Therapie und natürlich muss man den Medikamentenplan an die reduzierte renale Funktion anpassen. Der HbA1c sollte präventiv zwischen 6,5 % und 7,5 % liegen, bei bestehenden makroangiopathischen Komplikationen zwischen 7,0 und 7,5 %.

Fast alle oralen Antidiabetika sind ab einer renalen Clearance von < 30 ml/min kontraindiziert. Das systolische Blutdruckziel lautet < 140 mmHg, der diastolische Wert sollte sich bei 80 mmHg einpendeln.

Bei Antihypertensiva zu ACE-Hemmern greifen

Unter den Antihypertensiva haben ACE-Hemmer und AT1-Rezeptorantagonisten den grössten Stellenwert.

Für die Behandlung einer Dyslipidämie stellen Statine die Mittel der ersten Wahl dar, eine GFR ≤ 50 ml/min/1,73 m2 KOF macht bei Lovastatin, Simvastatin und Rosuvastatin eine Dosisreduktion erforderlich. Das gilt auch für Fenofibrat, Gemfribrozil oder Nikotinsäure.

Bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz rät die Leitlinie zudem von der Kombination Statin plus Fibrat ab.

 *NVL "Nierenerkrankungen bei Diabetes im Erwachsenenalter", AWMF-Registernr.: nvl/001d