Medical Tribune
22. Aug. 2015Ratschläge für Diabetespatienten

Diabetespatient mit Auto und Flugzeug unterwegs – worauf ist zu achten?

Für die meisten Diabetespatienten gehören Autofahren und Ferienreisen im Flugzeug zum Alltag. Welche Ratschläge können Sie den Patienten mit auf den Weg geben, wenn die Therapie mit hypoglykämieverursachenden Medikamenten erfolgt?

Patienten mit Diabetes verursachen nicht mehr Autounfälle als gesunde Personen, betonte Ursula Kistler, Diabetesfachberaterin, Spital Davos, an der 29. Mediweek 2015. Allerdings ist die Konzentrationsfähigkeit bei einem Blutzuckerspiegel unter 4 mmol/l stark eingeschränkt. Als Grundregeln sind zu beachten, dass bei Therapie mit Insulin, Sulfonylharnstoffen und Gliniden die Patienten konsequent die empfohlenen Blutzuckermessungen durchführen und eine allfällige Hypoglyk­ämie sicher managen können. «Bei Nichteinhalten drohen juristische Konsequenzen, das muss man mit den Patienten besprechen», so die Referentin. Betroffene müssen immer genügend Kohlenhydrate mit sich führen: rasch resorbierbare Kohlenhydrate wie Traubenzucker und langsam resorbierbare wie z. B. Vollkornbiskuits, Obst, Dörrfrüchte oder Knäckebrot, um den Blutzucker zu stabilisieren. Wichtig ist, dass die normalen Essenszeiten eingehalten werden, Alkohol ist verboten. Mit ins Auto gehören unbedingt Diabetiker-Pass bzw. Notfallkarte.

Blutzucker < 5mmol/l? Auto stehen lassen!

Vor jeder Autofahrt sollte der Blutzucker gemessen und dokumentiert werden. Bei einem Wert < 5 mmol/l sollten die Patienten 20 g Kohlenhydrate zu sich nehmen und nach 20 Minuten kontrollieren. Bei einem Blutzucker < 5 mmol/l sollte kein Auto gefahren werden.

Vorsicht ist auch geboten nach körperlicher Anstrengung. Haben Patienten z. B. nach einer anstrengenden Wanderung die Insulindosis nicht reduziert, sollten sie bei einem Wert zwischen 5 und 6 mmol/l zwingend 20 g Kohlenhydrate zu sich nehmen und im Anschluss 10 g/Stunde während der Fahrt (s. Kasten). Bei jeder längeren Autofahrt müssen die Patienten alle 1–1,5 Stunden den Blutzucker kontrollieren und regelmässig essen: jede Stunde 10 g Kohlenhydrate oder alle zwei Stunden eine Zwischenmahlzeit mit 20 g Kohlenhydraten.

Bei ersten Anzeichen einer Hypoglykämie ist ein sofortiger Stopp erforderlich – auch bei Halteverbot oder auf dem Pannenstreifen. «Sagen Sie den Patienten, dass sie nach einer Hypoglykämie mindestens 20 bis 30 Minuten warten und erst weiterfahren sollen, wenn alle Symptome abgeklungen sind und der Blutzucker > 6 mmol/l beträgt, erklärte die Expertin. Ärzte sollten mit den Patienten die Grundregeln auf dem Merkblatt besprechen und unterschreiben lassen. Merkblätter lassen sich z. B. herunterladen beim Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich (www.irm.uzh.ch). Zudem gibt es zur weiteren Information Broschüren von der Schweizerischen Diabetesgesellschaft.

Eventuell ist auch ein zweites Messgerät für das Auto notwendig – dann sollte es das gleiche sein, das der Patient zu Hause verwendet. 

Bei Reisen mit dem Flugzeug sollten Diabetespatienten etwas häufiger als normal messen und dabei die eventuelle Zeitverschiebung beachten. Die Patienten sollten mindestens die doppelte Menge «Material» mitnehmen. Insulin gehört ins Handgepäck und darf nicht der Sonne oder grossen Temperaturschwankungen ausgesetzt werden. Ständige Begleiter sollten der Diabetikerausweis – möglichst in verschiedenen Sprachen –, das Blutzucker-Messgerät und Traubenzucker sein.

Bei Flugreisen mit Zeitverschiebung sollten Patienten die blutzuckersenkenden Medikamente wie zu den gewohnten Zeiten einnehmen und auch Insulin wie üblich spritzen, aber nur wenn die Zeitverschiebung weniger als 3–4 Stunden beträgt. Bei Fluganreisen über mehrere Zeitzonen sind Anpassungen notwendig (s. Kasten).

Insulinanpassung bei Flugreisen mit Zeitverschiebung

Der Tagesbedarf an Basalinsulin wird zunächst durch 24 geteilt (Stundendosis):
z. B. 16 E : 24 = 0,6–07 E

Flug nach Westen z. B. USA, Südamerika (Reisetag wird länger): Dosis des Basalinsulins erhöhen
Beispiel: Zeitverschiebung New York sechs Stunden
Anpassung: 16 E + (6 x 0,7 E = 4,2 E) = 20 E (mehr spritzen)
Bei zusätzlicher Mahlzeit zusätzliche Injektion mit kurz wirksamem Insulin

Flug nach Osten z. B. Thailand, Indien, Japan (Reisetag wird kürzer): Dosis des Basalinsulins reduzieren
Beispiel: Zeitverschiebung Japan acht Stunden
Anpassung: 16 E – (8 x 0,7 E = 5,6 E) = 10 E (weniger spritzen)

Kohlenhydrate gegen Hypo

20 g Kohlenhydrate:

  • 2 dl Süssgetränk (Coca-Cola, Fruchtsaft)
  • Traubenzucker: sechs Stück (Rolle) vier Täfelchen (Dextro Energy Würfel).

10 g Kohlenhydrate:

  • eine Frucht
  • Getreideriegel
  • drei Vollkornbiskuits (Darvida)