Medical Tribune
30. Juli 2014Zeckenstich und wie weiter?

Zeckenstich: So beraten Sie umfassend

Auslöser der von Zecken übertragenen Infektionen ist überwiegend Borellia burgdorferi. Nach einem Stich ist das Risiko aber geringer als gemeinhin angenommen – vor allem, wenn Patienten ihre gesamte Hautoberfläche nach entsprechenden "Outdoor-Aktivitäten" sorgfältig nach Zecken absuchen.

Schliesslich brauchen die Tierchen allein zwei Stunden, um richtig fest "anzudocken", und um die Erreger zu übertragen, müssen sie sogar 48 bis 72 Stunden hängenbleiben. Etwa 75 % aller Zecken werden aber innerhalb von 48 Stunden entdeckt und entfernt.

Eine Zecke auf Grashalm
iStock/DieterMeyrl

Grösser ist das Infektionsrisiko freilich, wenn der Stich bzw. die Zecke nicht wahrgenommen wird, schreiben Dr. Eugene D. Shapiro von der Universität Yale in New Haven und Kollegen.1 

Erythema migrans muss nicht an der Stichstelle beginnen

Erste Manifestation einer Borreliose – ein bis zwei Wochen nach dem Zeckenstich – ist das Erythema migrans, das aber nicht immer lehrbuchmässig mit zentraler Aufhellung ausfällt. Fast zwei Drittel der Läsionen sind einheitlich rötlich gefärbt oder zeigen zentral eine dunklere Kolora­tion.

Unbehandelt können die Hautherde einen Durchmesser von über 50 cm erreichen, bis sie nach drei bis vier Wochen von selbst wieder verschwinden.

Die meisten infizierten Patienten haben nur ein einzelnes Erythema migrans an der Stelle des Zeckenbisses. Bei früher Dissemination kann es aber auch zu Manifestationen an anderen Körperstellen kommen oder es entwickeln sich mehrere kleinere Erytheme. Zahlreiche andere Hauterkrankungen, beispielsweise infizierte Insektenstiche, Tinea oder Granuloma anulare sind differenzialdiagnostisch zu beachten.

Extrakutan kann sich die Erkrankung – mit oder ohne vorangegangenes Erythema migrans – in der Frühphase mit neurologischen Symptomen (v.a. Hirnnervenparesen, meist N. facialis), aseptischer Meningitis oder Karditis manifestieren. Die Arthritis, die in erster Linie das Kniegelenk befällt, ist dagegen eher eine Spätmanifestation, die erst Wochen bis Monate nach der initialen Infektion auftritt. Serologische Tests sind bei einem Erythema migrans nicht sinnvoll.

Auch IgM-Antikörper können jahrelang persistieren

Etwa die Hälfte der Patienten weisen zu diesem Zeitpunkt noch keine Antikörper auf. Auch von einem Screening auf Borrelien-Antikörper bei unspezifischen Symptomen raten die US-Kollegen ab, weil ein positiver Befund keine frische Infek­tion beweist. Sowohl IgM- als auch IgG-Antikörper können über Jahre persistieren. Zur Therapie der Borreliose empfehlen Experten folgende Antibiotikaregimes:

  • Doxycyclin (200 mg/d in 2 Dosen über 14 Tage), so lautet der Behandlungstipp der US-Autoren.1 Hierzulande werden häufig zwei- bis dreimal täglich 100 mg über einen Zeitraum von 20 Tagen verordnet.2
  • Amoxicillin (1500 mg/d in drei Dosen über 14 Tage)

  • Cefuroximaxetil (1000 mg/d in zwei Dosen über 14 Tage)

Auch extrakutane Manifestationen lassen sich mit diesen Therapieschemata gut behandeln – nur bei Meningitis wird eine intravenöse Antibiotikagabe empfohlen (Ceftriaxon oder Cefotaxim). Bei manchen Patienten kommt es unter der Antibiotikatherapie zu einer Herxheimer-Reaktion durch freigesetzte Toxine mit Fieber, Myalgie und Arthralgie – der "Spuk" ist aber nach 24–48 Stunden wieder vorbei. Eine klinisch relevante Resistenzentwicklung wurde bei Borrelien bisher nicht beobachtet.

Prophylaktische Doxycyclin- Gabe nicht empfohlen

Unmittelbar nach einem Zeckenstich kann – gemäss den US-Autoren – die Einmalgabe von 200 mg Doxycyclin die Entwicklung einer Borreliose verhindern – vorausgesetzt die Therapie erfolgte innerhalb von 72 Stunden nach dem Stich.

Aufgrund des relativ geringen Infektionsrisikos und der guten Behandelbarkeit wird dieses prophylaktische Vorgehen aber nicht allgemein empfohlen. Auch die Untersuchung der (mitgebrachten) Zecken auf B. burgdorferi ist sinnlos, weil sich auch bei positivem Befund das Infektionsrisiko nicht abschätzen lässt.

Bei einigen wenigen Patienten bleiben nach der Behandlung subjektive Symptome wie Fatigue, Arthralgie und Myalgien weiter bestehen – zum Teil über sechs Monate hinaus. Im Internet wird nach wie vor die Angst vor dieser "chronischen Borreliose" geschürt, schreiben die US-Experten. Sie raten jedoch von einer verlängerten Antibiotikatherapie ab, weil die Symptome bei den meisten Patienten irgendwann von alleine verschwinden.

Zecken haben noch mehr Bakterien im Gepäck

Neben Borrelien und FSME-Viren können beim Stich des "gemeinen Holzbocks" noch weitere Bakterien übertragen werden:

Anaplasma phagocytophilum:

Auslöser der humanen granulozytären Anaplasmose, Inkubationszeit 7–10 Tage, häufige Symptome: Fieber, Kopfschmerzen, Unwohlsein, Myalgien (seltener: Nausea, abdominale Schmerzen, Diarrhö, Husten); hämatologische Befunde: Leukopenie, Lymphopenie, Thrombozytopenie, seltener Anämie, milde bis moderate Leberschädigung; Symptome klingen meist nach 30 Tagen auch ohne Behandlung ab, Sekundärinfektion mit opportunistischen Erregern möglich

Candidatus Neoehrlichia mikurensis

Einzelfälle vor allem bei immunsuppressiver Grunderkrankung, rasches Ansprechen auf Doxycyclin

Quelle:

  1. Eugene D. Shapiro, N Engl J Med 2014; 370: 1724-1731
  2. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Arzneiverordnung in der Praxis 2014; 41: 4-6